SPIELGEFUEHL

Menschen verbinden Medien oft mit besonderen Momenten. Der erste Kuss im Kino. Ein bewegendes Buch in schweren Stunden. Oder der Soundtrack zu einer unvergesslichen Nacht. Auch Videospiele begleiten uns durch das Leben und hinterlassen prägende Eindrücke in der Geschichte jedes einzelnen. Im Spielgefühl Podcast widmen wir uns diesen Anekdoten mit unseren Gästen in thematisch gegliederten Podcast-Staffeln, bereichert durch die jeweilige Spielmusik. Im wöchentlichen Format Puls & Minus diskutieren zudem Tim und Timo jeden Montagmorgen den Bruch, der sich durch die Digitalbranche zieht.

http://www.spielgefuehl.de

subscribe
share






Hyper Light Drifter – Gemetzel im idyllischen Pixelmysterium


http://www.spielgefuehl.de/wp-content/uploads/2016/04/Hyper-Light-Drifter-final.mp3

Eine magische Barriere flimmert unter den Sternen der Nacht. Sie leuchtet weiß, ihr Rand wird vom Dunkel in ein schläfriges Blau gehüllt. Wie eine Krone hängt sie da. Dann verfärbt sie sich pink-violett, der Himmel tut es ihr gleich, die Stadt unter ihr bebt, gefangen in einer hellen, wirbelnden Kuppel. Und alles explodiert.

Bedrohlicher Einstieg

Inmitten einer blutenden, von Leichnamen gespickten Pfütze steht eine Gestalt mit orange-rotem Umhang und hellblauem Gesicht, das von einem Helm verdeckt wird. Sie hustet eine pinke Substanz aus, die sich sogleich zu einem gigantischen Schatten wandelt. Die Figur flieht, doch im nächsten Moment erheben sich drei Mutanten vor ihr, glimmen bedrohlich. Sie zückt die blaue Klinge, die Riesen zerfallen. Dann steht sie neben einem Hund, dessen Kopf von einem weißen, quadratischen Schimmer umhüllt ist. Ein Turm baut sich auf und sie erblickt darin einen schimmernden Kristall. Doch bevor die Gestalt nach ihm greifen kann, wird sie von den Schatten verschlungen.

Nun finde ich mich in einer zerklüfteten Landschaft wieder, während ein Gewitter um mich herum tobt und der Regen in mein Gesicht peitscht. Vor mir züngeln die Flammen am Lagerfeuer. Zusammen mit meinem fliegenden Begleiter, der wohl so etwas wie eine Drohne darstellen soll, mache ich mich auf den Weg durch die zweidimensionale Pixelwelt. Mit meinem Schwert zerhacke ich nerviges Unkraut und fahre mit einem Aufzug unter die Erde. In der unterirdischen Ruine gleite ich dank meines blitzschnellen Vorwärtsspurts über Abgründe. Bald schon nehme ich einem Skelett seine Pistole ab und stürze mich in die ersten Gegner. Durch die Kombination von Nah- und Fernkampf sowie geschickten Ausweichmanövern erledige ich die kleine Gruppe mühelos und schreite zurück an die Oberfläche. Hier scheint alles friedlich zu sein. Vögel tapsen über die Wiese und leisten dort den Blumen Gesellschaft. Im Hintergrund erstreckt sich die vollkommen intakte Stadt. War das vorhin alles nur ein Traum?

Traurig-schöne Welt

Obwohl erst fünf Minuten vergangen sind, hat mich Hyper Light Drifter bereits tief in seinen Bann gezogen. Der Action-Adventure-Rollenspiel-Mix trumpft nämlich mit seiner dichten Atmosphäre, unterstützt von ruhiger, im Hintergrund pulsierender Musik, mit der die geheimnisvolle Geschichte von einem akustischen Schleier ummantelt wird. Eigentlich wollte das Entwicklerstudio Heart Machine ihr Spiel bereits Mitte 2014 veröffentlichen und dafür 27 000 US-Dollar sammeln. Doch letztlich kamen während der im September 2013 gestarteten Kickstarterkampagne über 645 000 US-Dollar zusammen. Und so wuchs und reifte das Spiel heran, bis es vor wenigen Tagen schließlich das Licht der Spielewelt erblickte. Mittlerweile laufe ich in der Stadt umher, treffe auf allerlei Bewohner, die allesamt Tieren ähneln, und tausche Geschichten aus. Also, bildlich gesprochen. Denn im ganzen Spiel wird kein einziges Wort gesagt oder geschrieben. Die NPCs erzählen ihre Erlebnisse in Form von Bildern. Das passt wunderbar in die kunstvolle Welt, die sich trotz aller Mysterien und Gefahren doch auch warm und freundlich anfühlt. In der Mitte der Stadt prangt am Boden ein auf der Spitze stehendes Quadrat, das sich wiederum in kleinere Formen aufteilt, durchzogen von okkulten Linien, die teilweise schon vom Gras überdeckt werden. Daraus werde ich nicht schlau. Also mache ich mich in den Norden auf.

Der eisige Wind begrüßt mich, als ich die ersten Stufen in die verschneiten Berge nehme. Je höher ich steige, desto lauter wird das Wehen. Einzelne Schneeflocken rieseln auf den Boden und in der Ferne erblicke ich eine große Gestalt. Groß? Gigantisch! Erfroren hängt sie an einem Berg in der Ferne und rührt sich kein Stück. Ein Teil von mir ist beruhigt, schließlich erinnert mich das Wesen an einen der Riesen aus meinem Traum. Andererseits ist es gar magisch diese geheimnisvolle Kreatur im Eis zu sehen, ihre Hände um den Berg gekrallt, als könnte sie jeden Augenblick hinabstürzen. Nicht nur der Pixelstil, auch die Farbkomposition und das detailverliebte Design der Spielwelt wirken melancholisch und schön, düster und bunt zugleich.

Pixelgemetzel

Ich springe gedankenversunken über ein paar Abgründe, bis mich plötzlich eine Gruppe Monster empfängt. Es sind Vogelwesen. Die einen gleiten durch die Luft auf mich herab, die anderen schießen laserartige Strahlen auf mich. Bei jedem Treffer sinkt meine Lebensanzeige, die nur aus fünf grünen Rechtecken besteht. War der Angriff besonders mächtig, leeren sich gleich mehrere. Automatische Heilung gibt es nicht, sowieso muss man in den Kämpfen taktisch vorgehen, will man nicht rasant das Zeitliche segnen. Dann nämlich muss man am letzten Checkpoint beginnen, der meist den Anfang des Gebiets markiert, in dem man sich gerade befindet. Ein großes Ärgernis, weil dadurch sämtlicher Fortschritt bis zu diesem Zeitpunkt zurückgesetzt wird. Zum Glück habe ich noch alle drei Medipacks dabei und benutze sogleich eines, um meine Lebenspunkte wiederherzustellen.

Damit ich den immer größer und stärker werdenden Gegnermassen trotzen kann, sammele ich gelbe Würfel, die ich entweder von festgelegten Gegnern bei deren Ableben erhalte oder aber in zahlreichen versteckten Kisten finde. Vier Stück ergeben einen Erfahrungspunkt, den ich in der Stadt in neue Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenstände investiere. So lerne ich bespielweise beim Schwertmeister einen mächtigen Vorwärtsstoß, der durchschrittene Feinde aufschlitzt. Der Alchemist hingegen erhöht meine Medipack-Slots, der Pistolenfachmann die Munitionskapazität, der Itemhändler verkauft Granaten und der Bewegungstrainer lehrt mich Multidashes. Je mächtiger die Technik ist, desto teurer fallen die Kosten aus; maximal muss ich drei Erfahrungspunkte hergeben. Aber das ist es wert: Wenn ich mich mit meinen frisch erlernten Schwerttechniken in Gegnerwellen stürze und sie in feinster Hack’n’Slash-Manier auseinandernehme, kann ich ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken. Ist der letzte Feind besiegt, wirbelt die Spielfigur ihr Schwert durch die Luft und rammt es anschließend in den Boden.

Fesselnde Geheimnisse

Die Kampfpassagen wechseln sich mit Rätsel- und Geschicklichkeitseinlagen ab. Beispielsweise muss ich an einer Stelle zum richtigen Zeitpunkt an patrouillierenden Steinen vorbeihuschen, damit sie mich nicht zerquetschen. Und dann sind da ja auch noch die zahlreichen versteckten Objekte: Bin ich zu Beginn noch gemächlich durch die Gegend spaziert, drehe ich inzwischen jegliche Steine zweimal um, blicke um jede Ecke, versuche mich an allen machbar erscheinenden Sprüngen und schlage sämtliche Objekte in Trümmer. Denn überall können sie sein, die wertvollen Schlüssel, merkwürdigen Steintafeln und seltsam violett pulsierenden Säulen. Nachdem ich eine an der Spitze des Berges aktiviert hatte, begann auf dem Marktplatz eines der Dreiecke ebenfalls zu leuchten. Was hat das zu bedeuten? Spielt der Hund mit dem schimmernden Kopf eine Rolle, der hier zusammen mit diesem anderen Krieger herumläuft? Oder geht es um die Riesen? Die Schatten? Und was ist mit den vier Bossen, von denen jeweils einer in jeder Himmelsrichtung wacht? Auch nach mehreren Stunden Spielzeit beantworten sich diese Fragen nur teilweise. Aber gerade das zeichnet die stimmungsvolle Geschichte aus.

Bald schon werde ich mich zum nördlichen Boss aufmachen; ein Wanderer hat mir seinen Aufenthaltsort verraten. Davor teleportiere ich mich aber noch einmal in die Stadt, um mich vorzubereiten. Denn so viel sei verraten: Diese Duelle sind nicht zu unterschätzen. Doch wer stilsichere Pixeloptik, actionreiche Kämpfe und stimmungsvolle Welten schätzt, sollte ohnehin nicht um sie herum kommen.

Den Beitrag Hyper Light Drifter – Gemetzel im idyllischen Pixelmysterium auf SPIELGEFUEHL lesen.


fyyd: Podcast Search Engine
share








 April 4, 2016  8m