Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0268: Stadt oder Land?


In die Stadt zurück zu ziehen, war für mich wie wieder nach Hause kommen. Jetzt sind es gleich drei Jahre und bestimmte, kleine – gaaanz kleine – Dinge beginnen mich schon wieder zu stören. Auch wenn meine Lust an der Stadt sicher noch länger hält, es gibt auch ein paar Argumente für das Leben auf dem Land.

Download der Episode hier.
Opener & Closer: „Classic Sesame Street – Life In The Country And The City“ von BipBippadotta
Musik: „Fade Your Heart“ von Val Davis / CC BY-NC-ND 3.0

+Skript zur Sendung
Vor drei Jahren sind wir vom Land zurück gezogen in die Stadt. Für mich war das die richtige Entscheidung. Aber das dachte ich umgekehrt vor 19 Jahren auch, als wir auf’s Land gezogen sind.
Was ist jetzt also der bessere Lebensstil? Bitte diskutieren!

Ach, diese Landluft! Und diese Ruhe! Ihr in der Stadt mit eurem ständigen Verkehr und eurer Luftverschmutzung. Überall diese Autos und dann dieser Smog! In einer Studie des Kings College London aus diesem Jahr vermuten die Wissenschaftler, dass alleine in London 10.000 Menschen im Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung sterben! Und schuld hat das NO2. Hier kein Thema!

Klar, die Autos sind ein Problem. Darum haben viele Leute in der Stadt ja auch keines. Denn das braucht es hier gar nicht. Ihr auf dem Land aber, ihr habt alle Autos. Und, wenn’s geht, für jeden in der Familie mit Führerschein ein eigenes. Denn das braucht ihr. Um in die Stadt zu fahren z.B. Zum Shoppen, ins Theater und am allermeisten: In die Arbeit. Unser Smog ist also eure Schuld.

Und die Tiere! Hier am Land können Kinder halt noch wirklich Tiere kennenlernen. Überall Kühe, Schafe und Pferde. Und Tierhaltung, mal ganz ehrlich, die macht ja nur hier Sinn. Ein Hund braucht seinen Auslauf und die Katze ihr Revier. Die Haustiere in der Stadt sind doch alle neurotisch!

Stimmt schon. Aber lass’ uns nicht ganz der anderen Tiere vergessen, die sich da so tummeln. Wie Wespen, Mücken, Zecken, Fliegen oder gar Marder, die euch die Autos zernagen. Das ist hier alles kein Problem. Man kann hier auch nachts das Licht anhaben und lüften, ohne am nächsten Morgen wie ein Streuselkuchen aufzuwachen.

Aber in der Stadt, da werden doch in Wirklichkeit alle komisch. Wenn man in einer Stadt lebt, dann erhöht sich das das Risiko eine Angststörung zu entwickeln, sofort um 21%. Die Wahrscheinlichkeit schizophren zu werden, verdoppelt sich sogar. Das ganze Gehirn lebt mehr in Angst, dass haben Forscher vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim 2011 mit Hirnscans belegen können.

O.k., das kann schon sein. Aber dafür bringen wir uns nicht um! Und selbst, wenn wir es versuchen, dann überleben wir’s eher. Das ist eine weltweite Beobachtung. Die Selbstmordrate bei Jugendlichen ist durchschnittlich doppelt so hoch wie in der Stadt. Und auch bei Erwachsenen liegt sie signifikant höher. Noch dazu erschießt man sich am Land eher, denn Pistolen und Gewehre, die gibt’s nur bei euch am Land. Wo die Jäger und die Schützenvereine sitzen.

Und dann die Gewalt in der Stadt, die Kriminalität, die Einbrüche. Auch das übrigens eine weltweite Beobachtung: Je größer die Stadt, desto größer ist die Kriminalität. Egal ob Diebstahl, Raub, Einbruch oder Drogen, das sind alles Dinge, die nur in der Stadt passieren. Ist das das richtige Umfeld, um Kinder groß zu ziehen?

Na ja, mir ist’s lieber, mein Kind wird einmal ausgeraubt oder beklaut, als dass es sich mit dem Auto um einen Baumstamm wickelt. Denn bei Autounfällen sterben, das macht man am Land. Da rasen die Jugendlichen betrunken durch die Landschaft. Denn Autofahren, das müssen sie da ja auch. Hier kriegt man, selbst wenn wirklich gar kein öffentlicher Nahverkehr ist, in fünf Minuten überall ein Taxi. Das mit dem Verkehrstod ist auch ein weltweiter Trend. In den USA z.B. ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Verkehrsunfall zu sterben auf dem Land 40 Mal höher als in der Stadt!

Was ich ja auch so am Landleben mag, das ist mein kleiner Garten. Wisst ihr in der Stadt eigentlich, was das ist, frisches, selbst angebautes Gemüse? Oder habt ihr eigentlich überhaupt die leiseste Vorstellung davon, wie Tomaten eigentlich schmecken sollten? Meine sind gerade reif, willste ‘mal probieren?

Das ist nett, danke! Aber wenn Du so schwärmst, da krieg’ ich ja richtig Hunger. Aber mein Kühlschrank ist leer. Und in den Supermarkt möchte ich jetzt auch nicht mehr. Gehe ich halt schnell etwas essen. Wo möchte ich den hingehen? Auf was hätte ich Lust? Und weiter weg als fünf Minuten sollte es auch nicht sein. Mist, da bleibt ja nur die Auswahl zwischen afrikanischer, koreanischer, vietnamesischer, israelischer und indischer Küche. Oder ich schaue bei der Nudelküche vorbei. Oder kauf’ ich mir ein Burrito? Oder doch nebenan einen Burger? Weil, an der Pizza von der Pizzeria hier im Haus, da habe ich mich schon total überfressen.

Schon gut, Du Metropolit. Dafür können hier die Kinder in der Natur spielen, hier hat’s Bäche, Wald gleich hinter dem Haus und viel Platz. Selbst auf der Straße Fußball spielen können sie, denn da haben die Leute Verständnis und sie werden nicht gleich platt gefahren.

Komisch, bei all den Muttis und Vatis, die ihre Sprösslinge vom Fußballverein in dem einen Dorf zum Klavierunterricht im nächsten Dorf fahren. Oder zum organisierten Spielenachmittag beim Lieblingsklassenkameraden. Der halt leider dreißig Kilometer weit weg wohnt. Was für ein Einzugsgebiet hat euer Gymnasium noch einmal? Das einzige im Umkreis von fünfzig Kilometern? Wann müssen Deine Kinder zum Bus? Um halb sieben? Auweh. Weißt Du, warum das hier Ballungsraum heißt? Hier hat z.B. jedes Viertel sein Gymnasium. Und da können die Kinder hingehen und müssen nicht von Mama oder Papa gebracht werden. Und der Klassenkamerad, der kommt natürlich aus dem gleichen Viertel…

Hoffnungslos. Wahrscheinlich weil ein Naturmuffel warst, bist und bleibst. Du hast halt nichts übrig für Wandern oder Skifahren. Hier hinter unserem Haus startet z.B. gleich eine Loipe. Da kannst Du stundenlang Skifahren ohne zweimal am gleichen Ort vorbeizukommen. Aber Du könntest natürlich auch Mountainbiken, Joggen in der Natur oder, wenn Dir danach ist, Reiten. Alles praktisch von der Haustür weg!

Ja, das ist schon cool. Die Ampeln stören schon beim Joggen. Aber dafür habe ich hier Kinos, Theater, Kleinkunst, Kabarett und Cabaret, Open Air Kino, Open Air Theater, wir haben sogar einen Strand in der Stadt. Und die lange Nacht der Museen. Und jedes Wochenende Konzerte, klassisch, Rock, Pop oder meinetwegen Gothic Grunge Metal. Wann war eigentlich Dein geliebter Chick Korea das letzte Mal zum Gastspiel in eurem Vorstadtdorf?

O.k., o.k. Dafür kann ich hier, in meinen eigenen vier Wänden die Musik so laut machen, wie ich will. Und ich kann Feste feiern, wie’s mir Spaß macht!

Tja, genau! Diese Freiheit hast Du. Warum machst Du das dann eigentlich nie?

Ach, Du angeberischer Stadtbewohner!

Pöh, Du naives Landei!

An dieser Stelle beenden wir die Diskussion, denn das wird wohl nicht niveauvoller. Und, welche Erkenntnis nehmen wir mit? Äh, also, ich weiß selber nicht…


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 August 25, 2015  13m