HIV, Hepatitis C, Ebola, Influenza: Ach, wenn es doch keine Viren gäbe! Oder? Na ja, wenn man genauer hinschaut, dann wäre menschliches Leben ohne Viren gar nicht denkbar. Weil wir uns nützliche Viren einfach einverleibt haben.
Download der Episode hier.
Paper aus der Sendung: Regulatory evolution of innate immunity through co-option of endogenous retroviruses
Closer: „Der Mensch ist ein Virus“ von Phil Grimm von Habsucht
Musik: „I’m a Virus“ von sciencemusicvideos
Je nachdem, auf welche Art sich Cytosin, Adenin, Guanin und Thymin in der DNA abwechseln. So ein durchschnittlicher Mensch wie Du oder ich oder Donald Trump oder sogar Batman hat ca. 22.500 Gene. Das sind dann 6 Milliarden mal einer der vier Buchstaben. Wir wissen das, weil unser Erbgut seit 2003 komplett entziffert ist. Kann man downloaden. Und ausdrucken. Kann ich aber nicht empfehlen als Lektüre – hab’ noch NIE im Leben etwas Langweiligeres gelesen. Und an das meiste kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern.
Aber nicht nur wir vier werden aus Genen zusammengebastelt, sondern auch Sonnenblumen, Schimmelpilze, Warzenschweine oder der gemeine Wasserfloh. Der übrigens über mehr als 30.000 Gene verfügt, nochmal 50% mehr als Du, Ich, Donald Trump oder Batman.
Aber auch die bösen Viren bestehen aus Genen. Die für schlimme Dinge verantwortlich sind. Ebola, Hepatitis C, HIV, Influenza oder AfD-Wähler. Oder aber Batman. Ohne Viren gäbe es kein menschliches Leben. Denn ungefähr 8% des Erbguts eines jeden Menschen ist von Viren geklaut. Und das ist gut so.
Aber ‘mal langsam. Zum Mithören. Viren sind eigentlich nichts anderes als kleine Stücke DNA oder RNA. Und die können außerhalb von Zellen quasi frei durch die Welt reisen. Dann umgeben sie sich mit einer schicken Proteinhülle, einem Kapsid, und nennen sich fürderhin Virionen. Weil Virus ist lateinisch und heißt Schleim. Und so will ja echt keiner heißen.
Virionen haben keinen Stoffwechsel. Ohne Hilfe können sie sich nicht ‘mal vermehren. Weswegen man echt kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man mal eines kaputt tritt, denn das sind sicher keine Lebewesen.
Aber das wird wahrscheinlich auch nicht passieren, denn mit durchschnittlich 100 nM Größe flutschen die ehe ins Profil der Schuhsohle.
Wenn so ein Virion auf seiner Wanderung eine Menschenzelle in einer schummrigen Bar anspricht, weil die echt sexy Rezeptoren hat, dann dockt es da an. Das Virion. Dock! Denn, wie gesagt, sich selber vermehren kann es ja nicht. Es setzt dann ein Protein ein, dass die Zellwand durchlässig macht und schlupft komplett in die sexy menschliche Zelle hinein. Dann macht sich das Virion nackisch. Es legt die Protein-Hülle ab.
Und nun ist der Virus, dieses kleine Stückchen DNA oder RNA, frei in der Zelle und lässt sich kopieren und kopieren und kopieren, bis die Polizei kommt. Was wirklich nicht nett ist. Denn wenn die kleinen Virenbabykopien dann die menschliche Zelle verlassen, nehmen sie fieserweise sogar noch ein Stück Zellwand mit, um sich drin einzuwickeln. Und sich dann wieder Virionen zu nennen.
Das ist so das typische Virenverhalten. Aber es gibt auch noch andere Viren. Noch ein Ticken tückischer. Die sogenannten Retroviren. Die heißen nicht so, weil sie total auf Duran Duran oder Culture Club abfahren, sondern weil sie statt aus DNA eben aus RNA gebaut sind. Klingt wie das Gleich in Grün, ist aber ein wichtiger Unterschied. Denn aus der RNA – im Gegensatz zur DNA nur ein ein Strang, kein Doppelstrang – wird dann eben DNA. Also andersrum als sonst. Daher Retro.
Und dieses Stückchen DNA wird jetzt in das Erbgut der Zelle eingebaut. Wird Teil der Zelle. Der Virus hat also nachhaltig den Bauplan der Zelle verändert. So. Und von diesen Retroviren gibt es noch eine spezielle Gattung, die sogenannten endogenen Retroviren.
Das sind besonders trickreiche RNA-Viren. Denn die suchen sich als Zellen die Keimzellen aus. Also z.B. Spermien oder Eizellen. Und wenn die sich dann in der DNA der Zelle festgesetzt haben, dann bleiben die da einfach eingebaut. Und wir vererben die weiter. Von einer Generation zur nächsten.
Weil es für die Abfolge der Basenpaare bestimmte Muster gibt, sozusagen einen spezifischen Schreibstil im langweiligen Buch mit dem Titel DNA, können wir erkennen, welche Gene „normal“ menschlich sind und welche wir uns im Laufe der Evolution angelacht haben.
Denn 8% unseres Erbguts stammt von alten Viruserkrankungen. Das kann schlecht sein, aktuell vermutet man z.B. dass die Multiple Sklerose aus solchen endogenen Retrovirenstücken entsteht.
Aber das kann auch verdammt gut sein. Schauen wir uns Donald Trumps Frau oder Batgirl an, dann stellen wir fest, dass beide zur Gattung der Säugetiere gehören. Säugetiere sind so lange schwanger, bis das Baby fertig ist. Das muss nicht mehr in einem Ei oder einem Beutel nachreifen.
Das funktioniert, weil sowohl Batgirl als auch Donald Trumps Frau eine Plazenta produzieren können. Das ist ein hochkomplexes und hochspezialisiertes Gewebe. Das schützt und versorgt das Bat-Baby nämlich. Und lässt zwar Nährstoffe und Sauerstoffe durch, aber die meisten giftigen Stoffe nicht. Eine tolle Erfindung also. Und einer der Baumeister dieser Gebärmutter im menschlichen Körper ist das Syncytin. Ein Protein, das sogar noch mehr drauf hat.
Es sorgt nämlich auch dafür, dass Batgirls Baby von seiner Mama nicht abgestossen wird. Denn es besteht ja zur Hälfte nicht aus Batgirl, sondern auch aus dem Vater. Wer das ist, geht uns nichts an. Und damit wäre Batbaby eigentlich ein Fremdkörper, der vom Immunsystem angegriffen wird. Aber dank Syncytin macht es das nicht.
Und dieses nützliche Protein, dass haben wir uns angelacht. Das wird aus Erbgut gebildet, dass irgendwann einmal ein endogener Retrovirus in der menschlichen DNA hinterlassen hat. Wahrscheinlich vor mehr als 40 Millionen Jahren. Ist das nicht cool?
Aber es geht noch ein bisschen ironischer: Ohne endogene Retroviren hätten Menschen kein Interferon. Wie ein Paper in Science vom 4. März zu belegen weiß – Link auf Website. Und dass ist deshalb ironisch, weil Interferone Proteine sind, die ganz wesentlich sind für das Immunsystem. Und deren Spezialität ist das Bekämpfen von Viren.
Interferone können Viren bekämpfen, weil unser Körper diesen Trick sich von Viren angeeignet hat. Ein Treppenwitz der Virologie sozusagen.
Viren sind also weder gut noch böse. Klar, wie sollte ein winziges Stückchen Erbgut auch böse Absichten haben. Sondern sie sind ein ungeheuer trickreiches Vorgehen der Natur, um die Evolution voranzutreiben. Anders als bei komplett zufälliger Mutation können so eben ganze Gene, ganze Funktionen in unser Erbgut integriert werden.
Wahrscheinlich irrt sich Peter Parker. Es war gar nicht eine radioaktive Spinne, der er seine Superkräfte verdankt. Sondern eine heftige Grippe.