Y Politik-Podcast | Lösungen für das 3. Jahrtausend

Politik bedeutet schon immer Probleme anzugehen. Aber das dritte Jahrtausend braucht neue Lösungen. Diese stellen Tanja Hille & Vincent Venus im Y Politik-Podcast vor – nicht neutral, niemals perfekt und doch immer optimistisch. Damit Du nicht nur mit neuen Gedanken aus der Folge gehst, kriegst Du jedes Mal noch was Handfestes zum Mitnehmen: von Alternativen zum Wahl-o-Maten, über den besten politischen Kinderfilm bis zu Deutsche Bahn-Hacks. Der Podcast für alle, die Helmut Schmidts Spruch “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen” für genau so blöd halten, wie er später auch.

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episode 42: Lasst uns nur noch zwei Tage die Woche arbeiten!


Warum Arbeitszeitverkürzung fast alle unsere Probleme löst

Die Norm für einen erwerbstätigen Menschen ist die 40-Stunden-Arbeitswoche und zwei freie Tage am Wochenende. Was passiert, wenn man das umdreht? Wenn nur noch zwei Arbeitstage in der Woche die Regel sind und ansonsten Freizeit haben?

Es gäbe weniger Unfälle aufgrund von Schlafmangel, weniger Menschen würden an stressbedingten Depressionen leiden, die Einsamkeit im Alter könnte abgeschwächt und die Klimakrise ein Stück weit gelöst werden. Die Arbeit wäre nicht mehr unser Lebensmittelpunkt und würde damit auch nicht mehr unsere Identität und Existenz bestimmen.

Auf den ersten Blick wirkt eine Zwei-Tage-Woche wie ein Wunschtraum. Doch angesichts der aufkommenden Künstlichen Intelligenz ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung vielleicht das einzige Mittel, um unsere Gesellschaft zusammen zu halten. In Folge 42 beschreiben wir die Vorteile einer solchen Umstellung und zeigen, wie Realität werden könnte.

Eine 2-Tage-Woche als die Lösung für...
  • weniger Unfälle, die vor allem durch einen Schlafmangel verursacht werden. Dazu zählen z.B. Verkehrsunfälle und Kunstfehler in der Chirurgie oder auch Katastrophen wie der Atomunfall in Tschernobyl, für den Schlafmangel mitverantwortlich gewesen sein soll.
  • Arbeitslosigkeit, da die gleiche Arbeit auf mehr Menschen verteilt werden kann. Dies hat sich bereits bei Arbeitsmarktkrisen bewährt. Angesichts des Wegfalls vieler Berufe durch die Automatisierung kann Massenarbeitslosigkeit vermutlich nur verhindert werden, indem sich Menschen Stellen teilen.
  • mehr Gesundheit, da Arbeit eine der größten Ursachen für Stress ist und psychische Erkrankungen die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen sind.
  • mehr Gleichberechtigung, da der Anteil beider Partner an der Haushalts- und Care-Arbeit gerechter verteilt werden kann, wenn beide nur zwei Tage pro Woche arbeiten und nicht das Alleinverdiener-Ideal die Norm ist.
  • die alternde Gesellschaft, da Arbeit über die Lebensphasen besser verteilt werden kann. Aktuell sind die 30- bis 50-Jährigen besonders belastet durch Familiengründung, Karriere und krank werdende Eltern. Werden Arbeitende in dieser Phase nicht verbrannt, können sie auch in höherem Alter noch arbeiten.

 

Fokus 1: Warum Arbeitszeitverkürzung dem Klimaschutz nützt

Die Rettung unseres Klimas ist da politische Thema unserer Zeit. Die Lösungen für den Klimawandel drehen sich meistens um Verzicht: weniger Fliegen, weniger Fleisch, weniger Energieverbrauch. Verzichten aber wollen die Wenigsten. Konservative Kräfte greifen das auf und fahren damit Kampagne gegen die Grünen und Fridays For Future: Diese seien eine Verbotspartei, bzw. spaßbefreite Bewegung. Es gibt jedoch einen Verzicht, gegen den wohl niemand etwas hätte, der aber trotzdem gut fürs Klima ist: Der Verzicht auf Arbeit.

Eine Studie hatte sich 2018 die Staaten der USA angeschaut und festgestellt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Arbeitszeit und dem CO2-Ausstoß. Die Forscher bewerten Arbeitszeitverkürzungen darum tatsächlich als Politikmaßnahme für den Klimaschutz. Eine Studie von 2019 fand ebenfalls auf der Ebene der Haushalte heraus, dass ein Haushalt weniger Emissionen ausstößt, wenn dessen Mitglieder weniger arbeiten.

Auch wenn weniger Arbeiten als alleinige Maßnahme nicht den Klimawandel stoppen kann, so könnte es doch zur Lösung des Klimaproblems beitragen. Insbesondere da es von der Bevölkerung vermutlich wohlwollender aufgenommen werden würde als andere Verzichtsmaßnahmen.

 

Fokus 2: Warum weniger Arbeiten gut für die Gesundheit ist

Das höchste Ziel im Leben ist meistens glücklich zu werden, Sinn zu erfahren und sich selbst zu verwirklichen. Die Erwerbsarbeit ist für dieses Ziel oft das Mittel zum Zweck.

Daraus ergibt sich, dass Arbeit unsere Existenz begründet. Wenn Personen sich neu kennenlernen, ist die übliche Frage “Und was machst du so?”. Sie zielt auf unseren Beruf ab und anstatt uns vorzustellen mit: “Ich arbeite bei [Unternehmen XY]”, sagen wir “ich bin [Berufsbezeichnung]”. Diese Beobachtung scheint erstmal ein Detail zu sein, sie bestimmt aber unser Leben, denn daraus resultiert ein gesellschaftlicher Zwang, sich über seine Arbeit zu definieren.

Sie bemisst auch, wieviel ich zur Gesellschaft beitrage und welchen Wert ich in dieser Gesellschaft trage, die so tickt. Die schreckliche Kehrseite ist, dass arbeitslosen Menschen vermittelt wird, dass sie weniger wert seien, weil sie nicht durch Arbeit an der Gesellschaft teilhaben.

Die Selbstverwirklichung führt auch dazu, dass Arbeit zu etwas wird, was wir tun, weil wir es selbst möchten und nicht, weil mein Arbeitgeber mit einen Lohn dafür zahlt. Die eigenen Ansprüche werden höher, wenn meine Arbeitsergebnisse und Produktivität meine Identität widerspiegeln, was nicht selten zu Selbstausbeutung führt. Vielfach versuchen Menschen diesem Druck zu entgehen, indem sie Yoga machen, in den Pausen meditieren und an ihrer eigenen Work-Life-Balance arbeiten.

Diese individuellen Lösungen helfen aber immer nur Einzelnen, die negativen Folgen unserer Arbeitswelt ein Stück weit abzumildern. Letztere haben allerdings strukturelle Gründe – darum sollten wir auch mit strukturellen politischen Maßnahmen antworten. So erreichen wir, dass ein glückliches Leben für alle möglich wird, und nicht nur für privilegierte Menschen, die sich eine Teilzeitstelle leisten können.

Aus diesem und den andere Gründen sollten wir uns auf den Weg zu einer 2-Tage-Woche machen.

 

Arbeitszeitverkürzung umsetzen: In fünf Schritten zur Zwei-Tage-Woche
  1. Arbeitszeitverkürzung als politische Ideal verankern

Der erste Schritt ist die Reflexion unseres aktuellen Arbeitens. Wir müssen uns vom Denken “Du bist, was du arbeitest”, verabschieden, um eine demokratische Mehrheit für Reformen zu organisieren.

  1. Anreize für Arbeitgeber ändern.

Aktuell ist es für Arbeitgeber günstiger, Überstunden einzufordern, als eine weitere Stelle zu schaffen. Das liegt daran, dass Sozialabgaben pro Arbeitsstelle anfallen – und nicht pro Arbeitsstunde.

  1. Arbeitszeit Schritt für Schritt reduzieren.

Erst könnte man die Standard-Arbeitszeit von 40 Stunden in Deutschland auf eine 35-Stunden-Woche wie in Frankreich reduzieren und dann Schritt für Schritt von einer 4-Tage-Woche, über eine 3-Tage-Woche zu einer 2-Tage-Woche.

  1. Das Bildungssystem anpassen.

Bislang werden wir alle immer noch dafür ausgebildet, einen Job unser ganzes Leben lang auszuüben. Weil durch Automatisierung der Wert der Erwärbstätigkeit abnehmen wird, müssen die Menschen wieder lernen, den Sinn des Lebens anders zu definieren.

  1. Soziale Absicherungen reformieren.

Die Krankenkassen und das Rentensystem müssen so angepasst werden, dass ihre Leistungen weiterhin finanzierbar bleiben. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte die bessere Alternative sein. Neue Steuern auf Roboter, Künstliche Intelligenz und Finanzprodukte könnten dem Staat helfen, die nötigen Mittel dafür aufzutreiben.

 

Arbeitszeitverkürzung: das könnte dich auch interessieren
  • Die DGB-Kampagne 1955 zur Einführung der 40-Stunden-Woche
  • Checke hier, ob dein Job in Zukunft von einem Roboter übernommen wird: Will Robots Take my Job?
  • In dem Buch “Utopien für Realisten” argumentiert Rutger Bregman sehr ausführlich für die Einführung einer 15-Stunden-Woche.
  • Kluge Antworten auf eine der drängendsten Lebensfragen: “Macht Arbeit glücklich?”, ein philosophischer Sammelband erschienen im Reclam-Verlag.
  • Es bringt nichts, nur alleine mit dem Arbeitsdruck umgehen zu wollen. Y Politik-Folge zum Thema Selbstoptimierung.
  • Das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine passende Begleitmaßnahme zur radikalen Arbeitszeitverkürzung. Y Politik-Folge zum Thema Grundeinkommen.

 


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 February 3, 2020  43m