SPIELGEFUEHL

Menschen verbinden Medien oft mit besonderen Momenten. Der erste Kuss im Kino. Ein bewegendes Buch in schweren Stunden. Oder der Soundtrack zu einer unvergesslichen Nacht. Auch Videospiele begleiten uns durch das Leben und hinterlassen prägende Eindrücke in der Geschichte jedes einzelnen. Im Spielgefühl Podcast widmen wir uns diesen Anekdoten mit unseren Gästen in thematisch gegliederten Podcast-Staffeln, bereichert durch die jeweilige Spielmusik. Im wöchentlichen Format Puls & Minus diskutieren zudem Tim und Timo jeden Montagmorgen den Bruch, der sich durch die Digitalbranche zieht.

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Enter the Gungeon: Vergangenheitsbewältigung im Kugelinferno


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Hereinspaziert! Bitte, bedient euch! AK-47 und Granatenwerfer liegen schon bereit. Zu klassisch? Kein Problem! Hier im Gungeon wimmelt es schließlich von Kuriositäten wie der windbetriebenen Segelschiffwaffe Corsair, der Briefe verschießenden Mailbox oder der überaus praktischen T-Shirt-Kanone ─ 100 Prozent Baumwolle, versteht sich. Achso, ihr seid wegen einer Geschichte hier? Na dann: lehnt euch zurück und lauscht meinen Worten.

Willkommen im Gungeon

Grinsende Patronen tapsten auf den Marine zu, einen Revolver mit der rechten Hand umkrallend. Man sagt zwar, sie seien die harmlosesten Gegner im Gungeon und auch ihre runden Augen und immer fröhlichen Gesichter gaben keinen Grund daran zu zweifeln. Doch der Soldat ließ sich nicht von ihrer Niedlichkeit bezirzen. Dieses Mal würde er es schaffen, ja, in seinen Gedanken konnte er die Tiefen beinahe riechen. Jene Gewölbe, die unterschiedlicher nicht sein konnten: Feuchte Keller und brennende Seen, verlassene Minen und vereiste Höhlen. Es war ein weiter Weg, doch er würde ihn gehen! Er spürte die Vibrationen durch seinen Körper schwingen, als er mit seiner Pistole auf die Hüllen einschoss, bis sie mit ihren zu „X“en geweiteten Augen auf dem Boden lagen. Der Gungeoneer trat über sie hinweg und hievte die Tür zum nächsten Raum auf. Diese Monstren sollten sich einen Kampf mit ihm besser zweimal überlegen.

Hm? Ihr wollt wissen, was der Gungeon ist? Nun, die Legende erzählt, dass einst auf einem fernen Planeten eine Festung von einer gigantischen Pistolenkugel heimgesucht worden war. Sie hatte den Himmel geteilt und tief in Holz und Stein geschnitten, vom Bergfried bis zum Fundament. Doch zwischen den Ruinen hatte sich aus der Asche ein Artefakt erhoben, das fortan als Schatz gehütet wird: Eine Waffe, die die Vergangenheit töten kann. Bald hatte man die Festung wieder aufgebaut und zahlreiche Schaulustige waren herbeigeströmt. Sie alle hatten die Hoffnung, ihre Vergangenheit in ebenjenem Gungeon hinter sich lassen zu können. Der Marine war einer von ihnen. Er sucht seinen Fehler rückgängig zu machen, mit dem er seine Zukunft vor langer Zeit verdammt hatte. Also lasst uns zu ihm zurückkehren.

Tödliche Bücher

In einer Bibliothek sah er sich umzingelt. Fliegende Bücher malträtierten ihn mit Buchstaben-Projektilen und ein Ritter wirbelte mit einem einzigen Wisch ganze Kugelhagel durch den Raum. Sie kamen dem Marine immer näher, sein Atem ging hektisch, was sollte er tun? Rennen? Springen? Rollen? Ein dumpfer Schlag riss ihn aus seinen Gedanken, Splitter umgaben sein Haupt und sein Helm zerbrach in Einzelteile. Doch der Aufprall hatte eine Druckwelle freigesetzt, die die Geschosse der Gegner verschwinden ließ. Der Kopf des Soldaten war wieder klar, er zielte auf die Kronleuchtervorrichtung und ließ seine Laser fliegen. Ein Krachen schwang durch den Raum, brachte ihn zum Beben, während der Marine einen Rettungssprung hinter einen Tisch tat. Bücher und Ritter waren zerschlagen, das lichtspendende Schmuckstück am Boden zerschellt. Den Lohn für diesen Kampf fand unser Held in Form einer Truhe im Nachbarraum. Der Schlüssel drehte sich, die Kiste sprang auf. Aus ihr purzelte die Stinger, ein Raketenwerfer, dessen Geschosse sich beim Aufschlag in Gegner jagende Bienen verwandeln. Der Marine nickte zufrieden. Wie es wohl den anderen Gungeoneers ging? Dem Piloten, der Verurteilten, der Jägerin? Sie alle hatten in der Eingangshalle gesessen, als er vor einiger Zeit in die Festung eingekehrt war. Ob sie sich auch gerade durch den Gungeon schlugen? Er wusste darauf keine Antwort ─ er kannte die anderen ja kaum. Denn warum über Zukunft sprechen, wenn man die Vergangenheit ändern kann?

Nur eine Taube

Der Marine stockte. Vor ihm erhoben sich die Augen eines Totenschädels, der ihn mit spöttischem Blick entgegenstarrte. Da war es wieder! Dieses Kribbeln, das seinen ganzen Körper erfüllte, von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln. Hinter diesem Totenschädel verbarg sich der Herrscher dieser Ebene. Das Herz des Marines pochte schneller, als er langsam in den Innenhof schritt. In dessen Mitte thronte ein Vogelnest mit einer Minigun und auch deren Besitzer ließ nicht lange auf sich warten. Anmutig stürzte er vom Himmel hinab. Die Augen des Gungeoneers weiteten sich, als vor ihm kein Mensch, kein Dämon und auch kein Monster posierte, nein. Es war eine Taube, die das Schusseisen ergriff. Die Mundwinkel des Marines zogen nach oben. Eine Luftratte, mehr nicht! Doch wie er irrte. Denn im nächsten Moment wandelte sich ihr gefiedeter Körper zu einem menschlichen Muskelberg und das Rattern der Minigun durchdrang das Mark des Soldaten. Schon flogen ihm zahlreiche Kugeln entgegen, doch geistesgegenwärtig tänzelte er mit gekonnten Ausweichsprüngen zwischen ihnen hindurch. Er zog den Abzug seines neugewonnenen Lieblings und sah zu, wie zahlreiche Bienen den Vogel heimsuchten. Aber warum war er so übermütig? Die Taube drängte ihn schnell in eine Ecke zurück und perforierte ihn mit Geschossen. Viel zu spät reagierte der Marine, nahm einen Treffer hin, dann noch einen, einen dritten, bis er schließlich seine rettende Platzpatrone zündete. Mit einer weiteren Druckwelle schwanden alle Kugeln und ließen die Taube für einen Gegenangriff ungeschützt. Der Gungeoneer verstand sofort und schickte weitere Insekten, die das Vogelwesen zu Boden rangen. Er hatte es geschafft!

Eine Kippe zum Schluss

Müde zückte er eine Zigarettenschachtel hervor, die er dem Gungeon-Händler abgekauft und für einen Notfall aufgehoben hatte. Seine Finger zitterten, als er einen Zug vom papierumhüllten Tabak nahm. Jedoch war es nicht Beruhigung, die dort durch seine Brust drang. Es war ein Stechen, das ihn in Dunkelheit hüllte und seine letzte Kraft stahl. Ein Fadenkreuz erschien auf seinem Körper, in dessen Mitte eine Uhr saß. Die Zeiger drehten sich zurück, genau zu dem Zeitpunkt, an dem er den Gungeon betreten hatte. Dann traf ihn der Schuss. Und mit diesem wenig eleganten Abgang hatte der Marine eine eher unerwartete Lektion gelernt: Rauchen kann tödlich sein.

Somit endet der Ausflug des Marines, und doch hat seine Reise gerade erst begonnen. Wie weit geht es in den Gungeon? Welche Geheimnisse schlummern in dessen Tiefen? Und welche Dämonen jagen den Marine, dass er alles dafür gibt, um seine Vergangenheit zu töten? Auch wenn die Gegner gnadenlos und die Gefahren vielfältig sind, wird er bald schon in den Gungeon zurückkehren, gestärkt durch eine neue Erfahrung. Die Wände werden sich verschieben, die Gegner gemischt und die Waffen nachgeladen. Doch das ist ein Abenteuer für eine andere Geschichte.

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 May 3, 2016  7m