Was ist, bitte sehr, das Schicksalhafte an dieser Europawahl? Dass der deutsche Stimmzettel fast einen Meter lang ist und wir uns auf ihm verirren könnten? Es stehen 40 Parteien und politische Vereinigungen darauf, so viele sind es eben, die ins Europaparlament wollen. Um den Stimmzettel geht es natürlich nicht. Das Schicksal hat uns angeblich eine Entscheidungsschlacht aufgezwungen. Wir müssen einen neuen Totalitarismus abwehren und den Geist des Widerstands hervortreten lassen. So steht es in einem Aufruf zur Europawahl von dreißig europäischen Autoren. Auch viele Politiker von links bis rechts schwingen die Keule der Schicksalswahl. Und sie verstärken damit den Eindruck, als sei Europa eigentlich gescheitert und stünde jetzt am Scheideweg: Zwischen Krieg oder Frieden. Zwischen Freiheit oder Unterwerfung. Geht’s auch ein bisschen kleiner? 751 Abgeordnete sitzen im Europaparlament. Die wählen wir am 26. Mai. Und danach handeln die nationalen Regierungschefs in Hinterzimmern aus, wer die Spitzenjobs in Brüssel bekommt. Ist das Schicksal? Nein. Es ist unsere Europäische Union.