Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

https://morgenradio.de

subscribe
share






Expl0431: Siri, Cortana & die Zukunft


Ich habe mich ja sehr über Siri gefreut. Und die ersten Vorführungen waren immer, als ob ich ein Magier wäre. Mit ein bisschen Rücksicht auf das, was Siri kann, ist sie auch ganz brauchbar. Aber im Hintergrund entwickeln gerade Hunderttausende von Menschen die digitalen Assistenten der Zukunft. Aber warum?

Download der Episode hier.
Opener: „Star Trek 4: The Voyage Home – The Miracle Worker“ von Movieclips
Closer: „Siri is RUDE!“ von MacWarMedia
Musik: „Sad Robot“ von Pornophonique / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Vor fast genau sieben Jahren hat Apple Siri eingeführt. Alle waren sehr aufgeregt. Die Werbeclips waren sehr vielversprechend. War das endlich eine künstliche Intelligenz, so wie der Computer auf der Enterprise? Konnte man sich wirklich mit seinem Telephon unterhalten?

Die Realität war natürlich eher ernüchternd. Wenn man um das Thema Siri herum recherchiert, stößt man am häifigsten auf Sammlungen von witzigen Bemerkungen, die sie so äußert. Weswegen sowohl bei Apple als auch bei Microsoft oder im Team von Google Now viele Autoren, Drehbuschschreiber und Dichter arbeiten.

Die funny remarks sind schon fast zum Hauptzweck dieser digitalen persönlichen Assistenten geworden. Ich verwende Siri recht oft und meistens sind Beobachter bass erstaunt über die Möglichkeiten, die diese Software so bietet.

Aber halt nur, wenn man Siri zu den Dingen benutzt, die sie auch wirklich kann. Dinge wie: „Erinnere mich in fünf Minuten an meine Tomatensauce.“ oder „Ruf’ Oma und Opa per Freisprecher an.“ oder „Wie komme ich von hier zu Fuß zum Roten Platz?“. Das kann sie gut.

Mir fallen auf die Schnelle ca. 16 Funktionen ein, die durch Siri schneller gehen, als durch das Interface auf dem iPhone. Doch immer wieder stößt man an die Grenzen dieser Technologie. Und wenn man dann wieder bei der blöden Websuche landet, dann gibt man irgendwann entnervt auf.

Siri ist gut. Seit vielen Jahren verfolge ich die Qualitätssteigerungen bei der Spracherkennung. Und gerade wenn man ihr diktiert, bin ich von den Ergebnissen wirklich erstaunt. Aber 95% ist halt noch einfach nicht gut genug.

Über Cortana kann ich mir noch kein abschließendes Urteil erlauben, aber sowohl Microsofts Lösung wie auch z.B. Google Now oder meinetwegen Echo von Amazon: Alles großer Fortschritt, aber eben noch nicht gut genug.

Warum werfen aber Amerikas Venture Kapitalisten hunderte von Millionen Dollar auf StartUp-Firmen, die an neuen digitalen persönlichen Assistenten arbeiten? Und Unternehmen wir Google, IBM oder Apple ebenfalls. Und eben auch Amazon und Facebook?

Denn es gibt weit mehr als Siri und Cortana. Schon jetzt sind bessere Alternativen auf dem Markt. Die da Namen tragen, wie Hound, Mycroft, Ubi, Sophie, Aido, Jibo, Molly oder Nana. Das sind zum großen Teil alles Lösungen, die so ähnlich funktionieren wie die großen Schwestern.

Nämlich entlang eines Entscheidungsbaums. Hinter der Software auf dem Handy steht eine riesige Datenbank in der Cloud, die ganz schnell versucht, sich anhand häufig gestellter Fragen und vermutetem Zweck der Frage durch riesige Tabellen zu fressen. Das Problem ist dabei folgendes: Hat die Software einmal die falsche Abzweigung genommen, kommt nicht das gewünschte Ergebnis heraus. Bei „Wann wurde der Film ‘Der Marsianer’ unraufgeführt?“ hört die Software die Reizwörter Film, der Marsianer und Aufführung und serviert mir die Vorführungszeiten der Kinos in meiner Nähe. Nett, aber nicht gewünscht. Also suche ich das nächste Mal per Eintippen in der IMDB. So wie immer.

Warum aber basteln alle an dieser Technologie, die doch gerade so großartig an den Benutzern vorbeigerauscht ist? Wie z.B. der letzte große Flop: Tay. Das ist eine künstliche Intelligenz, die auf Twitter munter mit den Usern plaudern sollte. Die dann aber so lange von Usern mit Nazi-Inhalten gefüttert wurde, bis sie selber klang wie Heinrich Himmler. Microsoft hat sie dann ganz schnell wieder ins Labor geschickt.

Tay war ein Stück Software, die das Plaudern durch das Plaudern erst erlernen sollte. Eine Technik, die wir in Deutschland Maschinenlernen getauft haben. Und genau da setzen auch die virtuellen Assistenten der Zukunft an. Wie z.B. ViQ oder Viv. Die erwirbt man praktisch leer. So wie Samantha im Film „Her“. Und wie bei einem Kind lernen diese neuen Assistenten dann genau meine Vorlieben, meine Fragen und meine Anforderungen an sie kennen.

Sage ich Siri: „Ich habe Hunger“ listet sie mir die Restaurants und Lieferfirmen in der Nähe auf. Viv oder ViQ fragen zurück: „Auf was hast Du denn Apettit?“ „Ich würde gerne Chicken Curry essen.“ „O.k. Was ist denn Chicken Curry?“ „Das ist indisches Essen. Ich mag indisches Essen. Und chinesisches auch.“

Klingt jetzt umständlicher. Und dauert am Anfang auch länger. Aber auf Dauer lernen die Assistenten mich kennen und ihre Ergebnisse werden relevanter, weil sie genau auf mich zugeschnitten sind. Dann können sie auf solche Anfragen reagieren: „Ich muss morgen zu meinen Kunden nach Hamburg fliegen. Buche mir einen günstigen Flug in der Business Class, so dass ich nicht später als Drei da bin. Und ein Hotel in der Nähe zum Kunden, das veganes Frühstück anbietet. Und schreibe Kathrin auf WhatsApp, ob sie am Abend Lust hat, zum gleichen Asiaten zu gehen wie letztes Mal. Wenn ja, reserviere da ein Tisch.“

Und das spart dann natürlich immens Zeit. Denn das natürliche, uns als Menschen eingebaute Interface zu Kommunikation ist Sprache. Tippen, Pop-Up-Menüs, Scrollbalken, Multiple-Choice-Boxen – das wird uns bald alles sehr antiquiert vorkommen.

Und derjenige, der dieses Rennen um den ersten richtigen, den ersten wirklich intelligenten virtuellen Assistenten gewinnt, der gewinnt auch die Zukunft. Das wird das Interface werden mit dem wir in Zukunft hauptsächlich mit unseren Rechnern kommunizieren. Und mit dem wir das Internet steuern. Und unser Auto. Und unsere Wohnung. Und unser Konto.

Denn natürlich geht es, wie immer, um Geld. Wollen wir nicht vergessen, dass die Millionen, die Google z.B. auf diese Software wirft, aus der Werbung stammen. Und in der Zukunft, wenn unsere digitalen Assistenten für uns shoppen, da werden wir die Werbung gar nicht mehr merken.

„Hey Viv. Wenn ich morgen wiederkomme aus Hamburg, will ich Spaghetti mit Tomatensauce kochen. Bestell’ mir bitte, was wir nicht mehr im Haushalt haben!“

Und Viv kennt mich ja. Sie weiß, das ich keine Tomatensaucen mag, die vorgewürzt sind. Egal ob mit Knoblauch oder Basilikum. Darum wirft sie die ersten 10 Kandidaten schon einmal aus der Liste. Und kein Speck oder Schinken. Fliegen noch einmal 10 Saucen aus der Suche. Bleiben noch zehn einfache Tomatensaucen über, die sie mir vorschlagen könnte. Aber das letzte Mal hab’ ich ziemlich genervt reagiert, als ich mich NOCH genauer äußern musste, was für eine Tomatensauce ich genau will. „Irgendeine“, hatte ich gemotzt.

Tja, was wird Viv dann tun? Oder ViQ? Wissend, dass ausgerechnet der Anbieter XYZ einer dieser Tomatensaucen bereit ist für meine Order 22 Cent an Google zu zahlen. Oder an Apple. Oder wen auch immer. Statt unter zwanzig Cent wie die neun anderen Bewerber.

Viv wird genau diese Sauce für mich kaufen. Und ich werde mich vielleicht sogar freuen. Weil die eventuell sogar lecker ist. Und mit Werbung wurde ich auch nicht belästigt.

Und so ist das Rennen um die neue Schnittstelle zwischen Mensch und Computer nicht nur ein Rennen um Marktanteile. Sondern auch ein Rennen um die Kohle. Wie schon immer. Schließlich wollen alle nur unser Bestes.


fyyd: Podcast Search Engine
share








 April 26, 2016  14m