Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0340: Die Verkündigung


Als meine Kinder klein waren und selber beim Krippenspiel auftraten, da fand ich das schon sehr süß. Im Laufe der Jahre hat sich das aber ein bisschen abgenutzt. Zugegeben. Zumal das ja gar nicht so war, wie die Pimpfe das vorspielen. Der Explikator weiß es ‘mal wieder besser. Hörspielfolge.

Download der Episode hier.
Musik: „Sheep“ von N.I.M. / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
(Die Szene beginnt mit einigen wichtigen Takten von „Also sprach Zaratusthra“. Danach ein kratzendes Geräusch, als die Nadel von der Platte genommen wird.)

Sprecher: (genervt) Ja, ja. Reicht. Ihr kennt das ja. Stellt euch also vor: Heute ist also die Nacht, in der unser Heiland geboren wird. Die ganze Weihnachtsgeschichte halt. Schon tausend Mal erzählt. Aber ich muss. Ich bin gesetzlich verpflichtet, das zu machen hier. In der Adventszeit. Gesetz…

Also, ihr kennt ja das Setting. Kalte Winternacht irgendwo in Israel vor 200 Jahren, ok?

Wir sehen zwei Schafhirte am Lagerfeuer sitzen. Inmitten ihrer Schafe. Sie schauen extrem schafhirtig aus. Wenn ihr euch das nicht vorstellen könnt, dann könnt ihr ja eure Krippenfiguren anschauen. Also die sitzen da am Lagerfeuer, der eine stopft gerade Socken. Das hat man gemacht, als man die noch nicht weggeworfen hat, wenn sie ein Loch hatten, könnt ihr ja mal googeln. Und der andere sitzt da und strickt. Einen langen Schal. Im Hintergrund grillen die Zirpen. Quatsch, zirpen die Grillen. Ist ja schließlich Israel, das zirpen die das ganze Jahr. Doch, glaub schon. Bin mir sicher. Also: Action!

S1: Ach, sind schon fantastische Kreaturen.
S2: Wer?
S1: Na, Schafe halt.
S2: Ach so. Jaja…

(Pause)

S1: So intelligent.
S2: Wer?
S1: Na, Schafe halt.
S2: Ja, stimmt.

(Pause)

S1: Ich hatte ‘mal ein Schaf, das konnte bis 23 zählen!
S2: Im Ernst?
S1: Ja, im Ernst.

(Pause)

S2: Warum bis 23?
S1: Was meinst Du?
S2: Na ja, wenn es bis 23 zählen konnte, warum hat es dann nicht einfach weitergezählt. Bis 24, z.B.?
S1: Gute Frage!

(Pause)

S1: Weißt Du was? Vielleicht hat es ja weitergezählt, aber ich bin bei 23 immer eingepennt.
S2: Ah! Verstehe!

(Pause)

S2: Ich hatte ‘mal ein Schaf, das konnte sogar Schach spielen!
S1: Hör auf! Nicht wahr! War es denn gut?
S2: Ich habe keine Partie gegen es gewonnen! Nicht eine!
S1: So gut war es?
S2: Ja, es hatte eine unschlagbare Strategie. Hat immer die Figuren aufgefressen.
S1: Fantastische Tiere. So intelligent.

(Pause)

S2: Stimmt schon. Und man kann sich so gut mit Ihnen unterhalten, oder?
S1: Ja! Find’ ich auch! Immer diese schlagfertigen, kurzen Antworten!
S2: Irgendwie lässig und total entspannt.
S1: Ja, mit welchem Tier könnte man sich besser unterhalten?

(Pause)

S2: Na ja, es gibt Papageien.
S1: Mit denen kann man sich unterhalten?
S2: Ja, ich kannte einen, der konnte ganze Sätze sprechen.
S1: Im Ernst?

(Pause)

S1: Aber wir können ja schlecht Papageihirten werden.
S2: Nee, die geben ja keine Milch!
S1: Ja, genau. Und keine Wolle!
S2: Na ja, die haben Federn!
S1: Ja, schon. Aber mit Federn kann man nicht stricken. Oder Socken draus machen.
S2: Stimmt!

(Pause)

Plötzlich werden die Schafhirten aus ihren nächtlichen Gedanken gerissen. Es wird kurz taghell.
/Clip: Fanfare
Und Fanfaren ertönen. Ein Engel mit zerrissenen Jeans und einem fleckigen weißen T-Shirt landet vor den Hirten.

E: Oh, Mannomann. Diese Fliegerei ist nichts mehr für mich, ehrlich. Meine Flügel brennen förmlich. Äh, Moment – eine Sekunde. Wo hatte ich noch die Notizen? Ah, hier: Ruhm und Ehre dem Vater im Himmel! Und Friede auf Erden. Und den Menschen ein Wohlgefallen. Euch ist heute geboren der…
Moment, ich kann das kaum lesen, das ist nass geworden. Hat nämlich geregnet, als ich in Sendung 45 losgeflogen bin… Moment…

S1: Ja, Heiland zack!
E: Ja, genau! Ein Heiland geboren! He, Moment! Ihr wisst das schon? Bin ich zu spät, oder was? Das würde mich ja sowas von ärgern! Ich fand den Plan ja eh’ nicht toll!
S2: Nein, er flucht nur, weil Du mit Deiner Lightshow und Deiner Brassband alle Schafe vertrieben hast!
S1: (zornig) Wir haben den ganzen Nachmittag gebraucht, um sie zusammen zu treiben!
E: Äh, sorry?
S1: Wer bist Du überhaupt und was willst Du hier?
E: Ich bin ein Engel. Der Erzengel Gabriel, um genau zu sein. Aber ihr könnt mich Gabi nennen, wenn ihr wollt.

Gabriel hält den Hirten die Hand hin. Die Hirten schauen die Hand an. Und schauen grimmig.

E: Ich bin hier, um euch zu verkündigen, dass euch der Heiland geboren ist. Gottes Sohn. Gleich hier um die Ecke. In einem Stall, neben der örtlichen Gastwirtschaft.
S1: Heiland? Im Stall.
E: Ja, geht dahin. Da ist Joseph, Maria und das Baby. Jesus. Den könnt ihr dann da verehren.
S2: Wir sollen uns ein Baby anschauen gehen? Wieso das denn? Wir müssen die Schafe wieder zusammentreiben!
E: Hey! Das ist cool, versprochen! Er ist das Licht der Welt! Gekommen, um für eure Sünden zu sterben!
S1: Licht der Welt! Gottes Sohn! Heiland! Und dann ist’s nur ein Baby!
S2: Na ja…
S1: Was? Na ja? Willst Du jetzt ein Baby anschauen gehen?

E: Ach, da sind auch Könige! Aus dem Morgenland! Sind die extra gekommen! Das sieht man auch nicht alle Tage, oder?
S2: Irgendwie hat Gabi recht. Wann sieht man so was schon, hier in Efrat?
S1: Schon, aber die Schafe…

E: Moment? Efrat? Hast Du Efrat gesagt?
S2: Ja, Efrat.
E: Das auch noch! Da bin ich doch glatt zu weit geflogen! Ich muss doch nach Bethlehem.
S1: Nach Bethlehem? Nicht nach Efrat?
E: Das tut mir jetzt echt leid. Also, ihr braucht nicht zu dem Stall gehen. Hier in Efrat passiert da gar nichts, sorry. Ok? Keine Könige, kein Baby, kein Heiland. Ich muss dann ‘mal, ok?
S1: Wie? Die ganze Show hier völlig umsonst?
E: (schon aus der Ferne) Ja, sorry! Und tut mir leid wegen der Schafe, echt!

Und wieder gibt es ein helles Licht.
/Clip Worst Fanfare
Und eine Fanfare, genau. Zurück bleiben die Hirten.

S2: Weisst Du was?
S1: Was?
S2: Ich geh’ jetzt trotzdem in die Wirtschaft!
S1: Auch ohne Heiland?
S2: Auch ohne Heiland. Wein gibt’s da ja trotzdem!

(Pause)

S1: (leise) Ja, aber die Schafe?
S2: (aus der Ferne, frustriert) Scheiß auf die Scheiß-Schafe!

(Pause)

S1: Warte, ich komm mit!

Closer (beide angeheitert):
S1: „Sachma. Issjetz eigentlich „vor unserer Zeitrechnung“ oder „nach unserer Zeitrechnung?“
S2: „Meinssu vor oder nach Christus?“
S1: „Na ja. Irgendwie schon. Aber is’ jetzt das Jahr Null?“
S2: „Issmir soooo egal! Vor Christus war scheiße! Ich bin echt froh, wenn ab morgen nach Christus ist! Das kann ich Dir aber so ‘was von sagen!“
S1: „Wegen der Schafe?“
S2: „Aber genau! Wegen der Scheiß-Schafe!“
S1: „Genau. Dumme Viecher!“
S2: „Sooo dumm!“

(Pause)

S1: „Prost!“
S2: „Prooooost!“


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 December 4, 2015  14m