Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0380: Leonardo DiCaprio


Mir ist Leonardo DiCaprio zuerst in „Gilbert Grape“ aufgefallen. So überzeugend hat er da den kleinen, behinderten Bruder von Johnny Depp gespielt, dass ich das zuerst nicht anschauen konnte. Werfen wir also einmal einen genaueren Blick auf diesen Schauspieler und sein Werk.

Download der Episode hier.
Beitragsbild: By Georges Biard, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30110617
Opener: „Leonardo Dicaprio speak German“ von MissDiCaprio
Closer: „Leo’s Bad Luck“ von TheEllenShow
Musik: „One Day“ von Jay Hollin / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Das Netz ist voller Mitleid mit Leonardo DiCaprio, weil er immer noch keinen Oscar gewonnen hat. Denn er gilt als einer der größten Darsteller im Hollywood-Kino. Es wäre ein bisschen schade, wenn er jetzt für „Revenant“ gewinnen würde, denn das ist bei weitem nicht seine beste Arbeit. Der Film hätte Oscars verdient für die Kameraführung und für den Location-Scout, aber der kriegt ja keine.

Auch sollte sich Mr. DiCaprio nicht zu sehr grämen, die Academy verkennt große Schauspieler regelmäßig. Mit fünf Nominierungen und keiner Statue im Regal steht er sogar noch ganz gut da. Immerhin geht es Amy Adams auch so. Glenn Close, Deborah Kerr und Thelma Ritter wurden sechsmal ohne Erfolg nominiert. Richard Burton sieben Mal und Peter O’Toole acht Mal.

Gut, was wissen wir über Mr. Leonardo Wilhelm DiCaprio. Ja, so heißt er. Seine Mutter ist in Deutschland geboren und heißt Irmelin Indenbirken, sein Vater hat immerhin eine deutsche Mutter. Weil er in seiner Kindheit viele Sommer bei seiner Oma Helena und seinem Opa in Oer-Erkenschwick im tiefsten Ruhrgebiet verbracht hat, spricht er leidlich Deutsch.

Er ist tatsächlich in Hollywood geboren, aber aufgewachsen in einer schwierigen Ecke namens Echo Park. Die Eltern liessen sich scheiden, als er ein Jahr alt war und es war nicht viel Geld da – die Einkünfte des Vaters aus seinem Underground-Comicbook-Shop waren nicht so dolle.

Er bricht die High School ab, denn schon als 14-Jähriger tritt er in Werbeclips auf, als 16-Jähriger hat er kleine Rollen in Fernsehserien. Z.B. in Roseanne oder in „New Lassie“. 1991 hat er seine erste Filmrolle in „Critters 3“, einem sehr, sehr schlechten Film. Im Jahr darauf wurde er für „This Boy’s Life“ gecastet. Auf Deutsch: „Die Geschichte einer Jugend.“ Robert DeNiro hatte ihn selber beim Casting ausgesucht.

1993 spielt er den behinderten kleinen Bruder von Johnny Depp in der wunderwunderbaren Tragikomödie „Gilbert Grape“. Das macht er so eindrücklich, dass es am Anfang richtig weh tut. 1995 dreht er mit seinem Kumpel Tobey McGuire einen Film, „Don’s Plum“, der aber so schlecht sein soll, dass die beiden dafür sorgten, dass er nie aufgegührt wurde.

1996 folgt „Romeo und Julia“ und im Jahr darauf „Titanic“. Entgegen aller Erwartung wurde das ein Riesenhit und verdiente damals 1,8 Milliarden Dollar. Besonders weibliche Fans schmachteten ihn an, das Phänomen wurde Leo-Mania getauft. Wie er in einem Interview bemerkte, war ihm damals schon klar, dass er diese Popularität nie wieder erreichen würde. Das verschaffte ihm aber auch künstlerische Freiheit bei der Wahl seiner nächsten Filme.

Im gleichen Interview hat er auch verkündet, dass er niemals heiraten wolle. Auch das hat bisher gut geklappt. Mit wem er gerade wie verbandelt ist, beschäftigt eine ganze Horde von Paparazzi, aber ist auch völlig egal. Da es immer Models sind mit denen er sich verbandelt, hat er wahrscheinlich einen Anorexie-Fetisch. Aber auch das ist völlig egal.

„Den Mann mit der goldenen Maske“ und „The Beach“ lassen wir ‘mal aus und machen mit „Catch me if you can“ weiter, wo er zeigen konnte, wie charmant er sein kann. Es beginnt die Zusammenarbeit mit seinem Lieblings-Regisseur Martin Scorcese. Und zwar mit „Gangs of New York“, ein Film, der seine Finanzierung nur bekommen hat, weil Leo auch unterschrieben hatte.

Die geht 2004 weiter mit „The Aviator“, die erste Produktion seiner eigenen Produktionsgesellschaft „Appian Way“. Die nächsten vier Filme sind alle nicht schlecht, zum Teil sogar wichtig. Sie sind auch nicht von ihm schlecht gespielt, hatten aber nie den richtigen finanziellen Erfolg. Sie heißen „The Departed“, „Blood Diamond“, „Body of Lies“ und „Revolutionary Road“.

Mit der nächsten Zusammenarbeit mit Scorcese „Shutter Island“ macht er aber wieder auf sich aufmerksam. Darauf folgt – mit Christopher Nolan – „Inception“, der ein Risenerfolg war.

Auch „J. Edgar“ über J. Edgar Hoover ist ein wichtiger Film und hervorragend geschauspielert, aber beim Publikum ein Flop. Nun folgen „Django Unchained“ – wo er einen beängstigenden Sklavenhalter gibt, „Der große Gatsby“, wo er den großen Gatsby gibt und zuletzt „Wolf of Wall Street“, wieder zusammen mit Martin Scorcese.

Und 2015 eben „Revenant“ – den ich persönlich sehr enttäuschend finde. Ein Oscar für J.Edgar oder Aviator hätte ich toll gefunden. Für die Darstellung des Trappers Hugh Glass, naja…

Was Mr. DiCaprio von vielen anderen Stars positiv unterscheidet, ist sein Engagement für die Umwelt. Das ist kein philantropisches Feigenblättchen, sondern basiert bei ihm anscheinend in echter Sorge wegen des Klimawandels. Er ist der offizielle Repräsentant der UNO für dieses Thema.

Um das zu promoten und voran zu bringen, hatte er sich zwischen 2013 und 2015 erst einmal zwei Jahre freigenommen und tourte mit seinen selbst-produzierten und selbst-finazierten Doku-Filmen um die Welt.

Doch auch sonst setzt er seinen Reichtum für die eher richtigen Dinge ein. Zum Beispiel damals für Johne Kerry statt für George Bush und zweimal für Barack Obama. Er setzt sich für die Arterhaltung ein, besonders Tiger haben es ihm angetan. Er hat ein kleines Mädchen aus Südafrika adoptiert, dass er bei den Dreharbeiten zu „Blood Diamond“ kennenlernte. Oder so. Er schickt halt Schecks und ruft ab und zu an. Besser als nichts.

Und er unterstützt GLAAD, übersetzt die „Schwule und lesbische Allianz gegen Defamierung“, die sich besonders für die richtige Darstellung von LGBTs in den Medien einsetzt.

Ein Hippiekind aus armen Verhältnissen, seit gut zwanzig Jahren stinkreich. Ein außergewöhnlicher Schauspieler mit vielen guten, einigen mittelmäßigen und ein paar unvergesslichen Filmen. Geboren, aufgewachsen in Hollywood. Und er kennt das Gewerbe wahrscheinlich so gut, dass es ihm scheissegal ist, ob er einen Oscar gewinnt.

Ich wäre lieber in einem Klub mit Richard Burton und Peter O’Toole als mit Charlton Heston und John Wayne, die beide eigentlich keine Schauspieler waren.

Mal ‘schauen, was seine nächsten Projekte so sind. Ich persönlich tippe ja auf „The Wolf from Wolfsburg“. Ja, seine Produktionsfirma hat sich die Rechte an der Verfilmung des VW-Abgas-Skandals gesichert. Leonardo als Martin Winterkorn. Wie er Metallkunde in Stuttgart studiert. Dann bei Bosch forscht. Die Qualitätskontrolle bei VW übernimmt, Vorstandsvorsitzender wird und jedes Jahr 17 Millionen Euro verdient – das riecht doch förmlich nach Oskar, oder?


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 February 11, 2016  11m