Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0376: Im Kino


Als Erleuchteter kann mich ja nichts wirklich aus der Fassung bringen. Straßenverkehr? Perlt an mir ab! Beleidigungen, dumme Blicke? Mir wurst. Aber wenn jemand im Kino laut redet! REDET! Dann, dann, dann…

Download der Episode hier.
Opener: „How to watch a movie in a theater.“ von Maddox
Musik: „Shut Up“ von Sunrise / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Auf diesen Film hat sich Robert schon seit Monaten gefreut. Aber zum Zeitpunkt der Premiere hatte er richtig viel um die Ohren. Also kann er ihn erst jetzt anschauen, zwei Wochen nach Start. Um möglichst ungestört zu sein, hat er die früheste Vorstellung gewählt. Am Dienstag, wo statistisch die wenigsten Menschen ins Kino gehen. Und als er den Kinosaal betritt, kann er sein Glück nicht fassen. Das Kino ist fast leer. Nur vor ihm ein Teenagerpärchen. Und schräg hinter ihm ein anderer Besucher. Genüßlich lässt er sich in seinen Sessel sinken und die ganze Werbung über sich ergehen.
Endlich! Das Warten hat ein Ende!

Da zückt der junge Mann vor ihm sein Handy. Und sucht etwas. Das Licht stört etwas.

Bub: Hey, kuck’ ‘mal, das ist sooo cool!
Madel: Zeig’!
Bub: Cool, gell?
Madel: Ja, krass. Eine Katze mit Schnorchel und Taucherbrille! Wie cool ist das denn?
Bub: Hat mir der Tommy geschickt.
Madel: Warte, ich hab’ auch ‘was. Moment…

Auch die junge Frau zückt ihr Smartphone.

Bub: Auch ‘ne Katze?
Madel: Nee. Kuck, hier. Ist so cool!
Bub: Eine Ente im Anzug. Und mit Zylinder. Oberkrass! Kannste mir das schicken?
Madel: Klar!

Robert: Hey, ihr zwei! Könntet ihr so nett sein und euch hier nicht unterhalten? Das stört den Film total, o.k.?

Die beiden stecken das Handy weg und geben erst einmal Ruhe.

Bub: Pfft, der Außerirdische ist ja total mies gemacht. Schlechter Effekt.
Madel: Genau! Das ist ja gar kein Außerirdischer!

Robert: Sht! Ruhe! Natürlich ist das kein echter Außerirdische, was denkt ihr denn? Es gibt keine Außerirdischen!

Bub (leise, nachäffend) Es gibt keine Außerirdischen…
Madel (kichert)
Bub: Unhöflicher Typ. Kein Wnder, dass der alleine da ist.
Madel: Glaubst Du, dass es Aliens gibt?
Bub: Klar glaub’ ich das! Meine Tante wurde von Aliens entführt.
Madel: Ohne Scheiss?
Bub: Ohne Scheiss. Warte ‘mal…

Der junge Mann holt wieder sein Handy ‘raus. Und zeigt der jungen Frau ein Foto.

Bub: Siehste, das war meine Tante vor der Entführung. Und dann. Warte… Hier. So schaut sie jetzt aus! Krass, oder?
Madel: Schon krass. Aber zwischen den Fotos liegen doch mindestens dreißig Jahre.
Bub: Klar. Und da wurde sie irgendwann entführt.
Madel: Ah…

Jetzt wird’s auch dem vierten Besucher des Kinos zu bunt.

Mann: Ruhe da vorn!
Robert: Danke!

Die beiden Erwachsenen nicken sich anerkennend an.

(Clip Handyklingeln)

Mann: Eckart Dömfedel. Was? Ah, Du bist’s Hans-Dieter! Klar, klar kann ich reden! Logisch. Und? Hat die Anzeige bei Deinem Bekannten im Podcast ‘was gebracht? Haste jemanden kennengelernt? Wie? Wie heißt die? Rita? Und was macht die? Aufnahmeleiterin? Wie cool! Gratuliere, altes Haus!

Robert: Bitte können Sie zum Telefonieren rausgehen? Man versteht ja kein Wort!

Mann: Warte ‘mal, Hans-Dieter. Hier sitzt so ein Korinthenkacker. Ich geh’ ‘mal raus, ok?

Bub: Ich glaub’ fast, den Film kenne ich.
Madel: Ja, erinnert mich auch total an Star Wars.
Bub: Bloß schlechter.
Madel: Du, wie geht die Star-Wars-Melodie nochma’?
Bub: Na, so (summt Star-Trek-Melodie)
Madel: Kfatsch. Das ist doch Star Trek. Warte mal, ich google das.

Die junge Frau zieht ihr MacBook aus dem Rucksack und fährt es hoch.

Madel: Mist, kein Empfang.
Bub: Ja, ich auch nicht, shit.

Der junge Mann dreht sich zu Robert um.

Bub: Sorry, aber haben Sie vielleicht Empfang?

Robert: (wütend) Keine Ahnung! Aber ich bin hier ja auch nicht zum Googeln, sondern um einen Film anzuschauen. Macht eure Geräte aus und sprecht nicht mehr!

Das hat gewirkt. Die beiden Teenager reden nicht mehr. Sie gestikulieren. Das ist ja in Ordnung. Da greift die junge Frau wieder in ihren Rucksack und holt ein Keyboard hervor. Und versucht, das Star-Wars-Theme zu spielen.

Begeistert nickt der junge Mann und greift in seinen Rucksack. Er holt eine Trompete hervor.

Robert: Jetzt reicht es aber! Könnt ihr nicht zwei Minuten ruhig sein! Die verdammte Karte hat € 12,- gekostet. Da kann ich doch den Film sehen oder? Und nicht ein dilettantisches Trompetenkonzert, oder?

Tatsächlich tritt Ruhe ein. Der Mann mit dem Handy kommt wieder in den Saal. Mit jemandem vom Kinopersonal. Sie kommen zu Robert. Die Dame vom Kino spricht ihn an:

DvK: Entschuldigen Sie, aber wir haben eine Reihe von Beschwerden bekommen.
Robert: Kein Wunder, hier geht’s ja auch zu wie auf dem Bahnhof.
DvK: Eine Reihe von Besuchern hat sich über Sie beschwert.
Robert: Über mich?
DvK: Ja, eine Reihe von Beschwerden über ihr Verhalten.
Robert: Über mein Verhalten? Die einen telefonieren, die anderen spielen Trompete und eine Reihe von Besuchern hat sich über mich beschwert? Welche Reihe denn? Hier sind doch nur wir vier.
DvK: Sollte ich noch eine Beschwerde erhalten, dann bin ich gezwungen, Sie des Saals zu verweisen!
Robert: Mich? Ich habe € 12,- gezahlt! Das können Sie doch nicht machen!
DvK: Das kann ich sehr wohl. Ich möchte Sie noch ein letztes Mal eindrücklich um Ruhe bitten!

Bub: Genau!
Madel: Genau! Der plärrt hier immer rum!

Robert stiert mit weit aufgerissenen Augen auf die junge Frau. Der Handymann setzt sich breit grinsend wieder hin. Es tritt tatsächlich Ruhe ein. Auf der Leinwand wird ein Raumschiff durchlöchert. Man kann das sehr gut hören.

Bub: Ach! Jetzt weiß’ ich’s! Den Film hab’ ich wirklich schon gesehen! Der Kumpel von dem Typen ist in Wirklichkeit ein Spion der Außerirdischen. Und der entführt die Prinzessin, aber der Typ kann auf einmal total gut mit einer Laserpeitsche kämpfen, killt den Spion und befreit die Prinzessin.
Madel: Das ist ja echt wie in Star Wars.
Bub: Ja, lass’ uns gehen.

Auch der Handymann geht. So wollen auch wir den Kinosaal verlassen, aber nicht ohne noch einen Blick auf Robert geworfen zu haben. Immer noch stieren Blicks. Ein Sabberfaden läuft ihm aus dem Mund. Aber das kann keiner hören.

Closer:
DvK: Und, wie ist es gelaufen?
Bub: Klasse, Tante Erika!
Madel: Ja, mit der Trompete geht’s noch schneller! War ‘ne gute Idee.
Mann: Es gibt keine Außerirdischen, pah!
DvK: Die nächste Vorstellung fängt in 15 Minuten in Kino D an. Noch ein Phlok voll Gagh irgend jemand?


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 February 5, 2016  12m