Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0438: Horrorstory


Wer saß noch nie im Kino und hat sich bei einem Film nicht gedacht: Das Drehbuch hätte ich besser schreiben können. Steve und seinen Freunden ging es auf jeden Fall schon oft so. Und darum haben sie selbiges auch gemacht. Und wegen Vitamin B darf Steve selbiges jetzt auch noch bei einem Studio pitchen. Und das geht eigentlich ganz gut los…

Download der Episode hier.
Opener: „Jump scares soundeffects“ von Benedict L.U.
Closer: „simpsons treehouse of horror best moments“ von varun panwar
Musik: „Movie“ von AVEROPLAN / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Angefangen hat alles natürlich in ihrer Studienzeit. Seitdem treffen sich die Fünf regelmäßig einmal die Woche zum Stammtisch. Einige Bier und ein paar Schnäpse später war das Drehbuch fertig. Und einer von ihnen, Steve, hat Beziehungen nach Hollywood. Und sitzt gerade in einem der großen Studios, um ihr Drehbuch zu pitchen.

Sein Gegenüber ist irgendein Executive-Dingsbums. Im momentanen Hollywood-Executive-Dingsbums-Look. Ein ironisches Ironman-T-Shirt, aber ein Brioni-Anzug. Maßgeschneidert.

E: Wir haben Ihren Entwurf erhalten, Steve. Und wir sind sehr angetan. Ich persönlich habe das Skript leider nicht gelesen. Keine Zeit, sorry. Ich hoffe, Sie verzeihen mir. Können Sie mir Ihre Idee und Ihren Approach noch einmal kurz vorstellen?
S: Klar. Gar kein Problem. Cool. Echt cool. Ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass ich hier für ein ganzes Autorenkollektive stehe.
E: Aha. Na, umso besser.
S: Ja. Bei uns hat jeder seinen Platz. Also, ich bin mehr so für den Überblick zuständig. Das große Ganze. Den Flow der Story. Und da ist Peter, der macht die Dialoge. Da ist der total darauf spezialisiert. Der macht nur die Dialoge, Mann. Wie cool ist das denn?
E: Cool. Sehr cool.
S: Und Daniela macht die Schock-Effekte. Die ist total gut im Erschrecken. Die hat das Drehbuch noch einmal total verschärft. Das ist so der Horror jetzt.
E: Aha. Das ist wahrscheinlich eine gute Sache, oder?
S: Total gut! Voll der Hammer. Und Dieter kümmert sich um die Charakterbeschreibung. Also, dass die Personen in unserem Stück auch authentisch sind. Verstehen Sie? Damit das Publikum sich identifizieren kann. Totaaal wichtig. Das machen ja viele Autoren gar nicht.
E: Ach? Umso besser! Klingt vielversprechend.
S: Und dann ist da noch Ingrid.
E: Schön. Was macht Ingrid?
S: Kommas. Hauptsächlich Kommas. Wir machen alle zuwenig Kommas. Wußten Sie das? Aber Ingrid, die macht total gut Kommas.
E: Ein perfektes Team. Aber worum geht es in Ihrem Drehbuch eigentlich? Komma hin, Semikolon her…

S: Wir haben den perfekten Horrorschocker entwickelt.
E: Horror. Aha.
S: Also -Komma – da sind diese fünf College-Studenten. Total typische – Komma – durchschnittliche College-Studenten.
E: Fünf.
S: Ja – Komma – fünf. Da ist die Cheerleaderin. Blond – Komma – total geil wie die ausschaut. Und ihre Freundin. Die ist mehr so gothic. Und total zynisch. Aber witzig – Komma – total witzig!
E: Das ist wichtig.
S: Total wichtig. Die hat total die Lacher auf ihrer Seite. Und die Cheerleaderin – Komma – die ist mit dem Quarterback von der Football-Mannschaft zusammen. Der ist total sportlich. Sixpack am Bauch – Komma – breite Schultern – Komma – Sixpack links und rechts in der Hand.
E: Alkohol. Aha.
S: Ja – Komma – Alkohol. Und der hat seinen Freund dabei. Das ist total der Computer-Nerd. Picklig – Komma – dürr – Komma – dicke Brille – Komma – immer am Smartphone. Und zynisch. Aber auch witzig. Total witzig.
E: Wie die Freundin.
S: Jaaa! Ich sehe, ein Profi! Sie ahnen da schon ‘was! Sehr gute Instinkte. Und dann ist da noch der große Bruder vom Quarterback. Den müssen sie auch mitnehmen. Der nervt alle. Fett – Komma – verschwitzt – Komma – denkt immer nur ans Essen. Wie Karl-Heinz halt.
E: Karl-Heinz?
S: Ach, den kennen sie nicht. Issja auch wurst. Die Fünf auf jeden Fall – Komma – die wollen voll einen drauf machen an dem Wochenende. Na ja – Komma – vor allem der Quarterback und die Cheerleaderin. Wenn Sie verstehen, was ich meine.
E: Ich verstehe.
S: Und da ist diese Jagdhütte im Wald. Vom Onkel. Ganz weit weg von allen Eltern. Da wollen die alle hin. Für’s Wochenende. Heimlich. Die sagen keinem Bescheid. Und mitten im Wald. Habe ich das gesagt?
E: Ja. Mitten im Wald. Alleine.
S: Genau. Genau. Darum geht da auch kein Handy. Kein Netz. Null Connection.
E: Echt? Aber das ist ja furchtbar!
S: Total furchtbar. Nur ein Festnetz-Telefon.
E: Nur Festnetz? Das ist ja wie vor fünfzig Jahren. Die Armen!
S: Ja, total die Armen. Weil auf einmal tobt da draußen ein Blizzard. Total hart. Voll das Unwetter. Die können die Hütte nicht mehr verlassen. Sonst werdense total weg geweht.
E: Oh, mein Gott. Nur Festnetz und dann noch ein Unwetter?
S: Ja. Aber warten sie. Es wird noch schlimmer.
E: Noch schlimmer?
S: Ja. Noch schlimmer. Plötzlich…
E: Oh, mein Gott!
S: Plötzlich fällt auch noch der Strom aus!
E: Kein Strom mehr? Kein Licht mehr? Völlige Dunkelheit? Oh, mein Gott!
S: Kein Handy- Komma – kein Licht – Komma- völlige Dunkelheit.
E: Das ist ja zum Fürchten! Was passiert dann?

S: Dann…
E: Was dann?
S: Dahannn…
E: Was dann?

S: Klingelt das Telefon!
E: Nein!
S: Doch!
E: Nein!
S: Doch!
E: Nein!
S: Doch!
E: Nein!
S: Doch!

S: Was die Kids nicht wissen – Komma – im gleichen Wald ist ein Killer unterwegs.
E: Nein!
S: Doch!
E: Oh, mein Gott!
S: Und er ist bewaffnet!
E: Nein!
S: Doch!
E: Und was für eine Waffe hat er?
S: Äh…
E: Womit ist er bewaffnet?
S: Na ja…
E: Womit killt der Killer?
S: Also…
E: Etwa eine Axt?
S: Genau! Eine Axt! Wir hatten das noch gar nicht so spezifiziert. Aber eine Axt ist perfekt. Man merkt gleich, Sie sind ein Profi!
E: Der Killer hat eine Axt? Oh, mein Gott! Das ist ja schrecklich!
S: Total schrecklich!
E: Voll der Horror!
S: Ja! Voll der Horror!
E: Was passiert dann?
S: Der Killer sagt, er würde gleich kommen. Und dann ruft er noch einmal an. Und noch einmal. (sachlich) Und dann hackt er die Cheerleaderin, den Quarterback, den Nerd und den Dicken in kleine Stücke. In umgekehrter Reihenfolge.
E: (dreht durch) Aaaaah! Das ist ja schrecklich! Hilfe! Oh, mein Gott! Janet! Janet! Hilfe! Bringen Sie mir eine neue Hose! (atmet schwer)

S: Also… Sorry…
E: Ist o.k. Ist o.k. Mein Therapeut sagt, dass soll ich wegatmen. Passiert mir manchmal.
S: Na ja, auf jeden Fall erkennt das Gothic-Mädel, dass der Killer ihr Vater ist. Und dann bringt der sich um.
E: Was? Oh, mein Gott! Wie das denn?
S: Na ja, hat ja eine… Axt? Dann wird er sich wohl selber langsam in Stücke hauen.
E: (erbricht) Janet! Janet! Rufen Sie den Hausmeister! Ich habe… (erbricht) ein… Problem…
(atmet schwer)

S: Ja, das war’s.
E: (außer Atem) Das war ausgesprochen… beeindruckend. Wir sind begeistert. Das verfilmen wir! Gratuliere! Sie sind ein ausgesprochen begabter Autor.
S: Autorenkollektiv.
E: Sie sind ein ausgesprochen begabter Autorenkollektiv. Zu was für einem Film ist das jetzt der Nachfolger?
S: Wie bitte?
E: Ihr Film ist ein Sequel zu was?
S: Zu nichts.
E: Kein Sequel? Kein Teil 3, 4, oder 5 zu irgend etwas?
S: Nein, das ist eine total neue, eigenständige Filmidee. Der Vorgänger zu einer Reihe von erfolgreichen Filmen!

E: Aha. Mhm. So so. Na dann. Vielen Dank. Janet wird dann bei Zeiten ihren Agenten anrufen. Schön, sie kennengelernt zu haben!
S: Ihr Name war?
E: Janet, kannst Du dem Herren Autorenkollektiv den Weg zeigen – Komma – und ihm unsere Karte geben?
S: Kommafehler.
E: Was?
S: Das Komma war falsch.
E: Raus! Ausrufezeichen!


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 May 6, 2016  14m