Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0607: Stechmücken


Da ist man tierisch müde und möchte selig einschlafen, plötzlich hört man dieses Summgeräusch. Eine Stechmücke hätte gerne ein paar Tropfen unseres Blutes. Und weil das jetzt wieder so langsam anfängt, hier also eine Sendung über Stechmücken.

Download der Episode hier.
Opener: „Mosquito – Sound Effect“ von HQSoundEffects
Closer: „Dalai Lama kills a Mosquito“ von David Rothenberg
Musik: „Surfin’ Mosquito (2007)“ von The Wavers / CC BY-SA 3.0

Gestern war hier ein herrlicher Tag. Es hatte frühlingshafte 15 Grad! Überall blühen die Schneeglöckchen und die Krokeen. Oder Kroken. Oder Krokusse – was immer auch der richtige Plural ist. Beim ausgiebigen Gassigehen sind mir aber auch noch ganz andere Frühlingsboten begegnet: Mücken. Die Mücken sind auch wieder da!

Also habe ich mich einmal ausgiebig mit den Plagegeistern beschäftigt, die zumindest mich regelmäßig um den Schlaf summen. Dieses supernervige Summgeräusch hat der liebe Gott wahrscheinlich absichtlich eingebaut – wenn wir die Mistviecher so nicht orten könnten, würden sie uns wahrscheinlich evolutionär verdrängen.

Stechmücken gab es nämlich schon, als noch die Dinosaurier hier herrschten. Letztere sind komplett ausgestorben, aber die Mücken sind immer noch da. Das sollte einem durchaus zu denken geben, oder? Hundert Millionen Jahre, das Design muss ein Erfolgsmodell sein.

Weltweit gibt es ca. 3700 verschiedene Arten, die es eigentlich alle gerne warm und feucht haben, aber auch bei uns gibt es 50 verschiedene Stechmückentypen, man braucht also nicht extra in die Tropen zu fahren.

Besonders haltbar sind alleine schon die Stechmücken-Eier konstruiert. Die können gerne monatelang rumliegen, ohne schlecht zu werden oder gar völlig einfrieren. Sobald es wieder warm ist, und es noch feucht genug ist, schon werden aus den Eiern Larven. Bevorzugt in Pfützen, Mückenlarven sind Wassertiere.

Nach ein paar Tagen verpuppen sich die Larven und schon ist die nächste Generation bereit, uns das Blut auszusaugen. Wobei sich Stechmücken eigentlich von Nektar und Ambrosia, ich meine Pflanzensäften ernähren. Sind eigentlich voll die gechillten Vegetarier.

Bloß die Weibchen entwickeln Blutdurst, wenn sie sozusagen schwanger sind. Für die patentierten Sicherheitseier – und ein Weibchen kann vier- bis fünfmal im Leben immerhin 200 Stück in einem Hupps legen – für de patentierten Safetyeier braucht es Eisen. Ferrum. Und Eisen ist in Hämoglobin und Hämoglobin ist in Blut und Blut ist in uns.

Wobei Stechmücken da eigentlich nicht so wählerisch sind, die würden schon auch Kühe oder Hunde oder eben auch Tyrannosaurus Rex stechen: Aber wir Menschen haben halt so eine praktische, dünne Haut. Da ist das Stechen einfach easy-peasy.

Das erklärt auch die Vorlieben. Wirklich viele Forschungsarbeiten haben sich dem Thema gewidmet, wie die kleinen Blutsauger ihre Opfer aussuchen. Denn Mücken riechen gut. Also nicht die Mücken selber, das hat wiederum keiner untersucht – nein, sie können verdammt gut riechen.

Und unser Body-Odor, unser persönliches Geruchsfeld sozusagen, setzt sich aus mindesten 40 Faktoren zusammen. Klar, das ist Schweiß, Buttersäure, Alkohol, Ammoniak, Fettsäure, die aufgenommene Ernährung und noch viele andere Faktoren. Hey, wir selber können manchen Menschen gut riechen und andere nicht, oder?

Was sich jetzt die fliegenden Vampirmütter aussuchen, was sie als Beute bevorzugen, das ist leider nicht wirklich so richtig wissenschaftlich belegt. Die sind nicht so doof wie z.B. Zecken. Zecken sind sehr simpel programmierte Roboter. Die haben das Programm: Raufklettern, raufklettern. Du musst raufklettern.

Und wenn sie Buttersäure riechen, machen sie die Beine breit. Ist einfach so. Die Zecke lässt sich fallen. Auf Hund, Kuh oder Kindergartenkind – sie kann gar nicht anders.

Nicht so die Stechmücke. Die wählt ihre Opfer mit Bedacht. Wir wissen, dass sie Kinder und Frauen bevorzugt. Die Stechmückenmama riecht, wie leicht sie eine Person stechen kann. Bestimmte Arten bevorzugen bestimmte Geruchsmixturen.

Und dann landet sie – bevorzugt an Körperstellen, die wir nicht so supereinfach erreichen können, und sticht zu. Dabei appliziert sie eine Mischung aus Chemikalien. Erst einmal ganz schnell ein Schmerzmittel, damit wir nicht aufwachen vom Stich. Und dann einen Blutverdünner. Damit wir trinkbar bleiben.

Auf den reagiert dann auch ruckizucki unser Immunsystem und kurz nachdem sich das Weibchen bedient hat, juckt uns die Stelle, wo sie ihre Oberlippe in unseren Körper gebohrt hat. Wenn wir uns jetzt kratzen, verteilen wir alles auch noch fein und säuberlich und es juckt gleich viel mehr. Aber, was hilft’s – man muss sich halt jucken.

Stechmücken sind also, im Vergleich zu den eher doofen Zecken, eher so etwas wie die Superhelden unter den Blutsaugern. Sie können extrem gut riechen, verdammt gut hören – jede Mücke summt ihr eigenes Liedchen vor sich hin – Wärme sehen wie eine Wärmebildkamera, Kohlenstoffdioxid-Vorkommen orten und uns mit selbstgemachten Drogen vollpumpen.

Bleibt noch die Frage, wie gefährlich so ein Mückenstich ist. Man liest ja über die exotischsten Krankheiten, die jetzt durch bösartige Malariamücken auch in unseren Gefilden übertragen werden. Und das kann tatsächlich passieren.

Aber im Vergleich zu Zeckenbissen oder Bienen-, Wespen oder gar Hornissenstichen ist das kleine Blutopfer an die Stechmücke trotzdem insgesamt ausgesprochen harmlos. Wenn man eben nicht kratzt und einen Stich schnell mit Hitze behandelt – z.B. einem heißen Löffel, dann kommt man in der Regel ganz gut mit den Nebenwirkungen des insektoiden Vampirismus zurecht.

Es besteht keinerlei Grund, einen Stich sofort zu desinfizieren, dass hilft nicht wirklich. Man sollte auch nicht profilaktisch kleine Kinder mit Autan oder ähnlichem Abwehrgiften behandeln – da ist die Investition in ein Mückengitter sinnvoller und gesünder.

Jetzt, wo ich so viele tolle Dinge über die Superhelden vom Stamm der Mücken weiß, werde ich mich in Zukunft einfach ganz bereitwillig stechen lassen. Ein kleiner Beitrag für unser Ökosystem. Gelebte Tierliebe! …nee, war nur ein Scherz! Das Summen bleibt das Summen, sorry.


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 March 6, 2017  11m