Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0331: Lasst uns aussterben!


Ich habe jetzt schon zwei Mal in meinem Leben erlebt, wie die angebliche Maximalzahl an Menschen, die der Planet angeblich ernähren kann, gerissen wurde. Aber klar sind wir echt viele Menschen für die Umwelt. Wäre es nicht besser, wir würden einfach aussterben? Das sollte man einmal diskutieren. Und zwar am Beispiel der radikalen Bewegung „VHEMT“.

Download der Episode hier.
Die große Explikator-Umfrage! Bitte mitmachen!
Opener: „Thank You For Not Breeding – a short film by Nina Paley“ von Albert Kaufman
Closer: „The Lonely Dodo“ von Durrell Wildlife Conservation Trust
Musik: „Christian Mess“ von ΑΛΓ / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Kennt ihr auch diesen Cartoon mit der erkrankten Erde? Fieberthermometer im Mund, Schal umgewickelt. Die von einem anderen Planeten gefragt wird, was sie denn hat?
„Na ja, Menschen“ – „Ach, das kenn’ ich! Das geht bald vorbei!“

Sind wir Menschen das eigentliche Problem für den Planeten? Weil wir so verdammt viele sind? Es stimmt schon, Biber verschütten kein Erdöl im Ozean, Eichhörnchen rotten nicht die Wale aus, der Mehlwurm neigt nicht dazu Braunkohle abzubauen, Pandabären pupsen kein Plutonium und Katzenbabies sind einfach süß.

Wäre es also besser für die fiebrige Erde, wir würden freiwillig aussterben? Das denken zumindest die Anhänger des „Voluntary Human Extinction Movements“ – der „Bewegung zum freiwilligen Aussterben der Menschheit.“ Abgekürzt: VHEMT, was man ungefähr „vehement“ ausspricht.

Deren kurzes und knackiges Motto lautet einfach: „Live long and die out!“ Lebe lange und stirb’ dann aus. Gegründet wurde diese Bewegung 1991 von Les U. Knight. Und das sieht man der Website auch an. Sorry, nur meine Meinung als Grafiker.

Was aber nichts daran ändert, dass hier gute Argumente zu finden sind. Und die Bewegung nicht so drastisch ist, wie z.B. die „Church of Euthanasia“ des Reverend Chris Korda. Der hat von einer außerirdischen Intelligenz namens „The Being“ den Auftrag bekommen, die Menschheit auszurotten. Mittel der Wahl sind hier aber Selbstmord und Kannibalismus. Wahrscheinlich wird das nie eine große Volkskirche, denke ich.

Denn eigentlich geht es VHEMT nur darum, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, sich nicht fortzupflanzen. Je schneller die menschliche Bevölkerung abnimmt, desto schneller kann der Planet sich selber heilen. Ganz einfach und ganz logisch. Wirft aber viele Fragen auf.

Die Website von ist darum auch nichts anderes als eine große „Frequently Asked Questions“-Seite. Und es werden viele Fragen beantwortet.

„Was ist die Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit?“

VHEMT (The Voluntary Human Extinction Movement; ausgesprochen “vehement”) ist eine Bewegung, keine Organisation; eine Bewegung von Menschen, die sich um das Leben auf dem Planeten Erde sorgt. Wir sind nicht nur ein Haufen Menschenhasser und Asozialer, die morbide Freude empfinden, wann immer ein Unglück passiert, nichts könnte ferner von der Wahrheit sein! Das freiwillige Aussterben der Menschheit ist die menschliche Alternative zu unmenschlichen Katastrophen.

Wir wollen nicht darüber reden, wie sich die menschliche Rasse als ein gieriger, unmoralischer Parasit auf dem einst gesunden Antlitz dieses Planeten entpuppt hat. Diese Art des negativen Denkens bringt nämlich keine Lösung für die unzählbaren Probleme, die menschliche Aktivitäten verursachen.

Stattdessen zeigt die Bewegung eine ermutigende Alternative zu der gnadenlosen Ausbeutung und grenzenlosen Zerstörung der Ökologie der Erde auf.

Wie VHEMT-Freiwillige wissen, gibt es eine hoffnungsvolle Alternative zur Zerstörung von Millionen, wenn nicht Milliarden von Tier- und Pflanzenarten: die Zerstörung einer einzigen Art, den Homo sapiens. Uns.

Jedes mal, wenn ein weiterer von uns beschließt, nicht noch einen weiteren von uns zu den erdrückenden Milliarden hinzuzufügen, die sich bereits auf diesem geplünderten Planeten drängen, scheint ein weiterer Strahl der Hoffnung durch die Dunkelheit.

Wenn jeder Mensch beschlösse, sich nicht zu vermehren, könnte die Biosphäre der Erde zu ihrer früheren Größe zurückfinden, und alle anderen Lebewesen wären frei zu leben, zu sterben, sich weiterzuentwickeln (wenn sie an die Evolution glauben) und vielleicht auch auszusterben, wie es so viele der “Experimente” von Mutter Natur in den Jahrmillionen vor uns taten.

„Mögt ihr denn keine Babies?“

VHMET-Freiwillige mögen Babys genauso sehr (oder genauso wenig) wie jeder andere. “Babys haben” ist auch gar nicht so sehr das Problem – Erwachsene haben ist es, das Probleme bereitet. Der ökologische Einfluß von Wegwerfwindeln ist sicher beträchtlich, aber wir sind länger erwachsen, als wir Kinder sind.

Die Fürsorge für Menschenkinder wird sich verbessern, wenn es weniger von ihnen gibt, für die gesorgt werden muß. Wenn wir über die Welt nachdenken, die wir den zukünftigen Generationen hinterlassen, mutet Fortpflanzung heute an wie die Vermietung von Zimmern in einem brennenden Haus.

Durch die Entscheidung, nicht noch einen weiteren von uns zu zeugen, zeigen Freiwillige eine tiefe Liebe für das Leben.

„Ich bin besonders intelligent. Sollte ich meine Gene nicht weitergeben?“

Angesichts der 40.000 Kinder, die täglich an Unterernährung sterben, und angesichts der Anzahl von Tier- und Pflanzenarten, die infolge unserer maßlosen Vermehrung aussterben – denken Sie, daß es eine gute Idee wäre, noch jemanden wie Sie in die Welt zu setzen?

Und viele, viele Fragen mehr.

Sollen wir uns alle umbringen? Nein.
Ist das wieder so ein Selbstmordkult? Nein.
Hatte Hitler nicht die gleichen Ideen? Nein?
Wenn es einen magischen Knopf zur Auslöschung gäbe, würdet ihr den drücken? Nein.

Und, die Antwort auf die am häufigsten gestellte Frage:
„Warum bringt ihr euch nicht einfach selbst um?“

Tja. Interessantes Konzept, oder? Und es sind intelligente Leute, die da antworten. Wenn ihr also junge Menschen seid, die sich dauernd rechtfertigen müssen, warum sie keine Kinder bekommen – dann könnt ihr hier Argumente finden. Und Omi das Ganze mit einem hehren, selbstlosen Motiv erklären.

Derweil müssen aber jetzt, genau jetzt, Antworten auf drängende Fragen gefunden werden. Denn jetzt, genau jetzt, müssen wir 7,3 Milliarden Menschen gerecht ernähren, die ein Recht auf Leben haben. Wie auch der Biber, das Eichhörnchen und der Mehlwurm.

„Überbevölkerung“ ist ein alter Kampfbegriff aus den düsteren Zeiten des Imperialismus. Denn zu viele Babies haben immer nur die anderen. Die Dummen, die Armen und die Kranken. Der Planet leidet nicht an zu vielen Menschen – daran auch – er leidet an unserem Raubtierkapitalismus und daran dass wir hier, in den entwickelten Ländern weit über unsere Ressourcen leben.

Keine Babies zu bekommen ist keine Antwort, die unser drängendstes Problem beantwortet, nämlich den Klimawandel. Das müssen wir 7,3 Milliarden Menschen jetzt, genau jetzt, lösen.

Und dass die Weltbevölkerung abnimmt, das werden wir alle hoffentlich noch erleben. Denn schon seit Jahren gebären die Frauen der Welt zusammengenommen, weniger Babies als zu Arterhaltung nötig. Keine Babies zu bekommen hilft. Aber nicht genug.


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 November 24, 2015  12m