Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Fuck SUVs!


Weil Herr Wunderlich am Steuer unlängst von einem SUV bedrängelt wurde, rechnet er jetzt mit dieser Fahrzeugklasse pauschal ab. (Gut. Das hätte der Titel wahrscheinlich schon vermuten lassen…)

Wenn man sich alles rund um die sogenannten „Sport Utility Vehicles“ anschaut, dann bleiben eigentlich nicht viele gute Gründe, sich so ein Auto anzuschaffen. Trotzdem werden mehr und mehr SUVs gebaut und verkauft.

Durch diese Art von Konsum steigert sich die Rüstungs-Spirale auf unseren Straßen weiter und weiter. Jetzt muss man wohl schon mit zwei Tonnen Metall unterm Hinter unterwegs sein?

Download der Sendung hier.
Musik: „That Cold July“ von QUIETLY CONCERNED / CC BY-NC-SA 3.0

Skript zur Sendung

Ich gebe es gleich zu: Diese Sendung hat einen sehr persönlichen Grund. Denn am Freitag wäre ich um ein Haar in einen Unfall verwickelt worden. Wir waren dem Fahrer des riesigen SUV mit unserem Morgenradio-Mobil irgendwie ein Dorn im Auge.

Sichtlich war er der Meinung, es wäre eine gute Idee, uns von der Straße zu drängeln. Das ganze Manöver ging sehr knapp ohne Schaden aus. Wenn man davon absieht, dass es unsere Hunde im Kofferraum durcheinander geschüttelt hat.

Wegen dieser Geschichte habe ich mich ‚mal mit SUVs befasst. Ich dachte ja eigentlich, die wären ein Trend aus den Neunzigern und mittlerweile völlig passé. Weil jeder plant, sich ein Elektro-Auto zu kaufen. Oder Car-Sharing zu machen.

Wegen Klima-Katastrophe und CO2 und wegen der Zukunft und der Umwelt und der Natur und, weil es einfach völliger Unsinn ist, so ein Auto zu fahren!

Doch weiter entfernt von der Realität konnte ich gar nicht sein! War ein kleiner Schock, muss ich schon zugeben.

Zuerst habe ich mir zur Motivation erst einmal alle Werbeclips für SUVs angekuckt, die ich auf YouTube nur auftreiben konnte. Da hatte ich noch ganz schön Nachholbedarf.

Auffallend ist bei der Werbung, dass da nie mit Zahlen geworben wird. Ist verständlich, denn alle Zahlen zu den Rentner-Panzern sind ja auch ernüchternd.

In den Werbebildern sehen wir meistens attraktive, selbstbewusste junge Männer am Steuer. Die so eine James-Bond-Souveränität channeln sollen.

Der Rest ist dann meistens wilde Natur. Sitzt man in so einem SUV, dann verwandelt sich die Großstadt auf einmal in die Prärie und man fährt mitten in einer Bisonherde. Gerne auch bei Unwetter.

Oder aber man muss auf einmal, auf dem Weg zum Kindergarten, die Rallye Paris-Dakar meistern. Denn die natürliche Lebensumgebung für so ein Auto ist natürlich die Wüste.

Egal ob Taifun oder Schneesturm, egal ob Afrika oder meinetwegen der Mars: Im eigenen SUV ist man auf alle Gegebenheiten perfekt geschützt! Immer vorbereitet darauf, dass einem auf der Umgehungsstraße in Berlin eine Herde Büffel entgegen kommt.

Es ist glasklar, was die Autokonzerne in ihren Clips verkaufen wollen. Einen selbstbewussten, souveränen Lifestyle. Gute Argumente für so ein Riesenauto scheint es nicht wirklich zu geben.

Wie ist es aber nur passiert, das auf einmal so viele SUVs unterwegs sind? Als wir am Freitag beim Englischen Garten in München geparkt haben, war gut jedes vierte Auto, dass da stand, ein SUV! Gibt es wirklich so viele?

2018 wird das Jahr, so schreibt das Kraftfahrbundesamt, an dem jedes vierte, neu zugelassene Auto ein SUV sein wird! Jedes vierte, verdammte Auto! Und es werden tatsächlich jedes Jahr immer noch 3,4 Mio Kraftwägen neu zugelassen. Davon waren 2017 gerade einmal 25.000 Autos Elektro-Autos!

Wie konnte ich da nur in einer Filterblase leben, wo Hinz und Kunz zumindestens mit einem Hybridauto liebäugeln? Oder aber gar kein Auto mehr wollen.

Studiert man die Statistik weiter, fällt auf, dass seit Jahren schon die Kombis und die Kompaktwägen völlig aus der Mode kommen. Da verdrängt der SUV die rentablere Konkurrenz genauso wie der Arsch mit dem SUV mich am Freitag.

Auffallend ist auch, dass das Durchschnittsalter für Neuzulassungen ständig steigt. Momentan ist es bei 53 Jahren. Junge Leute können sich die neuen Autos einfach nicht mehr leisten. Denn der Durchschnitts-Neuwagen kostete 2017 satte 27.500 Euros. Und der Durchschnitts-SUV gleich noch einmal 4000 Euro mehr. Das haste als junge Familie nicht rumliegen, so viel Geld.

Klar geht es unserer Auto-Industrie gut! Ich dachte vorher, das liegt daran, dass die Chinesen und Inder sich jetzt auch einen Mercedes leisten. Aber in Wirklichkeit werden auch bei uns jedes Jahr immer mehr Autos zugelassen und die werden dann auch noch jedes Jahr tausend Euro teurer im Durchschnitt.

So einen SUV kaufen sich also reiche Menschen und alte Menschen. Aber wie rationalisieren sie das? Was sind die Argumente?

Denn eigentlich ist doch so ein Wagen komplett aus der Zeit gefallen! Die sind praktisch alle zwei Tonnen schwer, manche schrammen sogar an drei Tonnen vorbei. Zwei Tonnen Metall und Kunststoff, um einen 53-Jährigen Mann mit vielleicht 100 Kilogramm Körpergewicht zu transportieren?

Und das kostet natürlich auch Sprit. Der Bentley Bentayga zum Beispiel verbraucht im Durchschnitt Landstraße/Autobahn/Stadtverkehr glatte 16 Liter Super auf hundert Kilometer! Und der Liter kostet hier, bei der OMV glatt € 1,70!

So ein Bentley ist nicht nur mehr als doppelt so schwer wie ein normaler PKW, der verbraucht auch gleich das Dreifache! Und das 2018! Lesen die alle keine Zeitung? Glauben die alle, der Klimawandel ist eine Propaganda-Lüge der Chinesen?

Und dann kommt noch hinzu, dass diese Panzer natürlich auch noch sperrig sind wie ein Karton Expedit von IKEA. Da mag man sich ja toll sicher fühlen, wenn man in die Stadt fährt, aber Parkplatz findet man natürlich keinen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum man die oft auf den Radwegen parken sieht.

Überhaupt: Für Radfahrer in der Stadt sind SUVs sowieso der natürliche Feind. Ich war jetzt gerade vier Jahre lang selber wieder Radler in München und alle wirklich gefährlichen Situationen waren SUVs.

Nicht nur, weil die den Verkehr so schlecht einsehen können von da oben, sondern einfach, weil die sich an Dir als Radler vorbeiquetschen, als wärst Du eine Ölsardine. Da darftst Du aber nicht vor Schreck mit dem Lenker wackeln, sonst bist Du erledigt!

Letztes Jahr ist zum ersten Mal seit langem die Zahl der Verkehrstoten wieder gestiegen. Und dieses Jahr wird das, so wie es aussieht, auch so weitergehen.

Bei den Autofahrern sinkt die Rate weiter, aber bei den Motorradfahrern ist sie um 20% gestiegen und bei den Radlern um 12%. Und das liegt, das gibt sogar der ADAC zu: An den SUVs.

Fiel ein Radler bei einer Kollision früher auf die Motorhaube, die einen Teil der Impulsenergie schluckte, knallt er bei einem SUV gegen eine Wand.

Das ist übrigens auch der Hauptgrund, warum die Zahl der getöteten Kleinkinder im Verkehr wieder steigt. Denn so ein SUV ist auch bei 30 km/h für so einen Kinderkopf eine tödliche Angelegenheit.

Das sind doch alles Argumente, gehen die denn so SUV-Käufern nicht durch den Kopf?
Gibt es denn auch Argumente für so einen Panzer?

Na ja, da gibt es zum einen das Rentner-Argument. Wenn man sich mit 53 ein Auto kauft, dann hat man keine Lust mehr, sich da reinzulegen wie in einen Ferrari. Und bei so einem hohen Einstieg hat es der Frührentner halt ein bisschen bequemer.

Auch wenn man kleine Kinder hat, muss man sich nicht so bücken, wenn man sie für die Urlaubsfahrt in ihre Plastikschalen fesselt. Kann ich fast einsehen, das war zum Teil ein furchtbares Theater! Speziell wenn es zu Ernährungspannen kam!

Dann ist es natürlich nicht so, dass diese Karosse ein Geländewagen wäre. Die meisten SUVs sind ja überhaupt nicht geländetauglich. Nein, die SUVs haben in der Ausstattung jeglichen Luxus. Ist ja genug Platz, für jeden Mist ein paar Elektromotoren zu verschrauben.

So ein SUV hat dann schon gerne ein Bremsenergie-Rückgewinnungssystem. Um Energie zu sparen. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, aber so ein Autoverkäufer muss doch lachen, wenn er so eine Ausstattung aufzählt, oder? Ich meine Bremsenergie sparen statt einfach 1000 Kilo leichter sein?

Also hätten wir Bequemlichkeit und Luxus als Kaufgründe. Noch irgendwas?

Ach ja, das entscheidende Argument natürlich. Das Argument, dass SUV-Käufer am häufigsten angeben, wenn man sie zu ihrer Kauf-Entscheidung befragt. Das ist die Sicherheit.

Und das stimmt natürlich. Man selber, als SUV-Fahrer ist prächtig geschützt. Und auch die Kinder. Das ist wohl wahr. Man wird dafür halt, wie oben beschrieben für alle anderen Verkehrsteilnehmer zur Gefahr. Aber das sind ja nur die anderen…

Mein Verdacht ist: Wir haben da auf unseren Straßen eine Rüstungs-Spirale. Weil die Autos immer schwerer und größer werden, werden die Autos immer schwerer und größer. Versteht ihr, was ich meine?

Über zwei Tonnen Metall und Kunststoff! Wo soll denn das bitteschön noch hinführen? Da stecken ja vier Enten in so einem SUV! Viermal ein Citroen 2CV!

Ach, ein Argument bleibt ja noch. Das Argument mit dem Orkan. Und das Argument mit der Wüste. Und der Büffelherde, die einen jederzeit überraschen kann. Das Argument mit den durchschnittlich 170 PS.

Liebe Stadt-Panzerfahrer: Eure SUVs sind schon lange keine Geländewägen mehr! Der Allrad-Antrieb ist bei den meisten als Standard-Ausstattung gar nicht einmal mehr dabei.

Und dann seid ihr so kopflastig, dass ihr euch bei der Rallye Paris-Dakar einfach überschlagen würdet. Sieht man auch schön daran, dass die Wahrscheinlichkeit sich zu überschlagen für einen SUV, beim Auftreffen auf eine Leitplanke achtmal höher ist als zum Beispiel beim morgenradio-Mobil.

Ein SUV gehört zu den Dingen, die wir nicht brauchen. Es schadet uns allen. Wir alle tragen mit unseren Kosten die Mehrbelastung der Umwelt oder aber auch nur des Straßenbelags für die Rentner-Panzer.

Verbieten müssen wir sie auch nicht gleich, aber wir sollten sie lächerlich machen, wo wir nur können. Wer uns das lustigste Schimpfwort für SUV sagt, kriegt eine Postkarte!


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 July 16, 2018  28m