Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

https://morgenradio.de

subscribe
share






Expl0303: Hölle, Hölle, Hölle!


Wer hat Angst vor dem Teufel? Neulich erst von einem aufgeklärten Menschen in einem Podcast gehört: Da war diese kurze Unsicherheit beim Kirchenaustritt, ob man denn jetzt nicht doch in die Hölle komme. Dabei ist dieses ganze Konzept nicht einmal richtig biblisch. Und christlich schon gar nicht.

Download der Episode hier.
Opener: „8 minutes in Hell.“ von endofsociety
Closer: „Welcome to Hell, who gives a shit?“ von INTRUDER
Musik: „You’re In Heaven And I’m In Hell“ von Rogier van den Brink / CC BY 3.0

+Skript zur Sendung
Die schrecklichen Geräusche aus dem Opener stammen aus einem schrecklichen Video, dass ich auf der schrecklichen Website einer schrecklichen fundamentalistischen Vereinigung gefunden habe. Die Damen und Herren von Catholic Saints Dot Net bebildern damit ihre Vorstellung von der Hölle.

Ich habe ja sieben Jahre lang Konfirmanden Unterricht gegeben und dabei in drei Jahrgängen hintereinander beim Abstimmen eine deutliche Mehrheit für die Existenz der Hölle bekommen. Und die Konfis sind nicht dumm, keineswegs! „Laut der European Values Study glaubte im Jahr 1999 ein knappes Drittel der rund 40.000 befragten Europäer an die Existenz einer Hölle.“ Sagt die Wikipedia. Und kann man anklicken und selber prüfen.

Es ist aber auch ein Konzept, dass so schön einfach ist.

Wir leben als Menschen unser Leben. Der liebe Gott hat uns in seinem Standardwerk, der Bibel genau gesagt, was gut ist und was böse. Und wir haben jetzt den freien Willen brav zu sein oder ungezogen. Der liebe Gott, der ja bekanntlich alles sieht, hört und auch riecht, schreibt während unseres Lebens alles in sein goldenes Buch. Und wenn man dann nach dem Tod ins Paradies will, dann werden die Tabellen ausgewertet.

Und wenn man dann Pech hat, dann war es genau dieses eine Mal, als man seinem Banknachbarn das Duplo aus der Brotzeitbox geklaut hat, dass dazu führt, dass einen der ‘liebe’ Gott, der Allbarmherzige, die verkörperte Liebe für ewig in der Hölle brennen lässt. Merkt ihr selbst, oder?

Wie ich auf das Beispiel mit dem Duplo gekommen bin? Weiß auch nicht, ist mir so zugeflogen…

So oder so ähnlich wurde das ja auch tatsächlich lange Zeit in christlichen Kirchen gelehrt, da kann man sich nichts schönreden. Und zwar egal, in welcher Geschmacksrichtung. Und so oder so ähnlich denken auch viele heute noch, sei das festes Lehrgut der christlichen Kirchen.

Doch man kann guten Gewissen ein moderner Katholik oder Protestant sein, ohne an die Hölle zu glauben. Klar, sowohl Papst Johannes Paul II oder aber unser deutsche Papst Benedikt XVI bestehen auf die Existenz der Hölle.

Doch die sind beide ein bisschen hintendran.

Denn auch die Beweislage für die Hölle ist äußerst dünn.

Man braucht das Buch mit Namen Bibel nur in die Hand nehmen und ein bisserl recherchieren, dann wird das Konzept sehr dünn. Es ist eher so, dass wir beim Übersetzen die Hölle in das Buch geschrieben haben. Weil es ja auch nicht gerade einfach ist, mit all diesen verflixten Fremdsprachen.
Nehmen wir dies Schriften, die wir Christen frech Altes Testament nennen und die Juden Torah, dann finden wir da keine Hölle. Das ist wichtig, denn Jesus Christus war Jude.

Was wir da finden, ist das Sheol. Und auch das finden wir nicht gerade üppig, denn im Prinzip ist dem Judentum das Leben nach dem Tode schnuppe. Nicht, dass es diese Vorstellungen nicht gäbe, aber im Kern geht es darum, im Leben gerecht zu sein. Nicht so wichtig, aber dieses Sheol schauen wir uns ‘mal an.

Denn da passiert eigentlich genau… Nichts. Gar nichts. „Kein Tun ist, noch Berechnung, noch Erkenntnis, noch Weisheit im Sheol, wohin du gehen musst“ (Pred. 9,10) oder „Der Herr tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und führt herauf“ (1. Samuel 2,6). Das ist schon alles. Im Prinzip hat man im Judentum die Vorstellung vom Hades integriert. Was ja ein ausgesprochen langweiliger Ort ist. Luther übersetzt Sheol meistens einfach mit Hölle, oder auch ‘mal – zur Abwechslung – mit Totenreich.

Weil das Neue Testament nun in Griechisch geschrieben wurde, finden wir da auch einen Hades. Sozusagen das griechische Wort fü Sheol. Auch das übersetzt Luther mit Hades.

Und dann gibt es im Neuen Testament noch dieses Gehenna. Das Jesus in den Mund gelegt wurde. Ja, genau, in den Mund gelegt wurde. Da sind sich katholische und evangelische Bibelausleger – die Exegeten – schon länger einig.

Das ist nun eine Ortsangabe in der Nähe von Jerusalem. Nicht unter der Erde, nicht im Leben nach dem Tode. Gehenna ist das Tal des Hennom. Laut Alten Testament wurden da dem Gott Moloch Kinder geopfert. Zu Zeiten Jesus war es eine Mülldeponie. Forscher sind sich nicht einig, ob da Leichen entsorgt wurden, in dem man sie verbrannte oder nicht. Beweise gibt es für beide Hypothesen nicht.

Und wenn Jesus also nun droht, die Menschen, die Gott ferne leben, werden in Gehenna landen, also auf der Mülldeponie, dann hat das einen anderen Charakter als Hölle, oder?

War aber Luther wurst. Der hat Gehenna immer mit Hölle übersetzt. Stimmt nicht, einmal mit höllisch, aber das ist ja dasselbe in Rot.

Dabei war den frühen Christen diese Vorstellung fremd. Denn bis vierzig Jahre nach Jesu Tod war das Christentum eine jüdische Sekte. Bestenfalls. Eine pharisäische noch dazu, aber so tief wollen wir hier nicht gehen.

Und erst im zweiten Jahrhundert begann eine Schrift zu kursieren, die bald recht populär war. Es war die sogenannte Offenbarung des Petrus. Man glaubte, der Apostel Petrus hätte die geschrieben. Und die suhlt sich in den Vorstellungen von der Hölle, die wir heute so ähnlich kennen.

Trotzdem waren sich die frühen Kirchenväter in keinster Weise einig, dass es eine Hölle gäbe.

Als das Christentum auf dem Weg war, die staatstragende Religion im Römischen Reich zu werden, war das in keinster Weise ausdiskutiert. Einige Kirchenväter vertraten die sogenannte Allaussöhnung. Und das durfte man gut und gerne glauben, bis Kaiser Justinian sich selber einmischte und Origenes zum Ketzer stempeln ließ.

Denn mit der Angst vor der Hölle lässt sich halt einfach prima herrschen. Wo kämen wir denn da hin, wenn alle ins Paradies kommen? Dann macht doch jeder, was er will! Pure Anarchie!

Wenn Du das Auto Deines Nachbarn begehrst, oder von mir aus sein Kamel oder seine Frau oder seinen Lebenspartner, dann nimmst Du Dir das einfach. Wenn Du’s dann nicht mehr brauchst, stellst Du’s zurück und bereust Deine Sünden – fertig!

So haben wir nicht gewettet. Ihr geht alle in die Hölle! Wenn ihr nicht brav seid! Nur 144.000 Gerechte, die schaffen’s ins Paradeis. Aber die waren auch so lieb, dass könnt ihr euch gar nicht vorstellen! Da müsst ihr euch schon anstrengen!

Und weil das der Stand der Dinge war, als Luther die Bibel übersetzte, haben wir den Quatsch immer noch an der Backe. Dabei geht’s kaum unlogischer! Nicht nur, dass Gott laut Bibel das Konzept der Liebe in Reinform ist – Zitat – und allgnädig und allbarmherzig.

Nein, in der gleichen Zeit bastelt man auch das Konzept vom Sühnetod. Jesus ist für all’ unsere Sünden gestorben. Danke, kann man da nur sagen. Aber was war’s wert, jetzt, wo ich auf ewig in der Hölle schmore? Hmm?

Da bleib ich doch lieber gleich Heide! Da kann ich dann wenigstens noch ein bisschen feiern!

Die theologische Konstruktion mit dem Namen Hölle macht aus der Schöpfung ein Labor und den Menschen zum Versuchskaninchen. Und aus Gott einen sadistischen Experimentator. Biblisch gesehen und auch aus dem Geist des Christentums gibt es keinen Grund, diese Idee weiter zu denken.

Und darum tun das ja auch die meisten Christen nicht mehr.
Werden die da oben irgendwann auch bemerken…


fyyd: Podcast Search Engine
share








 October 13, 2015  13m