Seit 28 Jahren lebt nun zusammen, was zusammen gehört. Der niedersächsische Bauer verkauft seine Milch nach Hannover und nach Halle gleichermaßen und sieht in dem Kollegen aus Coswig einen ganz normalen Konkurrenten. Die Themen in Leipzig und Braunschweig sind im Wesentlichen dieselben, nur im Dialekt erkennt man noch Unterschiede. Muss das pünktlich im Oktober wiederkehrende Gerede über die "innere Einheit“ noch sein? Scheinbar ja - denn es gibt ja auch noch Chemnitz und dieses ganze Sachsen. Und schon ist der etwas angegilbte Wessi-Ossi-Streit wieder da, aber politisch erheblich verschärft. "Volksverräter" tönt es aus dem Osten, "Nazi" tönt es zurück - und ein besonders tiefer Spalt der gespaltenen Gesellschaft scheint entlang der ehemaligen Grenze zu verlaufen. Welche innere Einheit soll den zuschütten? Und lebt eine funktionierende Gesellschaft nicht von ihren Widersprüchen? Die Unterschiede im Land werden nicht nur zwischen West und Ost deutlicher ausgesprochen und ausgetragen - und das ist gut so. Denn die Einheit des Staates und des Alltags längst wieder hergestellt, und eine verordnete Einheitlichkeit brauchen wir nicht.