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In jeder zweiten Stellenanzeige ist von den „soft skills“ die Rede. Oder von der emotionalen Intelligenz. Nicht nur die Mehrheit der Deutschen, sondern auch die Mehrheit der Personalchefs glauben, dass der EQ wichtiger ist als der IQ.
Das hat zwar erstaunlich wenige Konsequenzen für die Arbeit oder für die Gesellschaft im Allgemeinen, aber ist trotzdem mittlerweile Allgemeingut.
EQ ist also wichtig für Erfolg und ein ausgeglichenes Leben und macht sogar sexy – dabei verbirgt sich hinter diesem Begriff nicht viel Wissenschaftliches.
Ein moderner Aberglaube, meint Herr Wunderlich, mit einer bestimmten Absicht.
Download der Episode hier.
Musik: „When Paris is Singing“ von DAZIE MAE / CC BY-NC-SA 3.0
In jedem Artikel über den EQ, den ich gefunden habe, steht ungefähr das Gleiche. Da hat man einen nagelneuen Begriff, keine dreißig Jahre alt, und schon eine Legende drumrum.
Und diese Legende geht ungefähr so: Einst herrschte das dunkle Zeitalter des bösen Kapitalismus. Die gierigen Achtziger. Alle wollten nur Geld und Erfolg und Macht. Alle wollten so sein wie Gordon Gecko. Und darum suchte jedes Unternehmen nur die Besten für sich.
Und die Besten, das waren in diesen dunklen, dunklen Tagen des Raubtierkapitalismus schlicht und einfach die mit den besten Noten. Die, die bei Tests die besten Ergebnisse hatten. Und ein Intelligenztest ist auch ein Test. Und der IQ, der am Ende rauskommt, ist eine Note.
Wie dumm die in den Achtzigern waren! Heute wissen alle Manager und Arbeitgeber natürlich, dass ein Team von Intelligenzbestien ein reiner Kindergarten ist. Nur Konflikte und Probleme, die zu Fehlern führen. Und Fehler kosten Geld.
Heute wissen Manager und Arbeitgeber, dass man nicht nur IQ braucht, sondern auch EQ. Sogenannte emotionale Intelligenz. Was ein furchtbarer Quatschbegriff ist. Was nu? Emotion oder Intelligenz? Aber egal…
Und nicht nur Manager und Arbeitgeber wissen das, sondern wir alle.
Eine Umfrage bei einer sehr großen Single-Partnerbörse fragte: „Welcher der folgenden Aspekte macht Ihre Traumfrau/Ihren Traummann für Sie besonders sexy?“
„Naturwissenschaftliches Verständnis: Ob Urknall-Theorie oder Informatik-Fachwissen, wer sich in naturwissenschaftlichen Zusammenhängen auskennt, wickelt mich sofort um den Finger.“ Das sagten immerhin… 6%
„Eine philosophische Art: Mich reizt es, wenn jemand die Zusammenhänge durchschauen will und alles hinterfragt.“ Philosophen finden immerhin schon 20% der Befragten sexy…
„Umfassendes Allgemeinwissen: Ich schätze es, wenn jemand breit gefächertes Wissen hat und bei vielen Themen von Politik bis Literatur mitreden kann.“ Da lassen immerhin schon knapp 50% der Befragten die Boxershorts oder den Schlüpper fallen.
Aber der Sex-Magnet Nummer eins, das Aphrodisiakon schlechthin: „Emotionale Intelligenz: Taktgefühl und Einfühlungsvermögen sind wahnsinnig anziehend.“ Das finden 80%.
Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind bei dieser Umfrage sind übrigens auffallend gering. Auch sehr interessant, finde ich. Sollste ma lesen, Mario Barth, wa, kennste die? Kennste die?
Jederfrau und jedermann wissen also heutzutage, was emotionale Intelligenz ist. Und glauben, dass das eine ungeheuer wichtige Eigenschaft ist. Sogar besonders sexy.
Bleiben wir aber noch einmal der Legende auf der Spur. In den bösen Achtzigern hatte man also noch keine Ahnung vom EQ. Und dann kam der Retter. Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman. Der schrieb den Bestseller „EQ: Emotionale Intelligenz“.
Das war 1995 und seitdem ist unsere Gesellschaft in ein neues, goldenes Zeitalter eingetreten. Das Buch hat sich fünf Millionen Mal verkauft. Selbst ich habe das gelesen.
Goleman schlüsselt den EQ auf. Der besteht, so hat er das bei Salovey und Gardner abgeschrieben, aus fünf Fähigkeiten:
So weit, so gut. Die leadership ability, die merken wir uns bitte für später, o.k.?
Nun, das Schöne an der emotionalen Intelligenz – dieses Wort alleine – das Schöne für die Unternehmen ist, dass wir die quantifizierbar gemacht haben. Man kann den EQ messen.
Wobei am Schluss dann natürlich wieder eine Note rauskommt. Es ist hirnrissig…
Das Schöne am EQ ist, dass alle glauben, dass sie einen sehr hohen EQ haben! Jeder hält sich selber für das Weltwunder der Empathie. Und beim EQ geben die Leute das sogar gerne zu.
Beim IQ hingegen, denken auch die meisten, dass sie einen viel höheren haben, als so ein Test nachweisen kann. Aber das sagen sie nicht…
Lass‘ uns doch einmal schnell einen EQ-Test machen!
[improv]
So. Jetzt wissen wir genau, wie unsere Chancen im Leben stehen.
Nun also zu meiner Kritik. (Hat man eigentlich gemerkt, dass ich eine kritische Haltung zum EQ habe?)
1: Ein Gutteil dessen, was Goleman da 1995 als Thesen aufgestellt hat, ist überholt. Zum Beispiel hält er die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub für ein Zeichen emotionaler Intelligenz. Dessen Bedeutung basiert auf einem einzigen Experiment, dem berühmten Marshmallow-Experiment.
Wie mehr als 50% aller psychologischen Experimente hat das aber die Reproduktion nicht überlebt. Anders ausgedrückt: Als andere Experimentatoren, die das probiert haben, kamen sie zu anderen Ergebnissen.
Das ganze Buch ist wenig bis gar nicht wissenschaftlich. Und das ist noch eines der besten Bücher zu diesem Thema.
2: Der Ausdruck ist an und für sich ein Unsinn, denn es handelt sich um ein Hendiadyoin. Ein Ausdruck der sich widerspricht. Merkt man, wenn man’s übersetzt: Gefühlsbasierte Verstandeskraft.
Das leiert den überstrapazierten Begriff „Intelligenz“ zu weit aus. Emotionale Kompetenz reicht völlig. Aber das hat einen guten Grund. Marketing.
Die Intelligenz steht nur im Begriff, um den Ausdruck „EQ“ zu basteln.
Damit dieser als Gegenteil des „IQ“ vermarktet werden kann.
Um die Vermarktung geht es. Und um Erfolg. Das Time Magazine listet das Buch in der Kategorie „Betriebwirtschaft“, nicht „Psychologie“. Die haben aufgepasst.
Genauso wie das Nachfolgewerk „Working with EQ“, wo das aber schon deutlicher wird.
3: Im Unterschied zum bösen Kapitalismus der Achtziger reicht es dank EQ heute nicht mehr, seinen Verstand in die Arbeit mitzunehmen. Heute muss auch noch die Gefühlswelt passen.
Wenn die eigene Emotion erkennen aber bedeutet, dass man seinen Job und seinen Vorgesetzten hasst, was soll man machen? Wenn man den Job braucht und einen hohen EQ hat?
Sollte ich die Gefühle meines Vorgesetzten erkennen und dann… Was tun? Ihm sagen, dass er ein selbstgerechter Arsch ist?
Nein! In diesem Fall heißt EQ für den Arbeitnehmer: Flunkern, lügen, bescheißen! Was das Zeug hält. Gibt ein tolles Betriebsklima und auf Dauer einen Burn Out.
4: Die leadership abilities haben wir uns ja gemerkt. Im Nachfolgewerk „Working with EQ“ wird auch deutlicher, um was es eigentlich geht.
Ein leader erkennt die Emotionen seiner Mitarbeiter. Und dann… manipuliert er die!
Damit alles glatt läuft. Und alles muss glatt laufen, weil…
5: Denn aus Punkt 3 und 4 wird deutlich, um was es wirklich geht: Um… Profitmaximierung.
Goleman zitiert eine Studie, wonach 80% der Flugzeugunfälle auf menschlichem Versagen basieren. Und das menschliche Versagen auf Kommunikationsfehlern zwischen Lotsen, Crew und Piloten.
Mit höherem EQ der Mitarbeiter könnte man also Unfälle vermeiden. Das ist natürlich wünschenswert, weil Menschenleben davon abhängen.
Aber nicht alle Firmen arbeiten unter so hohem Risiko. Im Endeffekt ist die Absicht, durch ein Mainstreaming der Gefühle der Mitarbeiter, durch ein absichtlich konstruiertes gutes Betriebsklima, letzten Endes die Gewinne zu steigern. Da werde ich mir nur schwer eines Gegenteils überzeugen lassen.
Aber das geht so auch viel leichter, als die Arbeitszeit zu reduzieren oder höhere Löhne zu zahlen. Aber zeitgleich mit der Einführung EQ haben wir ja – Gott sei Dank – die Gewerkschaften abgeschafft!
Zum Schluss dieser Bulletpoints, wie gewohnt mein Wort zum Sonntag:
Liebe Menschen mit leadership abilities!
EQ ist total toll. EQ ist total wichtig. Finde ich ganz toll! Echt!
Es ist bloß kein neues Rezept. Bevor wir als Gesellschaft die Religion und die Spiritualität und die Lyrik und die Philosophie aus dem Alltagsleben verbannt haben, da nannte man das schlicht Herzensbildung.
Das war vor dem Begriff EQ ein Begriff in Philosophie und Theologie. Und in der Pädagogik.
Da gehört das nämlich auch hin.
Marcel Proust hat schon vor hundert Jahren geschrieben:
„Was macht es schon aus, ob einer Herzog oder Droschkenkutscher ist, wenn er genug Intelligenz und Herz besitzt?“
Und, zum Abschluss: Liebe Hörende, die ihr vielleicht gerade einen Job sucht!
Je größer der Betrieb, desto wahrscheinlicher wird mittlerweile auch euer EQ getestet. Damit ihr dem Betrieb auch eure Gefühlswelt zur Verfügung stellt.
Das Internet ist voller Anleitungen, wie man seinen EQ steigert. Glaubt das nicht, spart euch das. Völliger Quatsch. Empathie ist zum Beispiel in hohem Grad vererbt.
Aber EQ-Tests, die kann man prima üben. Man muss nur ein bisschen überlegen, was denn wohl die gewünschte, gefühlige Antwort ist. Kann man sich anlesen.
Bei der SZ gibt es den besten, den ich online gefunden habe. Der hat hundert Fragen. Macht den ein paar Mal und dann seid ihr gewappnet.
Und ja: Das ist völlig in Ordnung und nicht geschummelt.
Denn der EQ ist nur ein weiterer moderner Aberglaube.