Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0429: Gott ruft an


Es wäre wirklich eine tolle Sache, wenn man Gottes Telefonnummer hätte, oder? Denn so gibt es ja nicht viel von ihm zu hören. Seit 2000 Jahren. Oder? Doch dann, plötzlich, eines Tages, ruft Gott die Menschen an. Alle. Und sie ist nicht gut gelaunt…

Download der Episode hier.
Opener: „Phone Call to God“ von MediocreFilms
Closer: „Ellen Degeneres Funny 1st Appearance Doing Stand Up“ von Johnny Carson
Musik: „Our God“ von JOHN COLLINS / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
So, Kinder, kommt ‘mal alle ein bisschen näher. Ich lese euch das Heilige Buch vor. Ja, das muss schon wieder sein. Das ist wichtig. Sehr wichtig. Ihr müsst das alle früher oder später auswendig können. Ruhe jetzt! Also…

Es begab sich im Jahre 0. Zur Stunde 0. Als alle Dinge anders wurden. Gott sprach zu den Menschen. Zu allen Menschen. Aus allen Lautsprechern auf einmal. Auf allen Plätzen, in jedem Zug, jedem Auto und durch jedes Telefon. Egal ob Festnetz, O2, Vodafone oder e+.

–Was? Nein, Fragen könnt ihr am Schluss stellen, wie immer. Jetzt seid ruhig und hört erst einmal zu. Schließlich sind das die Worte Gottes. Also, wo waren wir?

…Telefon. Egal ob Festnetz, O2, Vodafone oder e+. Und Gott sprach in jeder Sprache und zu jedem Menschen das Gleiche. Und alle hörten ihn. Und alle verstanden ihn. Und ein neues Reich begann. Und jedes Wort Gottes ist bewahrt. Und jedes Wort ist heilig.
Also sprach Gott:

„Ich bin das Leben und die Liebe. Ich bin die Energie, die im Anfang war, bevor Materie existierte. Ich bin jedes Teilchen und jede Welle. Ich bin, der ich bin. Ich bin um euch und in euch. Ich bin Gott und Göttin. Kein Mann, keine Frau. Ich bin das das allumfassende Sein.

Ihr nennt mich Allah, Nirvana, Manitou, Erleuchtung, Shiva, Jehova, haShem, Transzendenz oder den lieben Gott.“

Und Gott hustete. Und sprach dann weiter: „Ja, das mit dem „lieb“, das müssen wir erst einmal sehen. Also, ich misch’ mich ja ungern so direkt in die Schöpfung ein, das ist mir echt zuwider. Das macht eigentlich keinen Sinn. Aber ich muss schon sagen: So geht’s ja auch nicht! Was macht ihr Einfaltspinsel denn? Ihr macht ja alles kaputt! Wenn ihr den Planeten weiter so behandelt, dann geht ihr drauf! Seid ihr völlig hirnrissig? Was passt euch nicht an der Erde? Findet ihr den Mars besser? Oder die Venus? Schaut das etwas gemütlich aus? Schwefelsäureregen? Hm?
Was ist das hier eigentlich für eine Idiotenecke der Milchstraße?

Hey, ich habe eine Trillion Zivilisationen zu beobachten, die cooler sind als ihr! Und nicht so völlig schwachsinnig! Es ist doch wirklich nicht so schwierig. Ihr seid so gebaut, dass ihr alle mich spüren könnt. Das ganze Universum. Und das ist sogar noch ein tolles Gefühl – jeder, der es versucht hat, kann euch das bestätigen.. Und was macht ihr? Ihr spaltet euch in Abertausend Religionen und Sekten und haut euch dann auf den Kopf!

Glaubt ihr wirklich ein allmächtiger Gott, der alles, wirklich alles geschaffen hat, der findet nur Buddhisten, Christen, Muslime, Hindus oder Juden cool? Und alle anderen schmoren in der Hölle? Im Ernst? Das glaubt ihr? Ihr seid alle Schwachköpfe! Alle Religionen sind gleich… dämlich!

Das fängt ja mit der Hölle an. Und dem Himmel. Das ist bloß eure Erfindung! Und völlig bananas. Das Universum ist perfekt so wie es ist. Auch mit Hunger, Leid, Tod und Krankheit – genau! Und ihr denkt, wenn ihr tot seid, dann lade ich euch in meine Schöpfung 2.0 ein, oder was? Ein Level up. ‘Kuck’ ma’, Lieschen Müller, das mit der Erde war nur so ein Test. Das hier ist das eigentliche große Ding. Geschickt eingefädelt, oder?’ Pfft.

Neiiin! Es gibt keine Hölle und keinen Himmel. Himmel ist, wenn man in der Liebe lebt und Hölle ist, wenn man fern der Liebe lebt. Ihr seid doch keine Pokemon, die man trainieren muss. Niemand interessiert sich für euren Frömmigkeits-Highscore! Wenn ihr tot seid, ist das Leben vorbei. Basta.

Aber kein Moment vergeht, alles, was ihr tut ist ewig. Ohne jeden einzelnen von euch gäbe es das ganze Universum nicht. Jeder von euch ist ein unwichtiges Stäubchen und der Mittelpunkt des Kosmos. Nicht ist verloren. Aber das ist jetzt zu kompliziert. Da dreht ihr mir dann wieder einen Strick draus. Oder erfindet da irgendwelche unnötigen Regeln dazu.

Genau: All’ die Regeln, die ich euch angeblich gegeben habe… Das ist alles in hohem Grad lächerliches Zeug. Diese ganzen Gebote! Muss man das aufschreiben, dass man nicht töten soll? Im Ernst? Jeder halbwegs normale Mensch spürt das doch, das ist euch eingebaut! Ihr sollt nicht töten, klar! Aber nicht, weil das mein Gesetz ist. Sondern weil töten scheiße ist! Ich bin das Leben, vergessen?

Und es ist immer scheiße, egal ob Du Soldat bist oder Scharfrichter oder Gift verkaufst! Das müsst ihr doch nicht aufschreiben – das weiß jeder von euch im Innersten.

Und diese Speisevorschriften! Diese essen kein Schwein, jene kein Rind, andere überhaupt keine Landtiere. Weil ich das so will. Angeblich. Heuschrecken sind eklig, aber Shrimps, die sind lecker. Hund und Katze kann man nicht essen, aber Lämmchen und Kälbchen. Wenn ihr euch nicht sicher seid, welche Tiere man essen darf, dann lasst es halt ganz! Ist das schwierig? Aber schiebt die Schuld nicht auf mich – das ist ganz alleine euer Bier. Ob einer Bacon knuspert oder Dinkelplätzchen, das ist mir so ‘was von scheissegal. Das macht keinen zu einem guten Menschen. Weil es nichts mit der Liebe zu tun hat! Capisce?

Liebe. Genau. Das mit dem Sex – da habt ihr ja einen besonders ausgeprägten Knall. Das hat nämlich sehr wohl was mit der Liebe zu tun. Und ich bin die Liebe. Da könnt ihr mir und euch nahe sein. Liebe machen – das ist doch toll! Und deshalb seid ihr so gebaut, dass das echt Spaß macht. Und ihr? Ihr denkt, es ist mir wichtig, woran oder womit oder an wem ihr eure Liebesorgane reibt? Männer oder Frauen oder die eigenen Hände: Das ist mir völlig wurst! Aber macht das, das ist gut. Und kein Grund ein schlechtes Gewissen zu haben! Wo kommt ihr denn da bloß auf so etwas Meta-Doofes?

Mann, Mann, Mann – da macht man ‘was mit. Eigentlich hätte ich ja nicht anrufen sollen, da sind mir wohl die Gäule durchgegangen. Wisst ihr was: Macht einfach!
Wenn ihr wollt, dann könnt ihr einfach in euch hören. Jeder von euch weiß ganz genau, was richtig oder falsch ist. Das Problem ist nur, dass ihr da nicht draufhört!

Und ihr müsst keine Angst, den Planeten kaputt zu machen. Das kriegt ihr gar nicht hin. Ihr könnt nur euch selber kaputt machen. Der Planet macht einfach weiter und fängt wieder von vorne an, wenn ihr weg seid.“

Und Gott atmete schwer. Und sie schwieg für eine ewige Minute. Dann fuhr er fort.

„Na gut. Das mit Beethovens Pastorale, das ist schon gut. Und ich mag auch „Uptown Funk“. Und die Musical-Folge von Buffy war auch nett. Und Pizza, hmm. Glenfiddich ist auch nicht schlecht.
Ich gebe euch noch einmal eine Chance – aber glaubt bloß nicht, dass ich NOCH einmal anruf’!“

Und dann schwieg Gott. Und nahm den Strom. Jedes Flugzeug landete, jedes Fahrzeug kam zum Stillstand. Kein Telefon, kein Handy, kein Rechner, kein Herd, keine Glühbirne, kein Fernseher, kein Radio, keine Waschmaschine, kein Waffeleisen und kein Lockenstab funktioniert seit dem Tag Null im Jahr Null. Als Gott jeden Menschen anrief. Das waren Gottes Worte. Wort für Wort. Amen.

–So, Kinder, das war das Heilige Buch. Das ist jetzt alles 20 Jahre, 17 Tage und vier Stunden her. Wir Älteren können uns noch gut erinnern, wie es vor dem Großen Frieden war. Danken wir also alle Gott, dass er uns in letzter Sekunde vor dem Verderben bewahrte.

Noch irgendwelche Fragen? Ja, Du, Max. Wie bitte? Nach dem ganzen Heiligen Buch ist Deine Frage, ob man auf den Handys wirklich Spiele spielen konnte? Im Ernst? Iss Deine Dinkelplätzchen und sei still. Sonst noch irgendwelche Fragen? Na dann. Bis morgen, liebe Kinder!


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 April 22, 2016  13m