Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0435: Alleine im All


Wenn morgen Aliens in, sagen wir einmal Bochum, landen – würden wir uns da freuen oder nicht? Ich bin mir gar nicht sicher. Vielleicht ist es ja ganz o.k., alleine im All zu sein. Aber wie wahrscheinlich ist das? Hier hilft die Drake-Gleichung beim Berechnen.

Download der Episode hier.
Opener: „The Alien Curse Words Song“ von Good Mythical Morning
Closer: „Aliens Abducted Me!“ von Avocado Street Studios
Musik: „Vacuum“ von Richie Reynolds / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Wo sind sie, die Vulkanier oder wenigstens die Klingonen? Oder die Gungans, die Atlantiden, die Reptiloiden, die kleinen Grauen? Die grünen Männchen? Die Thetanen? Die Vogonen?

Wir haben uns wirklich schon sagenhaft viele außerirdische Zivilisationen ausgedacht. Denn irgendwie finden wir Menschen die Vorstellung, alleine im All zu sein unangenehm. Lieber hätten wir aus irgendeinem Grund gerne Nachbarn. Obwohl gerade diesesmVerhältnis im echten Leben ja auch oft… hm… angespannt sein kann.

So richtig interessant wurde diese Frage dann im 20ten Jahrhundert. Als wir tatsächlich vorsichtig erste kleine Babyschritte ins All unternommen haben. Darum ist es auch kein Zufall, dass genau in dem Jahr als Juri Gagarin als erster unseren Planeten ganz kurz verlassen hat, auch Frank Drake seine berühmte Gleichung entwickelt hat. Nämlich 1961. Wie wahrscheinlich ist es, dass wir irgendwann Signale von Aliens empfangen?

Im Kern ist diese Drake-Gleichung auch jetzt immer noch die Basis, wenn man darüber nachdenken will, wie wahrscheinlich es ist, dass wir tatsächlich Nachbarn haben. Und das ist kein rein akademischer Gedanke. Oder ein Spiel mit unseren Sehnsüchten. Wenn man ernsthaft im All nach Zeichen anderer Zivilisationen sucht, dann wäre es schon schön zu wissen, ob das eine gute oder eine schlechte Idee ist. Kost’ ja alles Geld, Kinder!

Im Prinzip ist die Gleichung so aufgebaut: Auf der einen Seite steht N. Also die Zahl an Zivilisationen, sagen wir einfach ‘mal in unserer Galaxis. Der Milchstraße. Milky Way.

Und auf der anderen Seite sind eine Reihe von Werten, die sich multiplizieren. Eine lange Reihe von Werten. Da wäre Ns, das ist die geschätzte Zahl an Sonnen in der Galaxis. Das müssen wir schätzen, weil es zuviele sind, um sie nachzuzählen. Die meisten Rechnungen verwenden hier 150 Milliarden Sonnen. Aber es könnten auch bis zu 400 Milliarden sein.

Dann folgt fp. Der Teil an Sonnen, der auch Planeten hat. Und da hat sich viel getan in unserer Erkenntnis. Es ist praktisch so, dass alle Sonnen Planeten haben. Bis auf 3%, so die Optimisten. Oder 18%, so die Pessimisten.

Dann folgt ne. Wieviel Prozent dieser Planeten sind in der habitablen Zone. Also nicht zu kalt oder zu heiß. So das Wasser da in verschiedenen Aggregatszuständen existiert. Und das trifft, laut einer Studie von 2015 wahrscheinlich auf fast ein Viertel der Sonnensysteme zu.

Wieviele dieser Planeten entwickeln dann überhaupt Leben? Nächster Faktor. Fl genannt. Das können wir natürlich nur schätzen. Denn von Lebensformen, die meinetwegen auf Silizium oder Schwefel basieren statt auf Kohlenstoff wissen wir genau gar nichts. Wir müssen vom Leben ausgehen, so wie wir es kennen. Alles andere lässt sich noch viel weniger berechnen.

Wenn sich Leben entwickelt, wie wahrscheinlich entwickelt sich dann Intelligenz auf menschlichem Niveau? Egal, ob man das jetzt als hoch oder niedrig einstuft. Wieviele dieser Zivilisationen strahlen dann elektromagnetische Signale aus? Damit wir sie überhaupt hören oder sehen? Das wären die Faktoren fl und fi.

Und dann kommt das eigentlich größte Problem. Der Faktor fL. Aber mit großem L. Eigentlich geht es um die Zivilisationen, die auch nicht aufhören, diese Signale zu senden. Die also auch kommunizieren wollen. Denn in diesem großen L liegt ein Riesenproblem verborgen. Nämlich die Frage, wie lange so eine Zivilisation denn wohl lebt.

Wir sind jetzt, sagen wir ‘mal, 10.000 Jahre alt. Ist das viel oder wenig? Sind wir, mit Klimaerwärmung und Atomwaffen, gerade Babies, Pubertierende, im besten Alter oder schon altes Eisen?

Das ist eine wichtige Frage. Denn mit 13 Milliarden Jahren hat das All ja ein paar Millionen mal Platz für Zivilisationen, die gerade mal 10.000 Jahre schaffen. Hilft also nichts, wenn da eine Superzahl rauskommt bei der Drake-Gleichung und alles wäre theoretisch voller Klingonen und Vulkanier, aber die haben alle bereits ins Gras gebissen. Weil Zivilisationen halt nicht älter werden als meinetwegen 12.000 Jahre.

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Frank Drakes Nummernschild ist nicht ohne Grund NEQLSL. Also N equals L. Denn, wenn auch nur eine einzige Zivilisation denkbar ist, die mehrere Milliarden Jahre alt ist, dann wäre die Milchstraße rechnerisch gleich vollgefüllt mit Leben an jeder Ecke.

Viele andere Faktoren spielen natürlich noch eine Rolle und werden diskutiert. Ist die Achsenneigung des Planeten wichtig? Also nicht zu stark ausgeprägte Jahreszeiten. Oder braucht es einen großen Mond, um den Planeten zu stabilisieren?

Man kann natürlich jeden Punkt leidenschaftlich diskutieren. Warum z.B. ist nur eine Spezies von 50 Milliarden auf diesem Planeten intelligent geworden? Und ist das die Regel? Und sollte man nicht noch die Wahrscheinlichkeit für Zerstörung durch Asteroiden mit hinein nehmen?

Trotzdem hat die Drake-Gleichung jetzt schon 50 Jahre lang für eine Menge Papers gesorgt. Und viele haben versucht, ein Produkt aus all diesen Faktoren zu berechnen. Und die oben vorgestellte Drake-Gleichung, die mittlerweile SDE heißt, für Standard Drake Equation, kommt auf 3500. Denn außer der SDE gibt es noch viele verschiedene Weiterentwicklungen und Verbesserungen. Aber bleiben wir bei 3500. Also, aufgrund unserer momentanen Erkenntnislage ist es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es 3500 andere Zivilisationen wie die unsere in der Milchstraße gibt. Und wie wackelig wir auf dieses Ergebnis gekommen sind, behaltet ihr gut im Kopf, oder?

Das wiederum bedeutet, wenn wir diese Nachbarn gleichmäßig über unsere Galaxie verteilen, dass wir immer so 2500 Lichtjahre voneinander entfernt wohnen. Und das ist weit, wirklich weit. Unsere Möglichkeit noch Radiosignale zu empfangen, die hört zur Zeit bei 500 Lichtjahren auf. Signale, die noch weiter weg sind oder älter, können wir nicht mehr erkennen.

Und noch einmal zu L: Wenn also eine Zivilisation nur 10.000 Jahre hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir gerade eben jetzt einen Nachbarn haben, auch nicht gerade groß. Es ist traurig, oder? Aber es erklärt statistisch ganz gut, warum wir einfach nichts finden. Und sich das auch noch ganz schön hinziehen kann.

Statistisch gesehen, haben wir bei unserem heutigen Kenntnisstand eigentlich nur eine Möglichkeit, die Drake-Gleichung zu beeinflussen. Wir dürfen einfach nicht aussterben. Mit jedem Jahr, das wir als menschliche Zivilisation schaffen, verschiebt sich alles zu Gunsten des Lebens im All.

Zu unserem Trost haben zwei Forscher von der University of Rochester jetzt ein Paper in Astrobiology veröffentlicht. Die sind den umgekehrten Ansatz gegangen und haben versucht, wie wahrscheinlich es ist, dass es außer uns keine andere Zivilisation gibt. Anhand einer veränderten Drake-Gleichung.

Und kamen zu dem Ergebnis, die Wahrscheinlichkeit, dass wir wirklich ganz alleine durch’s kalte Vakuum treiben, liegt bei 1 zu 10 hoch 28. Das ist also sehr unwahrscheinlich. So wie vom Blitz getroffen zu werden. Und zwar vier Mal. Und am gleichen Tag.

Wir sind also wissenschaftlich gesehen, nicht alleine im Universum. Es gibt Vulkanier, Atlantiden, Reptiloiden, Thetanen und Vogonen. Aber sie sind alle zu weit weg. Entweder zeitlich oder räumlich. Ohne Warpdrive, Hyperraumumgehungsstraße oder Subraum-Beamen ist da nichts zu machen.

Es hilft statistisch gesehen nur zu überleben. Für Frank Drake und seine Gleichung.


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 May 2, 2016  14m