Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Wasser!


Es ist Sommer, es ist heiß und ich fülle dem schwitzenden Radfahrer gerne seine Trinkflasche am Wasserhahn mit kühlem Leitungswasser auf.

Doch heute bleibt er durstig, denn seit einigen Tagen herrscht ein Abkochgebot für das regionale Leitungswasser… Coli-Bakterien in unserem Wasser?! Aber sind nicht Mineralwässer sowieso viel gesünder?

Das wollte ich jetzt schon mal genauer wissen. Und habe darum, versucht dem Mythos der „Reinheit“ unseres Grundnahrungsmittels Wasser auf die Spur zu kommen.

Download der Sendung hier.
Musik: “Water – a song made out of water“ Von ANDREW HUANG

Skript zur Sendung

Wir müssen ja trinken und essen. Und eigentlich gibt’s nichts Wichtigeres in unserer Ernährung als Wasser. Aber gerade über Wasser liest man soviel Unsinn, es ist kaum zu glauben. Die einen sagen, man muss 4 Liter am Tag trinken, die anderen warnen, dass man bei mehr als zwei Litern müde wird und leistungsschwach.

Und dann gibt es Wasser ja noch in zahlreichen Formen und Farben zu kaufen. Mit tollen Namen und tollen Herkunftsorten. Für Kinder, für Babies und für Schwangere gibt es extra Wasser.

Und das alles aus der Leitung, aus der Glasflasche oder – praktisch – aus der Plastikflasche. Und um dann ganz gaga zu werden musst man zuerst noch einen volkshochschulkurs machen um deinem Kind die richtige Trinkflasche für die Schule zu kaufen.

Man verliert also leicht den Überblick in diesem ganzen Wahnsinn. Wir haben heute unsere Recherche-Superkraft angewendet, um euch heute einen H2O-Crashkurs zu geben.

Erstens: Was ist eigentlich das Tolle an Wasser?

Gute Frage! Das wissen wir eigentlich auch nicht. Vielleicht die Tatsache, dass ein Wassermolekül wie ein Magnet ein positiv und ein negativ geladenes Ende hat? Und dadurch Oberflächenspannung entwickelt? Und – völlig unnormal – bei 4 Grad die größte Dichte hat und nicht erst, wenn es gefriert? Oder dass es, wäre das nicht so, gar kein Leben existieren würde? Keine Ahnung… aber schon mal recht wahrscheinlich.

Zweitens: Besteht der Mensch zu 90% aus Wasser?

Natürlich nicht! Ich habe beim besten Willen nicht rausgefunden, was die Ursprungsquelle für diesen Unsinn ist! So einen hohen Wassergehalt haben Gurken! Oder Quallen. Aber nicht Menschen.
Der Wassergehalt so eines Homo sapiens hängt von vielen Faktoren ab. Je höher zum Beispiel der Körperfettanteil, desto niedriger der Wasseranteil. Neugeborene bestehen noch zu 75% aus Wasser, bei alten Menschen sind es dann nur noch etwa 50%. Und Männer sind im Durchschnitt wässeriger als Frauen.
Wobei es sich bei diesem Wasser nicht um pures, reines H2O handelt, sondern um ziemlich salziges Mineralwasser. Arme Vampire.

Drittens: Ist destilliertes Wasser tödlich?

Das ist ein weitverbreiteter Mythos. Herr Wunderlich schwört, dass von seinem Chemielehrer gehört zu haben. Ist aber natürlich Quatsch. Destilliertes Wasser enthält keine Gifte, aber halt auch keine Ionen. Also Minerale oder Salze, sozusagen.
Trinkt man destilliertes Wasser, dann kommt es in Kontakt mit Mensch. Mit den Schleimhäuten. Und die salzen das dann ganz großzügig. Im Magen angekommen könnte man es nicht mehr von Leitungswasser oder Fiji-Mineralwasser unterscheiden.
Klar, die Salze und Mineralien, die destilliertem Wasser fehlen, muss der Körper ergänzen. Aber kuckt mal auf eine Mineralwasserflasche, wie wenig Salze da drinne sind.
Um z.B. den Körper so von Natrium leerzuspülen, dass es tödlich wird, müsste man etwa 17 Liter destilliertes Wasser trinken.
Wenn ihr also in einem Labor arbeitet und leicht an destilliertes Wasser kommt, dann verwendet das ohne schlechtes Gewissen auch in der Kaffeemaschine. Ist gesünder, als die dauernd entkalken zu müssen.
Ach, und übrigens: Nein, destilliertes Wasser wirkt keine Wunder beim Abnehmen.

Viertens: Wieviel Wasser soll man denn nun trinken?

Das war ja so die Ausgangsfrage für die Recherche. Und das ist gar nicht leicht zu beantworten. Man kann wahrscheinlich behaupten, dass heute viele Menschen schon wieder zu viel Wasser trinken. Weil es ja wirklich dauernd gepredigt wird. Jeder Ernährungsberater und jede Fitness-Website und jeder Gesundheitstipp geht so: „Und trinken Sie viel Wasser!“
Und deswegen gibt es jetzt schon wieder Warnungen vor „Wasservergiftung“ – auch wieder ein Unsinn. Das geht wirklich nicht so schnell – für den Durchschnittes-Menschen bräuchte es schon deutlich mehr als 10 Liter Wasser, um ihn – sozusagen – zu vergiften.
Als Faustregel kann man sagen, dass eben dieser Durchschnittsmensch ca. 1,5 Liter mindestens trinken sollte, aber unter bestimmten Umständen besser nicht mehr als drei am Tag… wenn doch besteht die Gefahr der Entmineralisierung und vor allem Entsalzung. Ganz wichtig wenn dieser Leber-, Nieren- oder Herzprobleme hat.

Aufpassen sollten auch Ausdauersportler. Bei Hitze so richtig schwitzen und dabei immer viel zu trinken, kann den Körper tatsächlich entsalzen. Vor drei Jahren sind beim New York Marathon drei Menschen gestorben. Ein winziger Teelöffel Salz hätte deren Leben retten können.

Trinkt man mehr als die drei Liter Wasser, dann ist das auch nicht superschlimm. Aber wenn ihr das tut und euch tagsüber oft schlapp fühlt und kraftlos, dann versucht doch einmal weniger zu trinken. Vielleicht fährt euer Metabolismus runter, um den Salzmangel auszugleichen.

Und: Na klar zählt Kaffee auch als Flüssigkeit! Und Melone auch! Harntreibend oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle.

Und auch: Zuviel Wasser zu trinken wirkt leider keine Wunder beim Abnehmen.

Fünftens: Ist Mineralwasser gesünder als Leitungswasser?

Generell kann man sagen: Nein. Auf keinen Fall. Was aber macht ein Mineralwasser zum Mineralwasser und nicht nur zum Leitungswasser?

Ganz einfach: Mineralwasser ist nach der deutschen Mineral- und Tafelwasserverordnung ein Grundwasser mit besonderen Eigenschaften. Seine Inhaltsstoffe dürfen nur unwesentlich schwanken. Es muss aus unterirdischen Wasservorkommen stammen und von ursprünglicher Reinheit sein.

Mineralwasser wird an einer Quelle abgefüllt und darf praktisch nicht behandelt werden. Klingt supertoll. Bedeutet aber, dass deswegen Pestizide oder Uran oder Radon im Mineralwasser vorkommen, im Leitungswasser übrigens nicht.

Weil unser Gesetz die Behandlung stark einschränkt, ist Mineralwasser belasteter als Leitungswasser. Wer also denkt, das „Mineralwasser“ ein Ausdruck für Qualität ist, der irrt sich gewaltig. Es enthält nicht einmal mehr Mineralien als Leitungswasser, der Name ist ein Trick.

Man kann von der Coca Cola GmbH halten, was man will, aber die haben das zum Beispiel für ihr Bonaqua offen zugegeben. Da kaufte man zum Beispiel für viel Geld Münchner Leitungswasser plus Kohlensäure, wenn man z.B. bei McDonalds ein Wasser bestellte. Gibt’s übrigens seit 1. Juli nicht mehr. Bonaqua durfte sich eben aus diesem Grunde auch nur Tafelwasser nennen.

Vittel ist einfach Leitungswasser aus dem Ort Vittel, wie wir seit diesem Frühjahr alle wissen. Weil in dem Ort mit diesem Namen das Wasser knapp wurde, weil es Nestlé lieber in Plastikflaschen packt und teuer verkauft. Aber natürlich nich an die deutschen Mineral- und Tafelwasserverordnung gebunden.

Die Stiftung Warentest testet regelmäßig Mineralwässer. Auch wenn da manche gut abschneiden, so erreichen sie fast nie die Qualität von durchschnittlichem Leitungswasser. Dafür gibt es dann bei über der Hälfte der Testkandidaten etwas zu bemängeln.

Wie zum Beispiel versteckte Süßstoffe, Hormone, Pestizide oder aber Acetaldehyd, wie beim Test, der letzten Monat veröffentlicht wurde.

Klar, um ganz ehrlich zu sein: Das kann einem alles vereinzelt auch einmal beim Leitungswasser passieren. Aber, noch einmal: Leitungswasser wird viel strenger kontrolliert als Mineralwasser.

Und es ist viel, viel besser für die Umwelt. Kein Plastik, kein Transport

Sechstens: Wie? Das heißt, es gibt keinen Grund, warum teure Mineralwässer so teuer sind?

Doch, doch, es gibt schon einen Grund. Das nennt man profitables Marketing, diesen Grund. Aber gesundheitlich gesehen sind abgefüllte Mineralwässer in Plastik aus den entferntesten Ecken völliger Unsinn. Und ökologisch gesehen eine Frechheit.

Will Smith oder Beyonce oder Celine Dion lassen sich gerne mit „Voss“ abbilden. Die Plastikflasche vom Designer und die Herkunft aus einem norwegischen Gletscher, wie cool ist das denn. Klar, dass das um den Faktor 1800 mal so teuer ist wie deutsches Leitungswasser.

Dabei wurde schon 2008 nachgewiesen, dass „Voss“ einfach Leitungswasser aus Iveland in Norwegen ist. Das dann um die halbe Welt geschippert wird, um in Kalifornien Weltstars die Schleimhäute zu ölen.

Nein, wer das kauft für € 3,50 den Liter, der ist leider ein totales Marketingopfer.

Ähnliches gilt übrigens für das ach so tolle Pizzeria-Wässerchen San Pellegrino. Das bestellt man gerne als „Aqua Minerale“ zur Pizza und dann schlackert man beim Conto mit den orecchie.

In allen Tests der Stiftung Warentest schneidet dieses Wässerchen der Firma Nestlé unterdurchschnittlich ab. 2018 wurde Acetaldehyd gefunden. Und Feinschmecker sind sich einig, dass es zu säuerlich fad ist, um es zum Essen genießen zu können.

Wenn man auf die Statistik schaut, dann war noch 1970 der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen an Mineralwasser gerade einmal 13 Liter. Nicht am Tag. Sondern im Jahr.

Mein Opa noch hätte mir wahrscheinlich noch eine Watsch’n gegeben, wenn ich so blöd gewesen wäre, für eine Flasche stillem San Pellegrino drei Euro achtzig beim Pizzabäcker zu löhnen.

Doch seit den Siebzigern hat uns die Werbung eingeredet, wir bräuchten unbedingt Mineralwasser. Weil das besser ist und ursprünglicher und gesünder.

Und, jetzt, also 2017 trinken wir auch brav 140 Liter pro Kopf und Nase im Jahr. Obwohl, wie schon vorher erklärt, unser Leitungswasser gesünder ist und billiger. Ungefähr 0,2 Cent pro Liter.

Aber es geht noch doofer: Man kann, wenn man will auch Wasser von den Fiji-Inseln kaufen, wenn man will, dass die Klimakatastrophe ordentlich angeheizt wird (doppeltes Wortspiel haha). Oder aber auch „Babywasser“ aus der Plastikflache kaufen, wenn man glaubt, dass Aldehyde den Nachwuchs konserviert.

Das bringt uns zur nächsten Frage:

Siebtens: Sind Plastikflaschen ungesund und schädlich?

Moment! Das ist eine doppelte Frage. Ungesund sind sie laut unserem Lebensmittelgesetz nicht. Es ist zwar so, dass in den Getränken, die man in Plastikflaschen kauft, Mikro-Plastik nachgewiesen wird. Aber das ist ja auf keinen Fall erstmal giftig! Noch nicht…

Plastikflaschen sind aus einem thermo-verformbaren Kunststoff namens PET. Darum riecht Wasser aus Plastikflaschen auch so komisch, wenn es schon einmal länger in der Sonne lag. Im Auto zum Beispiel. Weil der Kunststoff fröhlich munter weiter-darin reagiert.

Und das Getränk mit dem Zellgift Acetaldehyd anreichert. Kein Scherz.
Klar, in den Konzentrationen ist das vöööllig unbedenklich! Heißt es. Ich wäre das vorsichtig. Acetaldehyd schadet auch in winzigen Mengen der Leber und dem Herz, das ist ziemlich gut belegt. (bereits 1781 enstanden bei oxidation von ethanol)

2008 wurden in vielen Plastikflaschen Hormone entdeckt, Östrogen-ähnliche Hormone. Die finden sich immer noch, aber kein Mensch weiß, wie die da reinkommen. Wieder kein Scherz: Es sind in winzigen Mengen in Plastikflaschen menschliche Hormone nachweisbar, aber keiner weiß, wie die da reinkommen.

Man kann sagen: Plastikflaschen sind nicht generell ungesund. Aber viel ungesünder als Glasflaschen. Und die sind ganz deutlich ungesünder als Leitungswasser.

Bleibt noch schädlich: Plastikflaschen sind sehr umweltschädlich. Sie brauchen viel Energie bei der Herstellung, sie verrotten nicht. Nie nie niemals. Das ist so gruslig finde ich… Sie werden nur, in 400 Jahren zu so winzigen Plastikkügelchen zerrieben, dass man sie nicht mehr nachweisen kann. (Ausser in uns wenn wir das wollten)

Schaut auch einmal Bilder von den Müllinseln in den Ozeanen an, da seht ihr dann die 250.000 Plastikflaschen, die alleine nuuur wir Europäer den Meeren Jahr für Jahr anvertrauen.

Achtens: Leitungswasser. Aber ist das nicht voller Nitrate? … Schreibt der Spiegel zumindest!

Der Spiegel ist ein Schmierblatt geworden. Nicht ernst nehmen.
Es ist aber so, dass die EU sich zurecht bei Deutschland beschwert hat, dass wir nicht soviel gegen Nitrate gemacht haben, wie wir versprochen hatten.

Das liegt daran, dass wir gerne Regierungen wählen, die sowieso einfach mal genau nix machen oder verändern wollen. Das hat aber mit dem Nitrat-Gehalt in unserem Leitungswasser wirklich gar nichts zu tun.

Denn der sinkt tatsächlich faktisch seit Jahren. Nitrathaltiges Grundwasser jedoch solange in der Aufbereitung verdünnt, bis der Nitratgehalt stimmt.

Das macht jedoch bei Mineralwasser kein Mensch. Das wird zum Beispiel auch nicht auf Radon oder Uran oder Chrom getestet. Leitungswasser schon…es unterliegt permanenten Kontrollen.

Beim Mineralwassertest 2018 waren im Naturalis-Mineralwasser von Netto krebserregend hohe Mengen an Chrom zu finden.

Wären solche Mengen im Leitungswasser, würde sofort die Feuerwehr tagelang rumfahren und jeden Bürger lautstark warnen. Denn einmal im Monat wird jedes Leitungswasser in Deutschland auch auf Chrom getestet. Telweise so wie hier bei uns wöchntlich und im Moment sogar täglich.

Wirklich: Vertraut eurem Leitungswasser! Das könnt ihr im Notfall auch selber sprudeln, wenn ihr wollt. So machen wir das mittlerweile. Und bei uns war das Wasser hier schon zweimal mit Coliformen verseucht.

Und seitdem wird hier einmal pro Woche getestet. Und wenn ein Grenzwert überschritten ist, dann fährt hier wirklich die Feuerwehr – auch um 10 nachts (ich schwöre es ist nervtötend) – durch die Gegend, und plärrt die Warnung aus den Megafonen.

Na dann. Mach ich uns ‚mal ein Fläschchen Wein auf, besser, oder?


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 July 9, 2018  25m