Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0423: Gefährliche Filmklischees


Natürlich sollte man nicht alles glauben, was man in Filmen so sieht. Meine Karriere als 10-jähriger Superheld z.B. ist ein eher peinliches Kapitel aus meiner Biografie. Bestimmte Klischees können aber sogar gefährlich werden, wenn man denkt, sie hätten etwas mit der Realität zu tun. Hier sechs Beispiele.

Download der Episode hier.
Opener: „Deadpool | ‘Superhero Landing‘“ von 20th Century Fox UK
Closer: „Stargate Macgyver Gag“ von zeerow007
Musik: „Shark“ von JoostVD / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Deadpool aus dem Opener hat recht. Superhelden rollen sich nicht mehr ab. Das ist wohl unschick. Super-Wastl hat’s gekonnt, Kung Fu Caine auch und der Adam-West-Batman. Es wird in allen Kampfkunstschulen der Welt gelehrt und jeder Fallschirmspringer kann es. Aber nein, heutige Superhelden landen auf einem Fuß und einer Hand, gehen tief ins Knie und strecken das andere Bein dynamisch weit von sich. Ist wohl cool. Aber, und auch hier hat Deadpool recht, echt ungesund. Kann man nicht für Höhen empfehlen, die die Bettkante überschreiten. Und im Schlafanzug ist das nicht mehr so richtig cool…

Und damit wären wir schon beim Thema. Superhero Landing ist nur das modernste, gefährliche Filmklischee. In Wirklichkeit beschreibt Hollywood wohl eine alternative Dimension. Denn es ist voller Tropes, die im echten Leben so wohl eher nicht so richtig gut sind. Sondern sogar gefährlich. Fangen wir mit dem wichtigsten an:

Eins: Kuss des Lebens
In Hollywood ein magisches Mittel, um noch nach Minuten Scheintote wieder ins Leben zu blasen. Wenn der Herzschlag aussetzt, dann geht’s erst einmal an den lebensrettenden Kuss. Notfalldienste gehen davon aus, dass Menschen im Ernstfall so sleten helfen, weil sie sich vor der Mund-zu-Mund-Beatmung ekeln. Dabei wird die heute Führerscheinneulingen schon gar nicht mehr gelehrt. Weil die Herzmassage viel wichtiger ist.

Wenn man also jemanden umfallen sieht und derjenige hat keinen Puls – fühlbar am Hals – dann muss man nicht die Lungen aufblasen. Das kann man, wenn man zu zweit ist und beide wissen, was zu tun ist. Man ruft erst einmal den Notarzt und dann folgt die Herzmassage. Mit beiden Händen den Brustkorb in der Mitte fest drücken. Fest! Und 100 Mal in der Minute wäre gut.

Denn, wenn das Blut nicht weiter zirkuliert, dann kann man den Bewusstlosen aufblasen wie einen Ballon, er ist trotzdem tot. Nach drei Minuten. Und wenn, gerade bei Älteren eine Rippe oder das Brustbein brechen, dann ist das auch kein Problem. Ein Problem vielleicht schon, aber besser als tot. Und niemand, wirklich niemand, wird einen deswegen verklagen. Wohingegen unterlassene Hilfestellung durchaus ein Straftatbestand ist.

Zwei: Wie eiskalt ist Dein Händchen
Angenommen man hat sich beim Zwiebelschneiden mal wieder die fünf Finger der Halte-Hand abgeschnitten. Und hat zu viele Filme gesehen. Dann packt man die abgetrennten Grabscher ins Tiefkühlfach oder in einen Beutel mit Eiswürfel und ruft seelenruhig den Notarzt.

Falsch, ganz falsch. Denn Tiefkühlen tötet. Und zwar lebendiges Gewebe ab. Wenn man z.B. seinen Hamster an seine Kinder vererben will, dann muss man das gleich machen. Packt man ihn in die TK, um ihn 15 Jahre später zur Konfirmation wieder aufzutauen, dann… …braucht man echt schnell eine neue Geschenkidee.

Also: Fingerchen sammeln, sanft abwaschen, in ein feuchtes, möglich sauberes Tuch, dann in eine Plastiktüte und dann in einen Beutel mit Eiswasser, das wäre der bessere Rat.

Drei: Das muss raus!
Egal, ob es giftige Pfeile sind oder Messer, Stahlträger oder Kugeln. In Hollywood gilt immer eines: Der Fremdkörper muss raus! Also beißt der Mann von heute tapfer in seinen Designer-Gürtel, während die Helfer mit ihren Händen den Unterleib nach Patronen durchsuchen.

Das ist auch ein ganz, ganz schlechter Ratschlag. Und ich verstehe den Grund auch gar nicht. Ist das wegen der etwaigen Infektionsgefahr? Wirklich? Im Zeitalter der Anti-Biotika? Abgesehen davon ist so eine Kugel absolut steril. Die wird beim Abschuss ultrahocherhitzt. Da ist kein Pulver mehr dran und auch kein einziger frecher Keim.

Es kann gut möglich sein, dass das Messer eine lebenswichtige Arterie durchtrennt hat und diese aber gerade selber abschließt. Wenn man’s rauszieht, dann beginnt der Anfang vom Ende.

Fremdkörper nie entfernen! Notarzt rufen! Und auch der wird das nicht rausziehen, ohne vorher allerwenigstens ein Röntgenbild gemacht zu haben.

Vier: Die Raserei der Entbindung
Die werdende Mama klagt plötzlich über feuchte Füße. Und stellt meist selber die Diagnose: „Meine Fruchtblase ist geplatzt!“ Schon beginnt die wilde Hatz. Das Wettrennen ins nächste Krankenhaus. Unfreundliche Taxifahrer werden zu greinenden Formel-1-Fahrern, der Polizist eskortiert die Erstgebärende mit Sirene und Blaulicht.

Was alles Sinn machen würde, wenn Hollywoods Filme im australischen Outback spielen würden. Klar, es stimmt schon: Sollte die Fruchtblase platzen, was aber nicht der häufigste Beginn ist, dann setzen die Wehen ein. Point of no return. Als Erstgebärende hat man jetzt noch bequeme 13 Stunden Zeit, bevor man Mama ist. Kein Grund zur Panik.

Bonus-Klischee zum Thema: Die Hebamme, die ich bei der Geburt meines Sohnes fragte, sagte, dass sie es noch nie – n.i.e. – erlebt hätte, dass die Mutter – wohl zur Entspannung – den Vater mit fiesen Beleidigungen überhäuft.

Fünf: Buddha sinks
Der Held stürzt mit seinem Auto in einen Fluss, einen See oder gar das wilde Meer. Das Auto sinkt. Es füllt sich mit Wasser. Stoisch wartet er bis das Auto mit Wasser gefüllt ist. Denn erst wenn der Außendruck und der Innendruck der gleiche sind, lässt sich die Tür öffnen.

Wenn man also wirklich die innere Ruhe eines Zen-Meisterchens hat und die drei Minuten warten will, bis man wirklich keine Luft mehr zum Atmen hat, bitte.
Blöd, dass man dann halt am Grunde des Meeres ist und nicht mehr auftauchen kann.

Alle kompetenten Quellen zu diesem Thema raten: Fenster aufmachen, so schnell wie möglich raus. Wenn die Elektrik nicht mehr funktioniert und die Fensterheber versagen, dann Fenster aufbrechen. Mit einem spitzen Metallgegenstand am besten. Ein Notfallhammer, wie im Zug, wäre ideal. Aber alles Metallische kann helfen. Schaltknüppel, Sicherheits-Schloß, Gürtel um die Hand gewickelt. Wenn in der Kabine noch Luft ist, kann man’s im Zweifel noch mit der Faust versuchen. Was zum nächsten Punkt überleitet…

Sechs: Hau’ den Hai
Wenn der große weiße Hai auf Dich zuschwimmt, dann bleib’ cool! Und dann haust Du ihm vorne volle Umme auf die Nase. Schon ist der Hai gebändigt, zieht den Schwanz ein, verdrückt ein Tränchen und sucht traumatisiert das Weite. So geht das in Actionfilmen.

Ist aber gar kein guter Tipp. Aus mehreren Gründen: Unter Wasser hauen ist selbst für durchtrainierte Schwergewichtsboxer keine leichte Sache. Denn zwischen der Nase des Hais und der Faust ist halt viel… na ja… Wasser.

Zweitens wollen Haie in der Regel gar nichts von einem. Die Profitipps sind: Nicht wegschwimmen, man hat eh’ keine Chance. Augenkontakt ist gut. Nicht berühren! Die meisten Verletzungen bei Haibegegnungen stammen von der rauhen Haihaut. Kamera oder anderes entgegenhalten.

Sollte er trotzdem zubeißen, dann sind die Augen und die Kiemen die richtigen Ziele zum Stechen, Reissen oder Hauen. Aber dann ist man schon eine coole Sau…

Das wären die sechs gefährlichsten Filmklischees. Aber es gibt noch mehr. Ich rate z.B. beim Sturz aus großer Höhe nicht auf den Müllcontainer zu zielen. Und weder eine Tür noch ein Tisch schützen vor modernen Kalibern. Radioaktiv verseuchte Tiere verleihen keine Superkräfte. Kermit und Miss Piggy werden nie befriedigenden Sex haben. Wenn Dir jemanden eine rote oder eine blaue Pille anbietet und Du kennst den nicht wirklich gut: Nimm keine davon! Nicht alle Schwulen kennen sich mit Mode aus. Batman ist eigentlich ein paranoider Soziopath…


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 April 14, 2016  13m