Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0395: Hollywood nervt!


Es macht mir nicht mehr so Spaß ins Kino zu gehen wie früher. Ich bin auch auf die am meisten gehypten Filme nicht mehr so richtig gespannt. Denn irgendwie sind sie alle nach einer Formel gestrickt. Es ist einfach langweilig geworden. Nach einer Flasche Chardonnay kenne ich auch mindestens drei Gründe…

Download der Episode hier.
Musik: „Leaving Hollywood“ von Eleven / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Alles hat seine guten und seine schlechten Seiten. Wenn es am dunkelsten ist, ist der Tag am nächsten. Man lernt aus Fehlern. Alles wird gut. Es gibt auch gute Filme, die aus Hollywood kommen.

Aber: Das stimmt ja gar nicht. Es wird immer schlimmer! Jedes Jahr wird in Hollywood mehr Geld verdient. Letztes Jahr mehr als doppelt so viel wie 20 Jahre vorher. Die letzten 5 Jahre waren die erfolgreichsten Jahre. In einer Reihe.

Doch die Filme werden immer schlechter. Gleichr. Ähnlicher. Berechenbarer. Es ist, als ob Hollywood eine Formel entwickelt hätte. Und die funktioniert. Und die es jetzt immer anwendet. Es gibt mittlerweile sogar Filme, die jeder Scheiße findet, aber jeder sieht und die deswegen trotzdem viel, viel Geld verdienen.

Welche Filme waren letztes Jahr erfolgreich – dem Jahr, in dem Hollywood bisher die meiste Kohle gemacht hat?

Platz 1: Star Wars, Teil 7
Platz 2: Jurassic World, eigentlich Jurassic Park Teil IV
Platz 3: Avengers, Teil II, eigentlich MCU Teil VII
Platz 5: Fast und Furious, Teil 7
Platz 6: Minions, eigentlich Despicable Me Teil III
Platz 7: Hunger Games, Teil drei oder vier, wer weiß das schon…
Platz 9: Cinderella, eine beinahe 1:1 Realversion des Zeichentricks
Platz 10: Spectre, James Bond Teil 25 oder 28, wen interessiert’s?

Und wenn man weiter kuckt, dann kann man meine Scheiß-Film-Theorie belegen:

Platz 17: Fifty Shades of Gray – was’n Scheiss: Kosten 40 Mio, Einnahmen 500 Mio
Platz 18: Sponge Bob – der Film – Kosten 75 Mio, Einnahmen 320 Mio
Platz 32: Terminator Genisys – was für ein Mist! Kosten: 150 Mio, Einnahmen: 400 Mio
Platz 39: Pixels – hirnrissig und dämlich – kostet 80 Mio, Einnahmen 243 Mio
Platz 40: Paul Blart, der Kaufhauscop II – ich sag’ nichts mehr – Kosten 30, Einnahmen107

Hollywood verliert nicht mal mehr an seinen Flops.

Ein Film muss heutzutage das Doppelte seiner Produktionskosten erzielen, denn die Werbung und das Marketing kosten als Faustregel noch einmal so viel. Aber das schaffen alle Filme bis auf Platz 50 ungefähr. Es muss dann schon so völliger, idiotischer Mist kommen wie Jupiter Ascending von den Wachowskis, das ein Film mal wirklich floppt.

Aber: Das DVD- und Online-Geschäft ist da noch nicht dabei. Das ist zwar nicht mehr so wichtig wie früher, aber Kohle wird da immer noch erzielt.

Warum aber ist das alles so nervig?
Das hat mehrere Gründe:

Erstens: Die Studios sind zum Kotzen
Wenn man die verdiente Kohle aus den Top 50 nach Studios sortiert, dann hat Disney fast 40%, Universal um die 35%. Dann noch Warner mit ca. 15%. Die restlichen 15% teilen sich alle anderen Studios. Das ist nicht direkt ein Monopol. Aber fast. Und deshalb ist Hollywood so eintönig.

Heutzutage muss man für einen Blockbuster schon einmal 500 Mio Dollar im Rücken haben, um ihn zu produzieren und international zu vermarkten. Das ist mehr als das BIP mancher kleinerer Staaten.

Und das funktioniert so: Eine neue Idee muss einzuschmelzen sein auf den sogenannten Elevator-Pitch. D.h.: Wenn man eine Film-Idee nicht auf die paar Sätze reduzieren kann, die eine Fahrt im Aufzug braucht, hat man keine Chance. Da kommen natürlich Sachen raus wie: „Es ist genau wie Spiderman 2, aber mit drei Bösewichten“ oder „Eine Mischung aus ‘Stirb Langsam’ und ‘Kevin – Allein zu Hause’, aber statt in einem Hochhaus spielt es in einer Spielzugabteilung eines Kaufhauses. Und statt Bruce Willis ist der Held ein 9-jähriges Mädchen“

Und wenn die Produktion losgeht, mischen alle mit. Jeder darf mitpfuschen. Es gibt drei Drehbuchautoren, jeder mit einer eigenen Crew. Es gibt Dutzende von Executives, die mitreden können. Die großen Stars haben ein Mitspracherecht, die dürfen sich z.T. sogar die Regisseure raussuchen – denn die sind gar nicht mehr so wichtig.

Das alles wird abgestimmt mit dem, was die Tricktechnik so herstellen kann – welcher Effekt kostet wieviel Geld und Rechenzeit – und mit dem, was die Marketing-Abteilung so für verkaufbar hält.

Das alles wird in jeder Produktionsstufe einem Testpublikum gezeigt. Vom allerersten animierten Storyboard bis zum ersten Cut ohne Special Effects bis zu Endversion. Und solange zusammen geschnitten, bis es passt. Heraus kommt dabei natürlich der kleinste gemeinsame Nenner. Das gefälligste, konsumierbarste und am besten zu vermarktende Filmchen, das man aus einer mittelmäßigen Idee machen kann. Der möglichst vielen Menschen gefällt. Das ist wichtig, wegen Grund Nummer 2.

Grund Nummer Zwei: China ist zum Kotzen
Oops, das wollte ich so nicht sagen. Kommt nur daher, dass ich mir Mut angetrunken habe um diesen Rant abzulassen. Es ist nicht das ganze Land China, das zum Kotzen ist. Und schon gar nicht die Chinesen. Es ist der Fakt, dass Hollywood entdeckt hat, dass es außerhalb der USA noch andere Kunden auf der Welt gibt. Mittlerweile verdienen die großen Produktionen 70% ihres Umsatzes nicht in Amerika.

Und die größte Gruppe davon sind halt Chinesen. Und die lassen nur eine begrenzte Anzahl von Filmen auf ihren Markt. Zwischen 20 und 30 große internationale Produktionen. Es sei denn, chinesische Firmen sind mit an Boot. Und der Inhalt ist nicht unchinesisch.

Darum spielen Szenen in Iron Man 3 völlig unnötig in China. Darum wird ein Film wie „Red Dawn“ völlig umgearbeitet. In diesem Machwerk wird die USA von den Chinesen erobert. Aber nein, das geht ja nicht. Also sind’s die Nordkoreaner. Im Ernst: In ‘Red Dawn’ wird die USA von den Nordkoreanern erobert… Wenn die alle, alle nach Amerika kommen, dann kann jeder Nordkoreaner auf ca. 14 Amis aufpassen, das klappt schon!

Kritische Töne zu Menschenrechten, Umweltschutz, mangelnder Demokratie in China: Werden wir in Hollywood niemals sehen! Die werden uns ab jetzt solange weichspülen mit dem schönen und dem coolen China, bis wir es glauben.

Aber das Ganze hat noch eine Konsequenz: In China wird nicht lippensynchronisiert. Die Chinesen müssen ihre Filme alle mitlesen. D.h. natürlich, dass Dialoge einfach zu bleiben haben. Gags nicht zu tief sein dürfen. Hulk haut Thor – lustig, kapiert jeder. Aber Hamlet hält einen Dialog über eine Viertelstunde, weil er sich mit Selbstmordgedanken trägt – wer will das denn mitlesen?

Mein Essen mit Andre wird keinen zweiten Teil erhalten, so viel ist sicher.

Grund Nummer Drei: Wir sind zum Kotzen
Also ihr, nicht ich. Nee, tschuldigung, war der Alkohol. Ich meinte ich, ihr vielleicht nicht. Warum sind wir schuld? Weil wir den Scheiß mitmachen! Weil wir uns manipulieren lassen! Weil wir eben trotzdem hauptsächlich in diese mittelmäßigen Blockbuster gehen. Ich weiß schon vom Trailer, dass „Superman v Batman“ mich enttäsuchen wird. Aber natürlich habe ich all’ die Trailer gesehen. Und natürlich werde ich auch den Film anschauen. Weil ich berechenbar bin.

Und ein Movie-Junkie. Wir alle sind mittlerweile Pop-Kultur-Junkies. Weil sie uns ständig umgibt. Es ist nicht einst im Mai, wo man von einem Film gelesen hat. Oder eine Empfehlung bekommen hat. Und ihn dann gesehen hat. Zwei Stunden Kino und das war’s.

Heute baut sich um alles eine Riesenblase auf. Tausend Tweets, Millionen Facebook-Kommentare, hunderte You-Tube-Videos zu jedem der großen Filme. Jeder hat zu den Top-Ten schon vorher eine Meinung. Und jeder muss seine Meinung nachher publizieren.

Eine große Blase Bla-Bla zu jedem einzelnen Film. Und zu jeder Serie auch.

Also, jetzt, nach meinem fünften Glas Wein sag’ ich’s euch: Ich steige aus. Ich mach’ das einfach nicht mehr mit! Ich schaue keine Filme mehr von den großen Studios! Nie mehr! Ich schwör’s! Und ich verspreche schon ‘mal eines: Ich werde auch nicht mehr zu Filmen podcasten! Das halte ich durch. Wetten, dass ich das durchhalte? Ich schwöre: Mindestens eine Woche keine Sendung zu Filmen! Latürnich!


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 March 3, 2016  14m