Oft brachte der deutsche Schriftsteller Feridun Zaimoglu seine türkische Herkunft ins Spiel. Im neuen Roman erzählt er sprachgewaltig von Martin Luther. „Evangelio“ führt auf die Wartburg, in die Jahre 1521/ 1522, als sich der Reformator dort, in Schutz und Haft des Kurfürsten von Sachsen, aufhielt und das Neue Testament übersetzte. Zaimoglu, der Sohn aus liberaler muslimischer Familie, der Erfinder der Kanak-Sprak, der Übersetzer eines furiosen „Othello“, erweist sich als bibelfest. Schon als Kind geriet er bei der Bibel-Lektüre in einen „Wortrausch“, fasziniert von den Geschichten dieser anderen Welt. Zaimoglu kennt die Heilige Schrift und eine Unzahl von Luther-Biographien und nimmt sich doch in „Evangelio“ alle Freiheiten. Sein Luther ist ein eruptiver Vulkan mit Satansvisionen, ein Zweifler auf der Suche nach Erlösung, aufrecht in seiner Frömmigkeit, verblendet in seinem Blick auf Frauen, Juden, aufständische Bauern. Bewacht, begleitet und kommentiert von einer erfundenen Figur: dem Landsknecht Burkhard, dem eigentlichen Erzähler des Romans, eine Stimme des Volkes, einem Altgläubigen. Virtuos und von Sprachfuror getrieben, schildert Zaimoglu diese zwei Männer in einer Zeit des Umbruchs. Im Studio erzählt er erzählt von seinen Recherchen und seiner Beziehung zur Bibel. Oliver Nägele und Wolfgang Pregler lesen Auszüge. Moderation: Cornelia Zetzsche.