Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0439: Sex im All


Auch wenn alle etwas anderes behaupten: Natürlich hat es Sex im Weltall schon gegeben. Ich weiß das so genau, weil ich ja „Barbarella“ und „Moonraker“ schon gesehen habe. Und da war das eine tolle Sache. Im echten Leben ist das aber frustrierend anders.

Download der Episode hier.
Opener: „Pornhub’s Sex in Space Campaign: Sexploration Milestone“ von Pornhub
Closer: „Sexpectations“ von CollegeHumor
Musik: „I have To Tell You“ von Teresa / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Alle Nationen der Welt definieren „Weltall“ als das, was hinter der sogenannten Karman-Linie liegt. Das bedeutet, nach dieser gedachten Grenze bei 100 km über Normalnull fängt der Weltraum an. Das liegt hauptsächlich daran, dass ab diesem Punkt normale Flugzeuge nicht mehr funktionieren, weil es keine Aerodynamik mehr gibt.

Menschen, die diese Grenze überschritten haben, gelten also offiziell als Raumfahrer. Das sind mittlerweile immerhin 536 Personen. Davon hatten 59 zwei X-Chromosomen. Die erste Frau im All war natürlich eine Russin, nämlich Valentina Tereshkova im Jahre 1963.

Insgesamt waren es eine Raumfahrerin aus Frankreich, Indien, Italien, Südkorea und Großbritannien, zwei aus Kanada, China und Japan, vier aus Russland und 44 aus den USA. Es war noch keine Frau auf dem Mond. Denn als wir begannen unter unsere Weibchen Raketentriebwerke zu schnallen, was – von Frau Tereshkova abgesehen – in den Achtzigern war, waren Mondlandungen aus der Mode gekommen.

Wir sitzen also hier unten in unseren Gärten, sehen die ISS blinken und was denken wir so bei uns? Weil wir tief im Herzen alle nur an eins denken? Wie toll muss doch Sex im All sein. Ohne Schwerkraft. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel die Medien sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Ich habe den Verdacht, dass sich das wirklich jeder schon einmal gefragt hat.

Aber von offizieller Seite ist die Information da eher spärlich. Was den Osten betrifft, hat sich der Kosmonaut Talghat Mussabajew 2001 festgelegt: „Entgegen anderslautenden Gerüchten sei es bisher nicht zu Sex im Weltall gekommen.“ Und unser eigener Kosmonaut, Ulrich Walther meinte 2011: „Seien Sie also getrost, Sex im Shuttle und auf dem amerikanischen Teil der Raumstation hat es nie gegeben.“

Es gibt auch von keiner Seite eine Untersuchung zu diesem Thema, keine Papers wurden dazu veröffentlicht. Wir befinden uns also im wilden Reich der Spekulation. Was ja eigentlich schon seltsam ist. Es gibt da zum Beispiel von der NASA angedachte Missionen zum Mars, die an die 30 Monate dauern. Mit sechs Personen, einige weiblich, andere männlich.

Und niemand macht sich da wirklich Gedanken, dass es zu Sex kommen könnte? Das ist eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, oder? Es gibt in den dicken Regelwerken der NASA auch keinen einzigen Paragrafen zu diesem Thema. Man zieht sich da bei Nachfragen auf „Astronaut Code of Professional Responsibility zurück. Da steht, jeder Astronaut der NASA sei zu ehrenhaftem Verhalten verpflichtet. Wie wenn Sex nicht ehrenhaft sein könnte.

Im Crew Conduct der ISS ist vorgeschrieben: „Kein Besatzungsmitglied der ISS soll durch sein oder ihr Verhalten zeigen, dass bestimmte Personen auf der Mission bevorzugt werden“. Na, da kommen wir der Sache schon näher. Das könnte tatsächlich ein Problem werden. Wie z.B. in den Forschungsstationen in der Antarktis. Die fast genauso abgeschlossen sind wie die Forscher auf der ISS.

Aber da geht man relativ offen mit dem Thema um. Laut der neuseeländischen Zeitung „The Press“ liegt z.B. der Jahresbedarf an Kondomen für die McMurdo-Station in der Antarktis bei 16000 Kondomen. Es sind da aber auch Hunderte von Menschen, was man vielleicht dazu erzählen muss.

Also, wir sitzen hier unten und träumen von Sex in der Schwerelosigkeit. Und da oben schweben die Astronauten und hätten die Gelegenheit. Und machen nichts. Eine Schande. Im September haben wir sogar ein frisch getrautes Pärchen in die Schwerelosigkeit geschossen. Aber dann darauf geachtet, dass die beiden im Space Shuttle immer in unterschiedlichen Arbeitsschichten eingesetzt wurden. Irgendwie prüde. Also müssen wir Laien uns mit dem Thema beschäftigen.

Sex im All ist wahrscheinlich, wenn man so darüber meditiert, nicht der Spaß, den man vermuten mag. Unsere Körper sind halt auf die Gravitation unseres Mutterplaneten eingestellt. Zum Beispiel darauf, ständig das Blut nach oben zu pumpen. Weil es sich ohne dieses Pumpen wahrscheinlich einfach in den Beinen bequem machen würde.

In der Schwerelosigkeit funktioniert dieses Pumpen weiter. Und so sammelt sich das Blut jetzt ungünstigerweise im Oberkörper. Alle Astronauten berichten von diesem Phänomen, eine Quelle sagt: „Das Gesicht schwillt um 10% an.“ Was immer das bedeutet. Umfang? Masse? Volumen? Egal.

Wenn es sich aber im Oberkörper sammelt, fehlt es im Unterkörper. Wo es aber hin muss, wenn man Sex haben will. Speziell beim Mann herrscht da Blutbedarf. Es stellt sich die Frage, ob Männer überhaupt können im Weltall. Also eine Erektion bekommen. Und tatsächlich wurde diversen Raumfahrern männlichen Geschlechts diese Frage schon gestellt. Das Ergebnis ist so, sagen wir ‘mal 50/50. Was bei ca. vier belastbaren Aussagen aber wahrscheinlich nicht als repräsentativ gelten kann.

Ein weiteres Problem stellt die Raumkrankheit dar. Die ersten zehn Tage in der Schwerelosigkeit verbringen die meisten Astronauten eher mit Erbrechen und Schwindelgefühlen als mit Gedanken, welche Positionen denn jetzt im Liebesspiel so machbar wären. Denn wir haben winzige Kristalle im Innenohr, die uns auf der Erde zeigen, wo oben und unten ist. Und die treiben im All halt einfach völlig unmotiviert im Ohr herum. Das erzeugt Übelkeit, Schwindel und Schweissfüsse. Ne, Moment, verlesen: Schweißausbrüche.

Und das dritte Problem heißt Isaac Newton. Denn als der die Schwerkraft erfunden hat, der alte Sack, hat er in seinem dritten Gesetz festgelegt: „Actioni contrariam semper et aequalem esse reactionem: sive corporum duorum actiones in se mutuo semper esse aequales et in partes contrarias dirigi.“ Übersetztz: Kraft = Gegenkraft. Die Lateiner sind irre umständlich.

Für Sex im All bedeutet das: Ist der Hüftschwung zu leidenschaftlich, treibt der Partner von einem weg. Und zwar solange durch die Raumstation, bis er irgendwo anstösst. Das turnt ziemlich ab.

Angeblich, so Frank Schätzing und Pierre Kohler, gibt es eine Computersimulation der NASA, die ergeben hätte, dass nur vier Positionen des Geschlechtsverkehrs überhaupt machbar wären. Was ja schon einmal ein guter Anfang wäre.

Für mehr Techniken des Kamasutra bräuchte man dann Hilfsmittel. Und weil wir hier unten halt so eine schmutzige Phantasie haben, gibt es auch schon drei verschiedene, die jederzeit bereit stünden, um auf die ISS gebracht zu werden.

Methode Nummer eins ist ganz simpel: Das Pärchen, dass sich Zärtlichkeiten hingeben möchte schnallt sich einfach zusammen. Mit Gurten. Und am besten auch nach an eine gemütliche Ecke des Raumschiffs oder der Raumstation. Um frustrierende Erlebnisse, wie oben beschrieben zu vermeiden.

Methode Nummer zwei ist eine Art aufblasbarer Liebestunnel. Ein großer Schlauch, in den das Pärchen schlüpft. Um erstens aneinander gedrückt zu werden und zweitens, um einen Kollisionsschutz zu haben. Klingt ein bisschen weniger nach Sado/Maso.

Und dann gibt es noch den sogenannten 2Suit. Das ist am ehesten erklärbar als ein Raumanzug für zwei Personen. Wenn die Gefühle einen übermannen, dann schlüpft man einfach rucki-zucki in den 2Suit und kann dann loslegen. Diese Methode wirkt vielleicht am wenigsten spontan. Aber hat den Vorteil, dass sie als einzige schon getestet ist.

Die Erfinderin, Vanna Bonta mit Namen, hat den Anzug für zwei und ihren Lebensabschnittspartner nämlich auf einen Kotzbomber mitgenommen. Also auf so einen Parabelflug. Einem kontrollierten Absturz mit einem großen Flugzeug also. Während des Absturzes herrscht Schwerelosigkeit. Was, wegen besagten Kristallen im Innenohr zum Erbrechen führt.

Für 5000 Dollar darf man das immerhin 15 Mal hintereinander erleben. Und, im Falle von Vanna Bonta und ihrem Partner, auch in einem Raumanzug für die Wissenschaft kopulieren.

Das ist also Stand der Dinge im Weltall. Enttäuschend irgendwie. Turnt total ab, finde ich.
Aber, ob das so stimmt? Vielleicht sind wir alle einfach zu verklemmt. Und noch nicht so richtig kreativ geworden. Ich weigere mich weiter den Traum aufzugeben.


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 May 9, 2016  14m