Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

https://morgenradio.de

subscribe
share






Expl0416: Vermin Supreme


Bei meiner Strategie zu Erlangung der Weltherrschaft ist eigentlich nicht vorgesehen, sich für politische Ämter zu bewerben. Der Plan ist eher, dass die Weltherrscher meine Überlegenheit anerkennen und mir freiwillig ihre Ämter überlassen. Mein Kollege Vermin Supreme hat einen anderen Weg gewählt und kandidiert schon zum siebten Mal für das Amt des mächtigsten Menschen der Erde. Wenn da nicht sein außerordentlich schlechter Geschmack für Hutmode wäre…

Download der Episode hier.
Bildbeitrag: By Marc Nozell from Merrimack, New Hampshire, USA (Vermin Supreme) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
Opener & Closer: „Vermin Supreme: When I’m President Everyone Gets A Free Pony“ von SheyaSite
Musik: „Clown“ von Suidhe / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Neulich, beim Mich-politisch-Fortbilden habe ich auf einer Website gelesen: „Da genügend Irre für Europa (Schulz! Seehofer!) eintreten und ebenso viele Schwachköpfe (Lucke! Seehofer!) dagegen, haben wir beschlossen, die vakante Position »Europa ist uns egal!« zu besetzen. Das dürfte rund 72 Prozent der Wähler aus der Seele sprechen.“

So beginnt das Programm der Partei „Die Partei“. Auch die Idee Markus Lanz ab jetzt Kinderpornos moderieren zu lassen, ist grenzgenial, denn dann würde die ja keiner mehr sehen wollen. Und die Forderung Manager-Gehälter auf das 25.000fache eines Arbeiterlohns zu deckeln – „kein Manager ist mehr wert als 25.000 Arbeiter“ – ist Satire in Reinform. Aber auch bitter. Denn natürlich weiß niemand, warum die Arbeit von Daimler-Chef Zetsche 10 Millionen Euro im Jahr wert ist.

Die Partei „Die Partei“ ist eine von vielen Orgnanisationen auf der ganzen Welt, die der normalen Politik Satire entgegensetzt. Und manches Mal nicht richtig gut von den Originalen zu unterscheiden ist. Mit der AfD haben wir ja nun auch eine Partei mit einem Programm, dass dermaßen haarsträubend ist, dass nur die Hoffnung bleibt, dass Frau Petry das bald als messerscharfe Polit-Satire aufdeckt.

In Australien hätten wir da die „Deadly Serious Party“, die es wortwörtlich todernst meint. Oder die „Party! Party! Party!“ In Kanada die Rhinozeros Partei, in Dänemark die Partei der bewusst arbeitsscheuen Elemente und in Russland, der Ukraine und Polen die Partei der Bierliebhaber.

In Großbritannien haben wir gleich eine ganze Liste solcher Vereinigungen – wie zu erwarten. Z.B. Citizens for Undead Rights and Equality – Bürger für die Gleichberechtigung von Untoten oder die Teddy-Bär-Allianz oder die „Miss Great Britain Party“. Programm: Alle Mitglieder müssen ‘mal Miss Great Britain gewesen sein.

Meine Lieblingspartei ist aber in Schweden die „Donald Duck Partei“. Auf Schwedisch die Kalle-Anka-Partiet. Denn so heißt Entenhausens Held auf Schwedisch. Immerhin die Nummer 21 aller Parteien in Schweden.

Aber richtig lange in diesem Gewerbe ist einer der aktuellen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Er heißt Vermin Supreme. Ja, so heißt er wirklich, er hat seinen Namen amtlich ändern lassen und ist jetzt also das oberste Insekt oder das höchste Ungeziefer. Wie man das halt übersetzen will.

Denn Vermin Supreme bestreitet nun schon sein siebtes Rennen auf den Präsidentenstuhl. Sagt man das, Präsidentenstuhl? Klingt irgednwie eklig. Und er bleibt immer gut zu erkennen. Denn außer einem Rauschebart wie Gandalf trägt er immer einen Gummistiefel als Hut. Und meistens eine große Zahnbürste als Stock. Seltener seinen Leopardenumhang.

Ähnlich bizarr wie sein Aussehen ist natürlich auch sein Programm.

Da wäre zum ersten die Forderung, dass jeder Amerikaner ein Pony bekommen soll. Geschenkt. Ein free pony. Das sei der erste Schritt weg vom Kapitalismus hin zu einer Pony-basierten Staatsform. Dieses Programm würde sofort eine Menge Jobs schaffen. Und weil die Menschen ja in Zukunft zur Arbeit oder zum Einkaufen reiten können, auch sofort die Umwelt entlasten und den Klimawandel stoppen.

Mit dem ganzen Pony-Mist könnte man auch die vergifteten Böden wieder sanieren. Laut eigenen Aussagen arbeitet er auch an einer Miniatisierung von Ponys, um das Münzen und Geldscheine langfristig komplett durch Ponies zu ersetzen.

Dann rühmt er sich auch, der einzige Politiker zu sein, der die kurz bevorstehende Zombie-Apokalypse ernst nimmt. Und Amerikas Bürger darauf vorbereiten will. Denn diese Katastrophe bietet ja auch Chancen. Wenn man den Zombies ein Hirn vor die Nase hält und sie in riesige Hamsterräder steckt, dann hat man kostenlose Energie. Auf ewig – sterben können die ja schlecht noch einmal. Damit ist Amerikas Abhängigkeit vom Öl beendet!

Mit den freiwerdenden Mitteln kann man endlich massiv Forschungsgelder in die Technologie des Zeitreisens stecken. Denn er, Vermin Supreme, sei der einzige Kandidat, der genug Chuzpe und Mut hätte, um zurück in die Vergangenheit zu reisen und Baby-Hitler zu erwürgen.

Das Kernstück seines Programms aber ist das Zähneputzen. Zähneputzen soll gesetzlich vorgeschrieben werden. Denn es ist die Zahnfleischentzündung, die Amerika am meisten bedroht. Und er will Amerika wieder seinen Biss verleihen. Um das regelmäßige Zähneputzen zu überprüfen, arbeiten er und sein Team schon im Bereich der Genforschung, denn die Kontrollen sollen von fliegenden Affen durchgeführt werden.

Das kann man alles witzig finden oder nicht. Mit seinen 54 Jahren steht er in einer Tradition von Clowns aus den Sechzigern und Siebzigern, deren Humor schon mal bizarr mit der Brechstange daher kommt. So wie etwa bei Django Edwards.

Aber seine Zusammentreffen mit den „richtigen“ Politikern, die sind richtig schön. Wenn die z.B. beim Lesser-Known Democratic Candidates Presidential Forum in Reih und Glied sitzen, dann wirken sie einfach durch den Kontrast mit dem Mann mit dem Gummistiefel auf dem Kopf schon wichtigtuerisch und zu pompös.

Und wenn er dann sein absurdes Programm mit ernster, sonorer Miene vorstellt, dann kommen einem auch die Ideen der anderen Kandidaten nachher äußerst lächerlich vor.

Issja so: Wenn die etablierten Parteien eine Wahlschlappe hinnehmen, dann erklären sie das Verhalten der Wähler als Protestverhalten. Schön und gut, aber eine Stimme ist eine Stimme. Es stimmt einfach nicht, dass Menschen die AfD oder meinetwegen Donald Trump oder Bernie Sanders aus „Protest“ ihre Stimme geben.

Sondern weil sie mit den Etablierten unzufrieden sind. Das ist legitim und völlig demokratisch. Das kann man als Protest diffamieren, ändert aber nichts. Wenn alle in die vermutete Mitte der Gesellschaft drängeln, dann wird an den Rändern halt Platz.

Und auch eine Stimme für die Partei „Die Partei“ ist nicht verschenkt. Und mit hundertprozentiger Sicherheit besser als sie der AfD zu geben. Lieber Vermin Supreme als Wichtigtuer. Lieber ein Pony für jeden als im Jahre 2016 noch den Klimawandel zu leugnen. Lieber freie Energie durch Zombie-Hamsterräder als „Ausländer raus“.

Dann schon lieber die richtigen Clowns wählen.


fyyd: Podcast Search Engine
share








 April 5, 2016  12m