Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

https://morgenradio.de

subscribe
share






Expl0339: Bill Murray


Klar. Bill Murray war der coole Sack in den Ghostbusters. Und hat in den 80ern jedes Jahr einen Kassenschlager abgeliefert. Mittlerweile wird er aber verehrt, als sei er der beste Schauspieler aller Zeiten. Das ist mir ein komplettes Rätsel!

Download der Episode hier.
Artikel: „The Peculiar Ascent of Bill Murray to Secular Saint“ von Steven Kurutznov
Opener: „Why Bill Murray Is The Most Interesting Man In The World“ von Pop Trigger
Closer: „Celebrities Read Mean Tweets #6“ von Jimmy Kimmel Live
Musik: „Bill Murray“ von Sloth Baby & The Land Pirates / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Warum ist Bill Murray bei allen so verehrt? Er ist mittlerweile eine richtige Pop-Ikone! Wie vielleicht Elvis oder Marylin Monroe. Oder wie Mickey Mouse, wenn man an all die Produkte mit seinem Portrait denkt. Wie ist das nur passiert?

Ich verstehe das wirklich nicht. Echt jetzt, schaut doch einmal genau hin: Das ist ein 65 Jahre alter, trauriger Mann. Der mittlerweile eher wie 75 aussieht. Und dessen Mimik zwei Ausdrücke kennt. Einen traurigen und so einen traurigen mit einem superleicht angedeuteten sarkastischen Lächeln.

Wie Steven Kurutznov in seinem Artikel in der New York Times schreibt – Link auf der Website – gibt es zu keinem anderen lebenden Schauspieler mehr Kult-Artikel zu kaufen als zu Bill Murray.

Chive.com, eine Aggregatorseite mit den gängigen pseudo-witzigen Videos und Bilderstrecken von mehr oder weniger nackten Frauen, verkauft z.B. am besten ein Bill-Murray-T-Shirt. Auf dem einfach „Bill Fucking Murray“ steht. Auf Etsy gibt es eine Heiligenkerze, Modell „Heiliger Bill Murray“ zu kaufen. Oder Blumentöpfe mit seinem Portrait. Oder ein ganzes Set mit Portraits auf Bierdeckeln. Natürlich zahllose Tassen, T-Shirts, Handycover, Hoodies, Schwangerschaftsbinden, Grillschürzen, Poster oder Postkarten.
Und sogar ein Mobile für Babys – mit kleinen Bill Murrays aus Filz.

Natürlich gibt es zahllose Fansites im Internet. Auf tumblr gibt es mindestens ein Dutzend Blogs, die sich nur mit Bill Murray beschäftigen. Es gibt ein Buch mit dem Titel: „The Big Bad Book of Bill Murray“. Untertitel: „Eine kritische Auseinandersetzung mit dem besten Schauspieler der Welt“
Was aber im Buch stattfindet ist natürlich das Gegenteil – es ist nur eine weitere Devotionalie.

Und natürlich taucht er regelmäßig auf Reddit, Imgur, Twitter oder Facebook auf. Wenn er sich wieder auf eine Hochzeit, eine Bar Mitzwah oder eine Junggesellenparty eingeladen hat. Wenn er Bauarbeitern spontan moderne Lyrik vorliest. Wenn er plötzlich in einem kleinen Dorf in Bali auftaucht und eine Pantomime-Aufführung veranstaltet. Wenn er ungefragt bei einem Brennball-Spiel einsteigt. Das gibt heutzutage dann halt auch verlässlich immer Fotos und Videos.

Und dann all die Bill Murray-Stories. Das er seit den Neunzigern keinen Agenten mehr hat. Nur eine Festnetz-Telefonnummer mit einem Anrufbeantworter dran. Den er nur ab und zu benutzt.
Das er die coolsten Rollen ablehnt, weil er keinen Bock hat. Forrest Gump z.B.
Aber dafür hat er den „Garfield“ gesprochen. Sehr intelligent…

Das Bild, das von ihm gezeichnet wird, ist das Bild eines Tricksters, eines Narren, eines freien und vielleicht sogar heimlich irgendwie erleuchteten, weisen alten Mannes. Der sich spontan durch’s Leben navigiert und immer macht, was er gerade will. Der völlig autonom ist und das Leben zur Neige auslebt. Ein Symbol der Freiheit. Und dazu noch ein witziges Symbol der Freiheit. Ein moderner Till Eulenspiegel vielleicht. Oder aber nur ein bekiffter Gartenzwerg.

Aber, liebe Leute, das ist doch einfach nicht so! Das wollt ihr doch bloß so sehen! Schauen wir uns doch einfach ‘mal seine Karriere genau an. Bill Fucking Murray wurde 1950 geboren. In bescheidenen Verhältnissen. Er hat als Golf-Caddy gejobbt, sein Medizinstudium geschmissen.

In der großartigen Zeit der ersten Jahre von Saturday Night Life war er erst regelmäßiger Gast-Comedian, ab der zweiten Season drei Jahre lang fest im Team.

Dann hatte er eine Reihe von Filmerfolgen. Ein wirklich langer Run. Er war der junge, sarkastische Held in einer Reihe von Filmen, deren deutsche Titel ich kaum auszusprechen wage.

1979: Babyspeck und Fleischklößchen (Meatballs)
1980: Blast – Wo die Büffel röhren (Where the Buffalo Roam)
1980: Wahnsinn ohne Handicap (Caddyshack)
1981: Ich glaub, mich knutscht ein Elch (Stripes)
1982: Tootsie
1984: Ghostbusters – Die Geisterjäger (Ghostbusters)

Alles erfolgreiche Filme, Ghostbusters der erfolgreichste des Jahres. Dann kommt eine Pause von fünf eher schlechten Jahren, dann…

1989: Ghostbusters II
1991: Was ist mit Bob? (What About Bob?)
1993: Und täglich grüßt das Murmeltier (Groundhog Day)

Ab dann, geneigte Hörerin, wird die Bilanz aber düster. Klar, zwischendurch sind echte Perlen dabei. „Rushmore“, „The Royal Tenenbaums“ und natürlich „Lost in Translation“, letzterer zumindest mein Lieblingsfilm mit Bill Murray.

Von den allermeisten der anderen Filme habt ihr wahrscheinlich noch gar nicht gehört. Denn das waren meist schreckliche Filme. Da will ich jetzt gar nicht draufrumhacken, aber „Agent Null Null Six“, „Hamlet“, „Osmosis Jones“, „Garfield“, „Passion Play“ oder „Dumm und dümmer II“? Im Ernst? Ich bin der festen Meinung, keinen Agenten mehr zu haben, ist das Dümmste was Bill Murray je beruflich so entschieden hat.

Wisst ihr, was der größte Flop des Jahres 2015 war? Kommt bei uns erst im März in die Kinos. Wenn überhaupt. „Rock the Kasbah“. Der hat in den USA drei Millionen Dollar gemacht. Hauptrolle: Bill Murray. Aber auch Bruce Willis, Zooey Deschanel oder Kate Hudson sind mit an Bord. Regie: Barry Levinson. Der z.B. „Good Morning, Vietnam“ gemacht hat.
Offiziell, laut Forbes, der größte Flop des Jahres.

Und auch privat ist das auch nicht gerade ein erleuchtetes Wesen. Das wirkt nur so, weil er so spitzbübisch lächelt, da denkt man, er sieht die Welt durch irgendeinen geistigen Metafilter.

Aber wenn man sich die Biografie anschaut, dann ist da viel, viel Cannabis, viel Alkohol, viele Affären und zwei gescheiterte Ehen. Seine Exfrau Jennifer Butler hat 2008 die Scheidung eingereicht, weil er sie geschlagen hat, immer wieder untreu war und abhängig sei von Sex, Marijuana und Alkohol.

Er sit auch bekannt dafür, sich am Set ausgiebig streiten zu können. Was manchmal sogar in Schlägereien ausartet. Fragt nur Chevy Chase oder Lucy Liu. Aber auch Richard Donner, Richard Dreyfus oder Harold Ramis sind Menschen, die sicher keine „Bill Fucking Murray“-Shirts kaufen, weil er die Arbeit mit ihm für sie zur Hölle gemacht hat.

Und das Spontan-auf-Parties-fremder-Menschen-Auftauchen, das er seit Jahren betreibt, das ist doch nicht cool. Ein 65 Jahre alter Mann, der – nebenbei erwähnt schon seit vierzig Jahren Stirnglatze und Bierbauch trägt – lädt sich selbst zu Parties ein? Wo die Gäste mindesten 30 Jahre jünger sind als er? Und die ihn dann alle anhimmeln?
Bitte! Das ist doch das Einsamste, was man überhaupt machen kann? Das ist doch nur traurig!

Lasst mich doch in Ruhe mit Bill Murray! Wisst ihr, warum „Lost in Translation“ so gut war? Weil er da nicht schauspielern musste. Das ist ganz genau er selbst gewesen. Pur. Ein einsamer, alter Mann. Verloren in der modernen Welt.

Da kauf’ ich mir zehnmal lieber ein Amy-Shumer-Shirt. Oder ein Sarah-Silverman-Shirt. Oder meinetwegen, wenn’s denn Männer sein müssen, ein Louis C.K. oder John Oliver-Shirt.

Bill Murray – Pfft!


fyyd: Podcast Search Engine
share








 December 3, 2015  13m