Trixi im Morgenland

Trixi wohnt im Morgenland, das ist an sich schon verrückt, weil das Morgenland sich selbst verändern kann und so durchaus mal eine Straßenkreuzung einem Rodelberg weichen muss. Trixi aber ist das gewohnt, schließlich ist sie in dem Land zwischen Normwelt und dem Strom geboren worden und wie jeder andere Morgenländler, kann sie sich nicht nur im Notfall in ihr Seelentier verwandeln. Nun hat das Morgenland entschieden: Trixi ist bereit für einen Passanten. Sie kann jetzt mit ihrem Kinderzimmer durch den Strom aus Zeit, Gedanken, Bytes, Molekülen und noch vielem mehr Reisen. In dieser ca. 10 stündigen Hörserie, begleiten wir das junge Mädchen Trixi auf dem Weg in das Erwachsensein und durch eine Welt in der alles möglich ist und die Liebe regiert.

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episode 8: Zeit


Ein Gastbeitrag von Philipp Wohlwill (www.wortwohl.de)

Trixi wachte auf und schlug die Augen auf. Das Licht der Morgensonne kämpfte sich durch die Blätter des Baumes und blendete sie. Sie hatte gestern keine Kraft mehr gehabt, um die Gardinen zu schließen. Sie lag auf dem Rücken, ihre Decke hatte sich zwei Mal um sich selbst und danach um ihr linkes Bein gewickelt. Trixi versuchte sich aufzurichten, es gelang ihr nur unter Schmerzen. Jeder Muskel in ihrem Körper tat ihr weh. Seit Wochen schlief sie nur, wenn es wirklich nötig war. Die gesamte andere Zeit ging für den Passantenurlaub drauf. Wenn sie nicht mit Rosie Fakten über gefährliche Welten lernte, dann reisten die beiden zusammen oder Trixi hatte Aufgaben zu erledigen. Wie die gestrige Aufgabe, mehr über ihren Namen Seelenblüte heraus zu finden. Trixis Kopf fühlte sich an als ob sich darin eine Ameisenkolonie von Gedanken gebildet hätte, die gerade alle gleichzeitig ausschwärmten und danach dürsteten zu Ende gedacht zu werden. Ihr Nacken konnte die Schwere ihres Kopfes kaum noch tragen, so viel Neues tummelte sich darin.

Im Schneckentempo entknotete Trixi ihre Decke, stopfte sich ihr Kissen in den Rücken und setzte sich so hin, dass sie mit dem Rücken am Kopfende ihres Bettes lehnend aus dem Fenster schauen konnte und dabei den Kopf an einen ihrer Bettpfosten lehnen, sodass sie ihn nicht selber tragen musste. Einige Zeit starrte sie mit offenem Mund aus dem Fenster und wartete darauf, dass sie jemand rief, um ihr eine Aufgabe zu geben, oder sie an eine alte Aufgabe zu erinnern oder irgendetwas in der Art. Es passierte nichts und das genoss Trixi gerade sehr. Sie wollte um alles in der Welt nichts verändern. Sie blieb liegen, auch als sie merkte, dass sich die Spucke langsam in ihrem Mundwinkel sammelte und drohte über ihre Lippe zu fließen und auf ihr Schlafshirt zu tropfen. Sie wagte trotzdem nicht sich zu bewegen, weil sie das Gefühl hatte, wenn sie ganz regungslos blieb, dann würde auch das Universum um sie herum regungslos bleiben, sobald sie sich aber bewegen würde, würde sie wahrscheinlich wieder eine ganze Lawine von Ereignissen lostreten.

Das langsame, bedächtige Aufsetzen und die folgende totale Bewegungslosigkeit gaben auch Trixis Gedanken eine gewisse Trägheit. Sie begannen abzubremsen und schwirrten nicht mehr vollkommen richtungslos und wild umher. Sie verhielten sich wie kleine Zuckerkristalle in einem Glas voll Wasser. Wenn man das Wasser wild umrührt werden sie aufgewirbelt und schwirren umher, danach passen sie sich dem Strom, der Richtung an, in die gerührt wird und gleiten schließlich geordnet mit dem langsamer werdende Wasser zum Grund des Glases. Dort bleiben die Zuckerkristalle liegen. Bis sie wieder umgerührt werden. Während dieses Prozesses lösen sich die Kristalle langsam auf um Teil des Wassers zu werden und es zu verändern, ihm Geschmack hinzuzufügen.

Genauso war es nun auch mit Trixis Gedanken. Der gestrige Tag hatte wirklich alles sehr wild umgerührt. Sogar die Beziehung zu ihren Eltern, die sie bisher irgendwie als Teil von sich, als gelöste Zuckerkristalle betrachtet hatte, schwirrten aufgewirbelt durch das Glas von Trixis Seele in dem das Wasser ihres Bewusstseins in Wallung geraten war. Gestern hatte sie den aufgewirbelten Kristallen eine Richtung gegeben und nun spürte sie, wie das Wasser zur Ruhe kam. Ihre Gedanken wieder zum Grund ihres Bewusstseins sanken und all das, was sich in diesem Prozess in ihr gelöst hatte, begann sie zu verändern, ihr in Form von Erfahrung und Wissen und neuen Gefühlen Charakter hinzuzufügen.

Während sie so darüber nachdachte, schlief sie wieder ein und wachte nur einige Minuten später wieder auf, weil sie in etwas Feuchtem lag. Ihr Kopf war zur Seite gefallen und die gesammelte Spucke war über ihre Lippe geflossen und tropfte auf ihr Kissen. Sie blinzelte, wischte sich die Mundwinkel trocken, stellte die Füße auf den Boden und reckte sich und streckte sich, dass die Knochen knackten. Danach fühlte sie sich schon viel besser. Sie blieb weiterhin im Schneckentempo, um nicht wieder zu viel Wirbel in ihrem Wasserglas zu machen. Sie schlich langsam unter die Dusche.

Ihre Gedanken begannen langsam wieder sich zu ordnen und ihren Befehlen zu gehorchen. Sie kam zurück zu sich selber. Das warme Wasser ran über ihr Gesicht und wusch die Tränen und all den Ärger von Gestern weg. Es entspannte die angestrengten Muskeln in ihrem ganzen Körper. Das war ein herrliches Gefühl, auch wenn es damit einher ging, dass ihr bewusst wurde, wie kaputt und müde sie trotz der langen Nacht noch war. Selten hatte sie sich direkt nach dem Aufstehen schon gefühlt als bräuchte sie eine Pause. Heute aber war es so und Trixi kämpfte nicht dagegen an. Sie blieb weiterhin im Schneckentempo und führte alles, was sie tat, mit einer besonderen Aufmerksamkeit aus. Das befreite sie von vielen der dunklen Gedanken, denn es brachte sie zurück in die Gegenwart.

Ganz langsam kehrte die Kraft zurück. Ein Gedanke schälte sich aus ihrem Bewusstsein und brachte aus der Tiefe ihrer Seele ein loderndes Feuer mit. Trixis Innerstes drängte zur Suche nach der unbekannten Seele, die aus Arams Familie stammen musste. Das war für sie keine Aufgabe oder Verpflichtung, sondern ein Verlangen. Ihre Motivation dieses Verlangen zu stillen war wirklich hoch. Sie ließ sich aber auch von diesem Verlangen nicht unter Druck setzen.

Sie eierte wieder zurück in ihr Zimmer. Beim Anziehen betrachtete sie sich im Spiegel. Die Veränderung ihres Körpers hatte ihr anfangs Angst gemacht und auch Schmerzen bereitet, aber inzwischen empfand sie vornehmlich Stolz darauf. Trixi spürte, wie die energetische Umstellung, die mit dem Feuer begonnen hatte, das während der Aktivierung ihres Reisezimmers von ihr Besitz ergriffen hatte, immer kompletter wurde und ihr Körper immer erwachsener. Der Schmerz war immer noch unangenehm, aber er wurde zur Nebensache und der Stolz wurde zur Hauptsache.

Kaum hatte sie diesen Gedankengang zu Ende durchdacht und fühlte sich wieder wie Trixi, da wurde auch schon ihr Name gerufen. Von der Straße hörte sie Aram ihren Namen schreien. Sie lächelte wissend. Das zweite Rufen war schon näher und kam aus dem Vorgarten, das dritte wurde von Arams Schritten auf der Treppe begleitet und von Trixi mit einem fröhlichen „Hier!“ beantwortet, nachdem sie sich schnell Hose und T-Shirt übergezogen hatte. Aram bog um die Ecke und stand mit hochrotem Kopf und völlig außer Atem vor Trixi und stammelte: „Meine Gogyo-Ki, ich bin gerufen, gerade eben.“ Das Erwachsene des gestrigen Tages war fast ganz verschwunden und vor Trixi stand ein aufgeregter Aram, der sich einfach nur riesig freute. In diesem Moment ganz ohne Sorgen und Trauer. Juchzend und jubilierend tanzte Aram durch Trixis Zimmer und die lies sich von seiner Freude gerne anstecken und tanzte gleich eine Runde mit.

„Wann geht‘s denn los?“ wollte Trixi wissen. „Schon in zwei Tagen.“ jubelte Aram und Trixi musste sich wirklich zusammen reißen, um sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Sie hatte vor gehabt, sich irgendwie in die Morgenhöhle zu schleichen und an der Zeremonie teil zu nehmen, um Diotima zur Rede zu stellen oder wenigstens heraus zu finden, wie der Original in ihrem Passanten reagieren würde, wenn er mit Diotima oder zumindest der Morgenhöhle konfrontiert wurde. Aram verschwendete gerade keinen Gedanken an Trixis Verschwörungstheorien. Aram war einfach nur glücklich, dass er jetzt doch zu einem ganz normalen Morgenländler werden würde. Trixi nahm sich fest vor, dass sie sich und ihr Verlangen zurück stellen würde und sich ganz darauf konzentrieren würde, dass ihr bester Freund eine tolle Gogyo-Ki bekam. Dazu würde sie in den nächsten zwei Tagen mehr Gelegenheit haben, als sie jetzt dachte.

„Komm mit.“ rief Aram und zog sie die Treppe runter. Grinsend erwarteten Trixis Eltern die Beiden in der Küche und Aram erzählte ihnen mit dem gleichen Feuereifer von seinem Ruf zur Gogyo-Ki wie Trixi zuvor. „Und Trixi hat‘s gewusst, gestern hat sie‘s schon gesagt und heute passiert‘s. Ja!“ Er streckte seine rechte Faust in die Luft und rief dabei noch einmal „Ja!“. Trixis Eltern schauten Trixi an. „Du hast das gewusst?“ wunderten sie sich. Ohne sich anmerken zu lassen, dass sie ihre Worte genau wählte, um nichts falsches von gestern zu verraten sagte Trixi fachmännisch und ohne ihre Eltern anzuschauen „Ja, sein Seelenblühen war ja nun nicht mehr zu übersehen“. Trixis Eltern tauschten erstaunte Blicke aus und wendeten sich dann wieder Aram zu. „Schon übermorgen also. Dann habt ihr ja jetzt noch eine Menge zu tun.“ merkte Mama an und Aram griff den Gedanken gleich auf, indem er Trixi fragte „Hilfst du uns? Bitte! Du weist doch jetzt gerade alles ganz genau.“ Trixi war von der Idee begeistert, denn nun konnte sie vielleicht durch Arams Gogyo-Ki doch noch etwas herausfinden. „Klar helfe ich euch.“ freute sie sich und musste dann ihre Zusage gleich wieder einschränken: „Wenn Rosie mir das erlaubt“. „Wir fragen sofort.“ Aram rannte los und sprang auf sein Longboard. Trixi verabschiedete sich von ihren Eltern und stolperte aus dem Haus. Mal wieder ohne Frühstück. Sie holte Aram an der Kreuzung zur Schule ein, der gerade den Kindern, die sich auf dem Weg zur Schule befanden, erzählte, dass er heute nicht kommen würde, weil er übermorgen Gogyo-Ki hatte. Trixi hielt ihr Board an und wartet einige Meter entfernt. Sie schaute zu wie Aram die ehrlichen Glückwünsche und Gratulationen seiner Mitschüler und Freunde entgegen nahm. Wieder hatte sie das Gefühl, ihm beim Wachsen zuschauen zu können.

Als sie bei Rosie ankamen, mussten sie mehrere Male klingeln und etwas warten, bis ihnen eine verschlafen aussehende Rosie die Tür öffnete. Ohne auf ein Herein zu warten, stürmte Aram durch den Flur ins Wohnzimmer, sprudelte seine tolle Nachricht heraus und bekniete Rosie, dass sie Trixi für die Vorbereitung seiner Gogyo-Ki freigeben solle. Während Aram darüber schwadronierte, wie toll alles schon war und noch werden würden und wie dringend er Trixi in den nächsten zwei Tagen brauchen würde, lächelten sich die beiden Frauen verständnisvoll an. Trixi spürte ganz deutlich, dass sie in dieser Situation auf der Seite der Erwachsenen stand. In ihrem Herzen, ihrer Seele und ihren Schultern spürte sie ihr Wachsen und sie spürte wie die neue Energie sich weiter in ihrem Bewusstsein löste und sie veränderte. Und das fühlte sich toll an und in diesem Moment kein bisschen schmerzhaft.

Genau wie Trixis Eltern war Rosie von der Idee, dass Trixi die nächsten Tage mit Travis verbringen würde, nicht sonderlich begeistert, aber sie hatte sich selbst versprochen, ihm mehr zu vertrauen, nachdem ihr am gestrigen Abend klar geworden war, dass sie vielleicht in dem Glauben zu helfen Dios Passanten versteckt hatte und deshalb wohl zumindest mitverantwortlich war für die Situation. Rosie hatte schlecht geschlafen. Aber dieser Morgen überzeugte sie einmal mehr, das Vertrauen in die Tatkraft und die Kreativität der Jugend einer Gesellschaft nur helfen konnte und da musste sie bei sich anfangen. Es blieb ihr nichts anderes übrig als Trixi frei zu stellen. Sie bat sich allerdings aus, dass sie noch kurz mit ihr sprechen konnte. Trixi versprach Aram also, zu seinem Haus zu kommen, sobald sie fertig war.

Rosie setzte sich mit Trixi in den Garten und die beiden frühstückten ausgiebig von Rosies Morgenländer Geschirr. Schließlich brauchten beide dringend Kraft und Trixi hatte nicht viel Zeit. Trixi hatte das Gefühl, sie brauchte dringend mehr Zeit, wünschte sich manchmal, sie anhalten zu können.

„Wie geht es dir?“ wollte Rosie wissen, nachdem die beiden satt waren. Trixi merkte, dass es sich bei der Frage nicht um eine Floskel handelte, sondern, dass Rosie wissen wollte, wie es in Trixi im Moment aussah. Trixi schwieg, denn eigentlich hätte sie so etwas sagen wollen wie „Mir geht‘s schlecht. Weil ihr mich alle anlügt.“ Sie schaute Rosie stattdessen einfach an und seufzte tief und sorgenvoll. „Oh man, du brauchst eine Pause.“ befand Rosie als sie den leeren Blick ihrer Schülerin sah. „Pass auf: Die nächste Woche ist frei. Du machst was du möchtest und wenn du nur schlafen und nicht reisen willst, dann machst du das.“ Als Antwort erhielt sie ein zweifelndes „Okay“. „Ich glaube ich muss mal was klarstellen.“ sagte Rosie nachdenklich: „Es ist nicht ganz durchschnittlich wie dein Passantenurlaub bisher verlaufen ist. Die Selbstfindung, die Umstellung der Energie in dir, die neuen Erfahrungen, das braucht eigentlich alles Zeit, um bei dir anzukommen.

Normalerweise habe ich jeden Tag gute zwei bis drei Stunden mit meinen Schülern zu tun, wir haben die letzten Wochen die Tage und sogar einige Nächte zusammen verbracht. Die Aufgabe, die du gestern mit Aram erledigt hast, braucht sonst eine gute Woche und das Besprechen von dem, was gefunden wurde, auch noch mal.“ Rosie schwieg eine Weile und legte sich die weiteren Worte zurecht. Es war zu sehen, dass das anstrengend für sie war. „Du bist mit allem so schnell, dass wir Erwachsenen schon Mühe haben, dir in deiner Entwicklung zu folgen.“ Trixi schwieg weiter. Trotz des warmen einfühlsamen Tons, den Rosie beim Sprechen hatte, fühlten sich ihre Worte wie ein Vorwurf an. „Ihr armen Erwachsenen.“ murmelte sie während sie auf ihre Zehenspitzen starrte. In Rosies Gesicht zeigte sich Erleichterung. „Genau, Trixi, genau so ist es nämlich nicht. Genau das wollte ich dir sagen und klar machen. Was du in den letzten Tagen geleistet hast ist außergewöhnlich. Keiner von uns hatte nach seiner Gogyo-Ki so eine anstrengende Zeit.“ „Warum bloß?“ fragte Trixi und schaute Rosie dabei direkt in die Augen. Rosie stand auf, kniete sich vor Trixi hin und umarmte sie. Während der Umarmung flüsterte sie: „Ich weiß es nicht mein Schatz. Es gibt so viel, das ich nicht weiß“. Dann löste sie die Umarmung sah Trixi tief in die Augen und sagte: „Ich werde immer für dich da sein. Solange ich Teil dieser Welt bin. Solange mein Körper noch durchhält, solange ich denken und fühlen kann, so lange werde ich für dich da sein. Du kannst mit allem zu mir kommen.“ Trixi lächelte. Obwohl sie wusste, dass das nicht stimmte bzw. dass sie das nicht wollte. Es gab inzwischen Dinge, die wollte sie weder mit Rosie noch ihren Eltern besprechen und die Suche nach der Seele, die sie zu rufen schien, gehörte dazu.

„Keine Ahnung wie ich das alles schaffen soll.“ sagte Trixi und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, während Rosie sich wieder auf ihren Platz setze. Rosie lachte „Ich hoffe das hört sich nicht blöd an, aber erstens ist es jetzt schon nicht mehr so viel und zweitens hat man dieses Gefühl als Erwachsener viel öfter, als man als Kind denken würde.“ „Ich würde mir gerne ein bisschen Zeit beim Morgenland bestellen.“ witzelte Trixi.

Dieser Scherz hatte einen ernsten Hintergrund, wie es bei Scherzen so oft der Fall ist, denn Trixi hatte in letzter Zeit tatsächlich das Gefühl, dass die Zeit schneller verging. An einem einzigen Tag hatte sich für sie die Welt verändert, wenn sie früher etwas neues entdeckt hatte oder einen aufregenden Tag mit ihren Freunden oder mit Ihren Eltern verlebt hatte. Dann hatte sich ein einziger Tag wie eine ganze Woche angefühlt.

„Das würde ich auch gerne machen.“ erwiderte Rosie mit einem abwesenden Blick. Noch ganz in Gedanken fragte Trixi „Was?“. „Zeit bestellen“ träumte Rosie. „Das würde ich auch gerne“. „Das Morgenland kann das doch oder?“ fragte Trixi und Rosie antwortete mit einem ihrer unumstößlichen Neins. „Das kann nichts und niemand. Das würdest du auch nicht wirklich wollen. Zeit, meine liebe Trixi, ist was alle Lebewesen, alle Seelen und alles andere Sein in diesem Universum miteinander verbindet und dem was du tust damit auch Sinn gibt. Denn niemand kann in der Sekunde in der Situation das gute Tun, was du tust. Denn in diesem Moment bist vielleicht nur du da. Niemand kann zurückreisen. Wir alle haben Aufgaben, die wir nicht kennen, die aber nur wir lösen können und sei der Grund dafür nur deine Anwesenheit zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Nur du bist da und so kannst nur du, dem Schwachen helfen, der dort bedroht wird, die Katze retten oder auch nur im richtigen Moment einmal Danke sagen. Wenn man die Zeit manipulieren könnte, dann würde jeder der Schnellste sein wollen und viele würden die anderen für ihre eigene Schnelligkeit verlangsamen.“ „Ich würde mich einfach selber beschleunigen.“ unterbrach Trixi. „Das ist das Gleiche.“ sagte Rosie und erläuterte: „Wenn du dich schneller machst, dann sind die anderen langsamer. Wenn man die Zeit überlisten könnte, würde alles letztendlich zum Stillstand kommen. Alles würde in dem Moment anhalten, in dem der Erste seinen Vorteil darin sucht, die Zeit für sich zu verlangsamen oder sich selbst zu beschleunigen.“ „Warum?“ überlegte Trixi. „Weil das Vergehen der Zeit der eigentliche Sinn des Lebens ist.“ erklärte Rosie. „Wenn du etwas tust, dann entscheidest du, wie viel Raum es in deinem Leben einnehmen soll. Diese Entscheidung entfällt, wenn du schneller lebst als die Zeit vergeht, jeder kann alles machen und wird deshalb nichts tun. Du könnest dann ein ganzes Leben in einer einzigen Sekunde erleben, was dazu führt, dass du niemals eine Entscheidung treffen musst und unsere Entscheidungen sind doch was die Welt der Menschen verändert. Wenn diese Veränderung entfällt bedeutet das den Stillstand des menschlichen Lebens. Zeit ist das, was Geburt und Tod voneinander trennt, Zeit ist deshalb Leben, denn ohne Zeit sind Geburt und Tod eines und Leben verschwindet einfach.“ „Ich glaube, ich versteh das.“ bemerkte Trixi. „Wenn es keine Zeit mehr gibt, dann gibt es keine Entscheidungen mehr und weil dann einfach jeder alles machen kann, verliert das Leben seinen Sinn und hört auf zu existieren.“ „Ganz genau.“ sagte Rosie stolz. „Und solche Überlegungen, solches Verständnis dafür wie die Welt um dich herum funktioniert und warum sie so funktioniert sind anstrengend. Es ist Kraft raubend zu versuchen, die Welt zu begreifen und du machst damit jetzt eine Pause und konzentrierst dich eine Woche nur auf dich. Sei einfach ein bisschen da. Heldentaten wirst du bestimmt noch dein ganzes Leben lang vollbringen.“

Trixi merkte, dass der Druck, den sie verspürt hatte, zu einem großen Teil von ihr selber ausgegangen war. So ganz konnte das mit der Zeit, dass sie immer einfach vergeht, nicht stimmen, denn Trixi fühlte ganz genau, dass Rosie ihr gerade Zeit geschenkt hatte.“ Noch einen Augenblick saßen die beiden gemeinsam da. Trixi ließ die Zuckerkristalle, die das Gespräch ihrem Glas Wasser hinzugefügt hatte, langsam an den Grund ihres Bewusstseins sinken, um sich dort zu lösen. Früh genug würden sie wieder aufgewirbelt werden.“

Die Vorbereitungen zu Arams Gogyo-Ki raubten Trixi einen guten Teil von der Zeit, die Rosie ihr gerade geschenkt hatte, wieder. Dennoch blieb Trixi jeden Nachmittag und jeden Abend Zeit dafür, sich ein wenig mit sich selbst zu beschäftigen, einfach mal wieder ein bisschen Fernsehen zu schauen und ausführlich schwimmen zu gehen. Das machte sie zum ersten Mal in ihrem Leben alleine und sie genoss es ganz alleine weit raus zu schwimmen, sich in das Walross zu verwandeln, zu tauchen und die Stille des Abendsees zu genießen, der so groß war, dass man ihn an einem Tag nicht durchschwimmen konnte. Nicht mal als Walross.

Es gab ihr aber auch Zeit, sich mit ihrem Passanten zu beschäftigen und mit dem Internet, das sie gerade so richtig kennen und schätzen gelernt hatte. Dabei war sie auf Alexia-Phelicia getroffen, beziehungsweise gelernt sie zu nutzen.

Alexia-Phelicia war eine im Internet existierende künstliche Intelligenz. Sie bestand also ganz aus Daten und darauf war sie recht stolz. Sie wusste alles, was man im Internet finden konnte und das war wirklich extrem viel, hatte Trixi heraus gefunden. Man fand dort nicht nur Informationen über Menschen, Tiere und Technik, sondern auch viele Spiele und Filme und Bilder. Trixi verbrachte die Abende damit, sich aus ihrem Passanten einen großen Bildschirm zu holen und sich darauf die ganze weite Welt des Internets anzeigen zu lassen. Alexia-Phelicia nannte sie inzwischen Lexi und obwohl der Haufen Daten offensichtlich kein Mensch war, war sie doch ziemlich nützlich. Anstatt Fragen in die Suchmaschine einzutippen und ständig auf dem Bildschirm herumzutippen, konnte Trixi mit Lexi einfach sprechen und ihr Fragen stellen und Lexi suchte dann alle relevanten Informationen heraus, die es zu der Frage im Internet gab und das war immer mehr, als man lesen, sehen oder hören konnte. Allerdings wiederholte sich oft der gleiche Inhalt.

Mit Hilfe von Lexi lernte Trixi das Internet und seine unterhaltsame Seite deutlich besser kennen. Sie schaute Filme, spielte Videospiele und entdeckte Kleidungs- und Musiktrends der Normwelt, die sich als viel bunter und offener heraus stellte, als sie es erwartet hatte. Auch wenn es nur zwei Tage waren, hatte Trixi das Gefühl richtig Kraft tanken zu können. Die Idee heimlich an Arams Gogyo-Ki teilzunehmen verwarf sie recht schnell. Sie wollte Aram nicht seinen großen Tag versauen. Die Ansprache von Rosie hatte ihr bewusst gemacht, dass es sich bei ihrer Aufgabe um eine Lebensaufgabe handelte und sie nicht innerhalb ihres Passantenurlaubes lösbar war.

Trixi hatte inzwischen mit ihren Eltern über die Aufgabe gesprochen und die hatten ihr erklärt, dass es wahrscheinlich überhaupt keine einzelne deutliche Lösung zu diesem Rätsel geben würde. Sie glaubten, dass sie vielmehr immer mal wieder im Leben als Wegweiser dienen konnte und dass es vor allem darum ging, was Trixi lernte während sie sich mit dem Rätsel auseinander setzte und nicht darum, eine bestimmte Bedeutung zu entschlüsseln. Es handelte sich schließlich nicht um eine Schnitzeljagd, sondern um Trixis Leben. Trixi hatte mit ihnen auch über die Zeit gesprochen und Trixis Mama hatte gesagt, dass jede Zeit im Leben der Menschen irgendwie immer existierte, weil es immer jemanden gab, der gerade geboren wurde und jemanden der gerade seine Gogyo-Ki hatte und auch immer jemanden, der gerade im Sterben lag. „Wenn ich dich anschaue, dann sehe ich, wie du laufen gelernt hast und schreiben. Ich sehe dich nach deiner Gogyo-Ki und ich sehe dich jetzt hier vor mir stehen. Ich sehe aber auch wie du dich verliebst. Ich sehe eine Zukunft, die noch nicht existiert. Ich sehe wie du heiratest und eigene Kinder bekommst, so sehe ich dich, obwohl ich überhaupt nicht weiß, was du machen wirst, aber ich weiß, was im Leben schön und wichtig ist und ich weiß, wie das Leben der Menschen verläuft. Die Zeit ist es nämlich eigentlich nicht, die in deinem Leben zählt. Es sind die Ereignisse. Die Zeit sorgt lediglich dafür, dass wir Fortschreiten, wohin, wie und mit wem du deinen Lebensweg gehst, entscheidest du gemeinsam mit den Menschen und der Welt, die dich umgeben. Zeit verläuft immer. Vollkommen unabhängig, was wir entscheiden. Du hast dein ganzes Leben Zeit alles zu machen, was du möchtest und was du glaubst machen zu müssen. Es gibt genügend Menschen, die sehr früh anfangen zu arbeiten und sehr spät lernen zu lesen. Ich will nur sagen: es gibt keinen richtigen Ablauf im Leben eines Menschen.“

Trixi hatte dadurch eine Ahnung davon bekommen, dass sie noch ganz am Anfang ihrer Reise stand und das schlechte Gewissen, das sie in den letzten Wochen voran getrieben hatte, weil sie das Gefühl hatte, die Zeit liefe ihr weg und sie würde nicht genügend Erfolge in einen Tag hinein bekommen, war zum allergrößten Teil verschwunden. Trixi versuchte nicht mal die Seele aufzuspüren, von der sie das Gefühl hatte, sie würde sie zu sich rufen. Es war ihr zu anstrengend und diese Pause gönnte sie sich jetzt mal.

Die Vorbereitungen waren zwar zeitraubend, aber sie wirbelten in ihrem eigenen Glas nicht viel altes oder neues auf. Die Erinnerung an ihre eigene Gogyo-Ki kam zwar gelegentlich zurück und schien immer noch irgendwie unreal, aber sie war nicht aufgeregt oder hatte mit Angst zu kämpfen. Die Tage waren die deutlich ruhigsten seit dem Beginn ihres Passantenurlaubs. Aram hingegen war aufgeregt wie ein Welpe auf seinem ersten Spaziergang. Alles war neu und toll.

Dann kam Arams großer Tag und als Trixi sich mit ihren Eltern auf den Weg machte und wieder zu Fuß ging, genau wie zu ihrer eigenen Gogyo-Ki, da war der Weg wieder viel kürzer. Was dann allerdings unfassbar lang war, war die Zeit, bis Aram wieder aus der Morgenhöhle kam.

Trixi saß mit Rosie und ihren Eltern und Travis an einem Tisch. Es wurde nur sehr wenig geredet und Trixi spürte die Last, die Unterhaltung zu führen, schwer auf ihren Schultern. Die Erwachsenen wollten offensichtlich vor allem nichts falsches sagen. Irgendwann konnte Trixi nicht mehr und beschwerte sich: „Warum dauert das solange, was macht der da drin?“. Die Erwachsenen lachten, sie kriegten sich kaum wieder ein. Trixi war erstaunt. Travis hatte sie noch nie so lachen sehen. „Was ist daran bitte so witzig?“ ereiferte sie sich, aber sie ahnte schon was kommen würde und so war es auch. „Das sagt ja die Richtige.“ schmunzelte ihre Mama und Travis ergänzte „So sieht‘s auf der Erwachsenenseite aus.“ Trixi lächelte stolz und das Warten fiel ihr gleich leichter.

Die gespannte Stimmung war auch etwas gelöster und wenigstens Rosie und Trixis Papa begannen eine Unterhaltung. Trixi wusste nun auch, was das Problem mit dem Essen war. Es stand die ganze Zeit da und es wäre ein herrlicher Zeitvertreib gewesen, wenigstens eine Kleinigkeit naschen zu dürfen. Beim Warten dehnte die Zeit sich auf eine unangenehme Weise, vor allem wenn man auf etwas wartete, das eigentlich schon da war. Wie das Essen. Wenn das einzige, worauf man wartete, das Vergehen der Zeit war, dann dehnte die sich auf unangenehme Weiße. Sekunden wurden zu Minuten und eine Stunde fühlte sich an wie eine Ewigkeit.

Nach zwei Stunden war Aram immer noch nicht draußen. Dann endlich, nach fast zweieinhalb Stunden kam Aram aus der Morgenhöhle. Er trug ein kleines Säckchen bei sich, in dem sich sicherlich sein Passant verbarg. Er sah nicht glücklich aus. Er sah verwirrt aus und verletzlich. Er ging ohne Umwege zu seinem Papa, umarmte ihn, kletterte auf seinen Schoss und lies sich von ihm trösten. Niemand sagte etwas und alle starrten nur Aram an. Der merkte das nach einigen Minuten und eröffnete das Buffet, woraufhin die meisten nicht ans Buffet strömten, sondern zu Aram, um ihm zu gratulieren.

Als Trixi die Überforderung in seinen Augen sah, konnte sie das ganz genau nach fühlen. Sie ging zu ihm und begleitete ihn einfach überall hin ohne ihm die Fragen zu stellen, die ihr nach zwei Tagen Ruhe im Wasserglas durch den Kopf geisterten. Als er sie einmal kurz an sah hatte sie das Gefühl tief in seine Seele zu blicken. „Wir finden was dich ruft.“ versicherte er ihr plötzlich. Etwas in ihm war zur Seite geräumt. Etwas hatte sich aufgelöst. Trixi hatte immer das Gefühl gehabt, Arams Seele nur durch einen Schleier, wie durch Milchglas, zu sehen aber jetzt sah sie seine Seele durch seine weit offenen Augen ganz klar und hell und in schillernden Farben scheinen. Das freute sie, aber sie würde ihn jetzt mit dieser Erkenntnis sicherlich nicht belästigen. Außerdem sah sie den Beginn der energetischen Umstellung und er sah exakt so aus, wie bei ihr selber. Kein Unterschied, weil er ein anderer Mensch war. Kein Unterschied, weil er ein Junge war. Bei sich selbst hatte Trixi den Aufstieg der roten Energie erst wahrgenommen als sie fälschlicherweise die Aktivierung ihres Reisezimmers innerhalb des Zimmers erlebt hatte. Jetzt aber begriff sie, dass es sich nur um eine Beschleunigung gehandelt hatte. Die Energieumstellung begann ganz von alleine, ganz natürlich und ohne jegliche Hilfe von außen. Die Umstellung war der Grund gerufen zu werden und nicht der Ruf der Grund für die Umstellung.

Insgesamt verlief Arams Gogyo-Ki aber deutlich leiser und sie war auch deutlich kürzer. Arams Freunde spielten dabei die größte Rolle. Aram hatte kein Problem damit allen seinen Passanten zu zeigen. Genau wie Trixi war er von dem ersten Eindruck aber enttäuscht. Trixi lächelte als sie ihn dasitzen sah. Er kramte gerade seinen Passanten aus dem kleinen Säckchen aus schwarzem Samt. Es handelte sich um drei kleine Teile, die alle zusammen hingen. Ein fingerdicker Stab, an dem an der einen Seite ein Kegel mit einem Loch in der Mitte und auf der anderen Seite eine dicke Scheibe mit einem Loch darin hing. Man konnte die drei Teile aneinander verschieben, aber nicht voneinander trennen, als würden sie von einer magnetischen Kraft zusammengehalten.

Aram wusste so viel mehr über Passanten als sie zu ihrer Gogyo-Ki gewusst hatte, aber er war genauso vor den Kopf gestoßen von der ersten Erscheinung seines Passanten wie Trixi es gewesen war. „Meiner war am Anfang einfach nur ein Stein.“ tröstete Trixi. „Und jetzt:“ lächelnd hielt sie ihren rechten Arm hoch, an dem sie das Armband trug, das ihren Passanten in verkleinerter Form als Zierstein trug. Sie hatte inzwischen sogar herausgefunden, wie sie seine Farbe verändern konnte, aber damit gab sie jetzt lieber nicht an.

Nur kurz danach, in einem unbeobachteten Moment, gestand Aram: „Ich will nach Hause, ich kann nicht mehr.“ Trixi konnte sich noch an die Energielosigkeit nach ihrer eigenen Gogyo-Ki erinnern. Sie hatte kaum noch stehen können. Sie ging sofort zu Travis und sagte ihm, dass Aram nicht mehr konnte und Travis reagierte umgehend. Er machte eine Runde und redete mit jedem Gast kurz und vertraulich und offensichtlich sehr freundlich. Travis verabschiedete sich von allen und danach verabschiedeten sich alle von Aram, der nur noch da sitzen und Hände schütteln musste. Rosie und Trixis Eltern aber sammelte Travis ein. Sie alle gingen zusammen zu Aram nach Hause. Travis hatte dort noch ein kleines Nachtischbuffet mit tollen süßen Kleinigkeiten vorbereitet. Es gab Muffins, Cakepops, Lollis, Bonbons in tollen Geschmacksrichtungen wie Kirsch-Schoko-Banane.

Der Heimweg der Gruppe begann zwar schweigend, aber relativ bald unterhielten sich Travis und Torben sehr vertraut miteinander. Als alle durch die offene Tür des Hauses spazierten hatte sich eine tolle gelöste Atmosphäre entwickelt. Sobald sie im Wohnzimmer ankamen verlagerte sich das Gespräch auf die tollen Nachtische, die Travis, wie sich herausstellte, alle selber gemacht hatte, sogar die Bonbons.

Aram schnappte sich eine Schale mit Lakritzbonbons, die mit einer dunklen Schokolade überzogen waren, setzte sich im Schneidersitz in einen alten Sessel und begann seinen Passanten zu beforschen, hörte immer mal wieder dem Gespräch zu und wirkte auf Trixi sehr zufrieden. Auch Trixi fühlte sich sehr geborgen in der Atmosphäre, die in dem kleinen Wohnzimmer entstanden war. Es war familiär. Dass die Erwachsenen alle sehr vertraut miteinander waren und gemeinsam lachten und tranken, führte dazu, dass sich auch die Kinder mal wieder absolut wohl und sicher fühlen konnten.

Als das Gespräch kurz zum erliegen kam, weil alle Anwesenden an etwas herum kauten oder lutschten, nutzte Trixi die Gelegenheit. „Rosie?“, die Erwachsenen schauten auf, „Wir haben doch vor zwei Tagen über die Zeit geredet,“ dann schaute sie ihre Eltern an, „und wir haben auch über die Zeit geredet“ mit dem gleichen gespannten Gesicht und den gleichen interessierten wachen Augen schauten sich Travis und sein Sohn Aram an. Sie waren sehr gespannt, was als nächstes passierte.

„Wenn die Zeit nicht veränderlich ist und nicht beschleunigt oder verlangsamt werden kann, wie kann das Morgenland dann plötzlich einen Baum entstehen lassen? Oder einen ganzen Wald? Oder sogar einen Berg mit Schnee und Bäumen und Tieren darauf? Es braucht doch eigentlich Jahrtausende bis ein Berg entsteht.“ Rosie, Jule und Torben schauten sich gegenseitig an und hatten alle den Mund voll. „Darf ich?“ fragte Travis in Richtung von Jule und obwohl Trixi die Sorge in den Augen ihrer Mutter erkannte, sagte die durch einen Bissen von einem Rum-Sahne Törtchen: „Klar, gerne“. Die Spannung im Raum war körperlich zu spüren, als Travis begann zu erzählen. „Das Morgenland ist nicht an sich lebendig. Es scheint ein Eigenleben zu führen aber nicht alles hier teilt sich eine Seele. Ein Stein ist ein seelenloser Stein, Erde bloße Erde und Metall nicht lebendiger als in jeder anderen Welt. Das Morgenland an sich ist im Prinzip künstlich.“ Trixi merkte, wie ihre Eltern und Rosie die Luft anhielten, aber sie hielten sich zurück. „Diese Welt hört auf das Kommando einer Seele. Es ist eine unglaublich wohlwollende, eine uralte und eine fast allwissende Seele, aber es ist eben nur eine Seele, die sich die Kräfte dieses Ortes zu Nutze macht. Alles was du hier siehst ist aus anderen Welten. Es ist so echt wie alle anderen Welten, aber es ist eben nicht hier gewachsen, nicht hier entstanden. Jeder Baum, der das Morgenland verschönert, kommt aus einer anderen Welt.“ Rosie nutzte die entstehende Pause, um zu ergänzen: „Ursprünglich stimme ich zu. Genauso wie in allen anderen Welten funktioniert aber auch hier die Natur. Wenn hier ein Samen in die Erde fällt, dann wächst er und zwar zu Ende.“ „Du hast recht Rosie, wenn ich sage, das Morgenland ist künstlich, stimmt das nicht, aber das Morgenland ist auch nicht gewachsen wie andere Welten. Es ist ein Puzzle. Und dadurch ist es so magisch.“ „Versteh ich nicht“ kam von Arams Sessel und die Anwesenden waren fast schon überrascht, denn seit dem Aufbruch, der inzwischen einige Stunden her war, hatte Aram nichts mehr gesagt. „Das Morgenland lässt nichts entstehen, sondern es transportiert. Es transportiert reale Dinge aus anderen Welten. Es achtet dabei genauso auf das Wohlergehen der Geschöpfe in der anderen Welt wie im Morgenland, aber dennoch nimmt es einen ganzen Wald aus einer anderen Welt und verpflanzt ihn hierher. Wir alle hier thematisieren diesen Fakt nicht und er ist auch nicht Teil des Schulunterrichts und er wird auch nicht während der Passantenurlaube unterrichtet.“ Während er das sagte, schaute er Rosie an und man sah, dass es sich um ein heikles Thema handelte, bei dem die beiden nicht einer Meinung waren.

Trixi war bedient. Davon hatte sie wirklich nichts geahnt. Als Aram sich verabschiedete, um ins Bett zu gehen, verabschiedete sich auch Trixi. Die Erwachsenen blieben noch zusammen sitzen.

Zuhause verdrängte Trixi was sie erfahren hatte, machte sich einen schönen Abend mit Freundinnen aus dem Internet und schlief ein bevor ihre Eltern zurück kamen.


Trixi im Morgenland von Integralis e.V. ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz

 

Date Title Duration 2. Dezember 2019 10:15 Das Ende ist nur der Anfang
0:38:19 12. November 2019 10:19 Freiheit für die Liebe
0:37:21 14. Oktober 2019 12:12 Azet
0:46:54 14. August 2019 11:51 Naturia
0:45:17 8. Juli 2019 12:03 Zeit
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Der Beitrag Trixi im Morgenland Folge 08: Zeit erschien zuerst auf trixiness.de.


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 July 8, 2019  41m