Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0261: Tipps für junge Eltern


Ja, ich habe während der ersten Schwangerschaft meiner Frau Erziehungsratgeber gelesen. Und zwar zwei Stück. Und deren Aussagen waren so grundsätzlich verschieden, dass ich sie beide ignoriert habe. Weil es also nicht schon genug Erziehungsratgeber gibt, hier also ein paar Tipps vom Profi!

Download der Episode hier.
Opener: If People Who Dislike Children Said What’s On Their Mind von BuzzFeedYellow
Closer: Melomans: “Baby On Board” von LosPhantoms
Background: “Buddy” – Composed and performed by Bensound / CC BY-NC-SA 3.0
Musik: What Is Love von Melanie Ungar / CC BY 3.0

+Skript zur Sendung
Es ist ja heutzutage nicht mehr selbstverständlich Kinder zu bekommen und sie groß zu ziehen. Die Herausforderungen in der modernen Gesellschaft werden für die Eltern, aber auch für die Kinder immer größer. Lange vorbei die Zeiten wo sich Hinz und Kunz planlos reproduzierten. Kinder zu haben ist heute eine große Aufgabe und bedarf schon sehr früh einer umfangreichen Planung.

Als erfolgreicher Vater kann ich da heute aus dem Nähkästchen plaudern und ‘mal endlich offen und frei berichten, wie wir die zwei besten Kinder der Welt groß gezogen haben.
Denn vieles hat sich geändert.

Die Planung
Eine erfolgreiche Schwangerschaft beginnt mit der Auswahl des richtigen Reproduktionspartners. Folgt also bei der Auswahl ruhig den Tipps, die die besseren Datingportale so geben. Matching-Points von Parship sind vielsagender und sicherlich wissenschaftlicher als vage Emotionen oder die Wirkung von Pheromonen.

Es zeugt von Weitsicht und Intelligenz – und ist deswegen extrem sexy – vom zukünftigen Partner beim ersten Date wichtige Informationen zu bekommen. Wie z.b. polizeiliches Führungszeugnis, Kontoauszüge, die letzten drei Steuererklärungen, großes Blutbild und Fertilitätsnachweis. Und was könnte romantischer sein, als dann bei einem Glas Apfelschorle schon einmal den Antrag für die Kita auszufüllen?

Das Geschlecht
Die Schwangerschaft ist gerade ein paar Wochen alt, da müssen sich die jungen Eltern fragen: Wollen wir das Geschlecht des Kindes überhaupt wissen? Das ist eine berechtigte Frage, die ohne Emotionen diskutiert werden sollte.

Um zu gewährleisten, dass das Geschlecht nicht aus Versehen bekannt wird, empfiehlt es sich, einfach die Windel, mit der das Kind aus dem Krankenhaus geliefert wird, niemals zu wechseln.

Wir leben in einer grausam gegenderten Welt. Nicht nur Taschentücher, Wattestäbchen oder Ü-Eier sind heute in männliche oder weibliche Versionen getrennt, sondern auch Suspensorien oder Verhütungsmittel.

Wer seinem Kind diesem Druck nicht aussetzen will, tut gut daran, selber gar nicht zu wissen, welches Geschlecht das Kind hat. Das garantiert eine vorurteilsfreie Erziehung. Sollte sich das dann mit 13 Jahren nicht mehr verheimlichen lassen, interessiert sich das neutral erzogene Kind hoffentlich nicht mehr für Bob, den Baumeister oder Prinzessin Lillifee.

Der Nachtschlaf
Das Schlafen ist ein zentrales Thema in jungen Familien. Doch auch hier bietet die moderne Technologie Erleichterung. Denn es gibt mittlerweile sogenannte Baby-Monitore. Die kann man mit zwei, drei Handgriffen ans Bett schrauben. Lässt man da einen Disney-Film in Endlosschleife laufen, können auch die jungen Eltern mal durch schnaufen. Oder an die Planung von Kind 2.0 gehen.

Der Boden
Eine moderne Familie lebt mit seinem Baby natürlich am Boden. Die Fürsorge verlangt es, Unfälle möglichst zu meiden. Darum ist es ein gesunder Trend, dass junge Familien bei der Geburt ihres Kindes Stühle, Tische, Kommoden oder ähnliche Möbel, die eh’ nur den Erwachsenen nutzen, aus der Wohnung räumen. Waschen, Spielen, Wickeln, Essen, das tun intelligente Eltern heute am Boden.
Denn ein Kind, dass man gar nicht erst hochhebt, dass kann man auch nicht fallenlassen – ist doch logisch!

Nacktsein
Wichtig ist heutzutage auf jeden Fall zu verhindern, dass irgendwer in der Familie den anderen nackt sieht. Es gilt in der Erziehung das Gleiche wie in Fernsehen und Film: Rumbrüllen ist ok, Nippel sind aber immer verboten!
Und weil ja jeder Mann ein potentieller Pädophiler ist, der beim Anblick eines nackten Kindes jederzeit getriggert werden könnte, gilt auch für Freibad oder Garten: Niemals nackt!

Die Kita
Kinder brauchen, das hat die Psychologie belegt, feste Beziehungen in ihrem Leben. Darum ist es unerlässlich die Kleinen möglichst früh und möglichst lange in einer Kita anzumelden. Damit die kleine Maus oder der kleine Mäuserich gar nicht erst fälschlicherweise eine Beziehung zu Mutter oder Vater aufbaut, sondern sich direkt an das Kindertagesstättenpersonal gewöhnt.

Erste Pilotprojekte in verschiedenen deutschen Großstädten, wo die Kinder gleich aus dem Entbindungssaal in die Kita kommen und die Eltern bis zur Volljährigkeit nur an Weihnachten und Geburtstagen ein Foto gemailt bekommen, sind vielversprechend angelaufen.

Die Schule
Kaum hat die Kleine oder der Kleine gelernt, gerade zu gehen und beherrscht zwei Fremdsprachen, schon naht der wichtigste Tag im Leben eines Kindes: Das Übertrittszeugnis!
Sollte es in der Familie zu Anzeichen unterdurchschnittlicher Intelligenz gekommen sein, also z.B. CDU-Wähler, Raucher oder Podcaster in der Verwandtschaft sein, gilt es, schon früh finanzielle Reserven zu bilden. Denn nicht sagt so deutlich „2,33“ wie eine kostenlose Wellness-Reise nach Hawaii für die Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer.

Denn Bildung ist heutzutage einfach alles. Nur das Gymnasium kann gewährleisten, dass das Kind einmal so ein Leben führt wie seine Eltern. Auf Real- oder Hauptschule bestehen viele Gefahren! Zum einen ist das Lehrpersonal da pädagogisch ausgebildet und zum anderen könnte das Kind da am Schluss in einem erfüllenden, nicht entfremdeten Job als Handwerker landen.
Nein, nein – die wahre Arbeit ist so wie die von Mama oder Papa! 10 Stunden am Tag vor dem Rechner sitzen! Das dürfen wir unseren Kindern nicht vorenthalten!

Vertrauen ist gut…
…aber Kontrolle ist besser. Vorbei die Zeiten, als rücksichtslose Eltern ihre Kinder noch alleine auf den Schulweg geschickt haben! Soll ihr Kind kein Außenseiter werden, dann bringen sie es natürlich persönlich zur Schule. Und dank praktischer Software, die von besorgten Eltern bei der NSA und dem BND entwickelt wurde, wissen moderne Eltern zu jedem Zeitpunkt, wo ihr Kind ist. Und mit wem. Und was die da so reden natürlich auch.

Ach, noch ‘was! Solltet ihr NICHT Mittelklasse-Deutsche ohne Migrationshintergrund sein: Vergesst das Gesagte einfach, für euch hat sich nichts geändert! Es sind nur wir, die völlig gaga und hysterisch geworden sind.


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 August 14, 2015  12m