Von drüben und drüben

Auch 30 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung gibt es noch immer Missverständnisse zwischen den Deutschen in Ost und West, schlichtweg, weil man zu wenig über den anderen weiß. Deshalb haben sich Doreen Jonas – Jahrgang 1973 – und Mario Köhne – zehn Jahre jünger – darangemacht, aus ihren Jugendjahren zu erzählen. Und die können unterschiedlicher kaum sein: Sie ist aufgewachsen in Oebisfelde, im DDR-Sperrgebiet unmittelbar an der innerdeutschen Grenze. Er wurde in Lingen groß, im niedersächsischen Emsland, nur wenige Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. Ein Blick „von drüben und drüben“ von MDR SACHSEN-ANHALT.

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Fahnenappell und Gottesdienst


Kinderbetreuung mit unterschiedlichen Zielen: ab 01:32

"Dass man jetzt früh als Kleinkind irgendwo in der Krippe ist, das habe ich nicht mitgemacht" - mit etwa fünf Jahren ging es für Mario Köhne zum ersten Mal für mehrere Stunden von zu Hause weg – in den Kindergarten, so zwei Jahre vor der Einschulung. In den 80er-Jahren – und noch weit darüber hinaus – gehörte in Bundesrepublik die Kinderbetreuung fest in die Hand der Mütter, die dann logischerweise zu Hause blieben und nicht arbeiteten. Ganz anders bei Doreen Jonas – "in der DDR war man die große Ausnahme, wenn man gar nicht im Kindergarten war", erzählt sie. Jede und jeder sollte, vielmehr musste, arbeiten, schlichtweg auch, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Und mit der Kinderbetreuung von frühen Jahren an hatte der Staat natürlich auch die Möglichkeit der direkten Einflussnahme – Erziehung im Sinne des Sozialismus.

Honecker Porträt versus Christus-Kreuz: ab 16:48 Minuten

In der DDR war Schule staatlich – und damit politisch, verbunden mit einem starken Personenkult. Es hing zwar nicht in jedem Klassenraum ein Honecker-Porträt, erinnert sich Jonas, aber doch in den wichtigsten Räumen. Für Köhne unvorstellbar, zu seinen Schulstationen gehörte neben staatlichen Einrichtungen auch eine katholische, in der Orientierungsstufe in der fünften und sechsten Klasse. "Da hing auch in jedem Klassenraum ein Kreuz", erzählt der Emsländer. Auch Gottesdienste gehörten zum Alltag. Jonas hingegen wuchs mit dem Fahnenappell auf – alle Schülerinnen und Schüler der Klassen standen blockweise angeordnet auf dem Schulhof – erlebten öffentliches Lob und auch Tadel. Und unzählige Ansprachen im Sinne des Sozialismus.

Klassenfahrten – Harz und Münsterland, Prag und London: ab 40:26 Minuten

Bei Klassenfahrten ist Ost und West sicher der Spaß und die Abenteuerlust gemein. Wobei es zunächst ja eher in die Natur ging, Gemeinschaftsbildung gefördert wurde. Für Doreen Jonas ging es in den Harz, für Köhne ins Münsterland. In den höheren Klassenstufen wuchsen die Unterschiede: In der achten Klasse ging es für Jonas nach Weimar, auf den Ettersberg. Der Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald stand für alle 14-jährigen der DDR fest auf der Liste. Auch nach Berlin führte eine Reise, Jonas in die Hauptstadt der DDR, Köhne nach Westberlin. International wurde es für beide: sie nach Prag und er nach Frankreich, später dann auch nach London.


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 October 6, 2020  43m