Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0443: Die IGEL-Protokolle


Manchmal ist das Alleine-Arbeiten ja schon ein bisserl einsam. Einer der Gründe, warum es diese kleine Sendung überhaupt gibt. Aber alles ist besser als in einem Ausschuss zu sitzen, einem Komitee oder einem Vorstand. Wie dieses Hörspiel – live aus dem Regierungsviertel – deutlich macht.

Download der Episode hier.
Opener: „Sesamstrasse – Krümelmonster – Schnell und langsam“ von allerschuerfste
Closer: „Funny Office Staff Meeting! Ugh!“ von Bring TIM! – Time Is Money!
Musik: „Zombie“ von Tony K. / CC BY-ND 3.0

+Skript zur Sendung
Ein kleines Besprechungszimmer mitten in Berlin. Regierungsviertel. Drei ältere, dickere Männer sitzen bereits wartend am Konferenztisch und knabbern Cafe Musica.

P: Ich mag ja diese Rollendinger ganz gern.
F: Echt? Find’ ich ein bisschen trocken.
M: Kann ich nur zustimmen. Kann ich nur zustimmen, Kollege. Kann ich nur zustimmen.
F: Diese Waffelchen, mit dem Schoko, das sind die Besten.
M: Korrekt.
(Pause)
M: Sind aber alle.
F: Waren schon gestern alle.
P: Aber die Rollendinger auch.
M: Ach?

Es wird ruhig im Besprechungszimmer. An einer Ecke des Tisches ist etwas Furnier abgebrochen. Man kann das hören.

Plötzlich öffnet sich die Tür. Ein schnittiger, fescher Jungpolitiker stürmt ins Zimmer, wirft seine Ordnee auf den Tisch und schmeisst sich auf den Stuhl an der Stirnseite.

J: Hallo, meine Herren! Tut mir leid wegen der Verspätung. Ist heute ein busy, busy day. Wenn Sie wissen, was ich meine. Janet, der Kaffee ist ja alle. Und bring’ doch noch einmal Kekschen! Hier sind ja alle Rollendinger schon weggegessen!
So, meine Herren, wo sind wir? Ach ja, also wir sind hier beim Nationalen Sicherheits- und Defensiv-Aktivierungs-Protokoll. Um Einsatzpläne für alle Notfälle zu entwickeln und einzusetzen. Ach, übrigens…
F: Und die Waffelchen. Mit dem Schoko.
J: Äh, was? Tschuldigung?
F: Ich wollte nur sagen, die Waffelchen, die mit dem Schoko. Die sind auch alle.
J: Die Waffelchen?
M: Da hat der Kollege völlig recht. Da kann ich nur zustimmen.
J: Ach so, die Waffelchen. Na ja, aber Nachschub ist ja schon bestellt. Wenn es eines genug gibt im Regierungsviertel, dann Café Musica. Glauben Sie mir meine Herren…
Also… Noch einmal… Hmm… Nationales Sicherheits- und Defensiv-Aktivierungs-Protokoll… hmm hmm hmm… Ah ja. Da war ich. Unser Ausschuss heißt jetzt übrigens IGEL. I.G.E.L.
P: Igel? Wieso das denn?
J: Im Kanzleramt war man der Meinung, dass die Abkürzung nicht so gut ankommt.
P: NSDAP? Was ist dagegen einzuwenden?
M: Ich finde das irgendwie sogar schnittig.
J: Aber…
F: Und für ‘was ist Igel die Abkürzung?
J: Also, meine Herren, sagen wir es so: Die Abkürzung ist schon belegt. Und Igel steht für ein Tier, dass symbolisch eben… Wegen Sicherheit und Abwehr halt.
P: So ein Unsinn! Ein Igel! Die zu hunderten auf den Straßen rumliegen! Wie oft meine Polizisten da zu unnötigen Einsätzen gerufen werden!
F: Wir von der Feuerwehr auch!
M: Igel ist in Ordnung. Da haben wir 400 Schützenpanzer, die so heißen. Von meiner Seite o.k.
P: Also, ich kann diese Entscheidung nicht mittragen.
F: Ich bin mir nicht so sicher…

J: Meine Herren, sie unterliegen einer Fehleinschätzung, wenn sie denken, dass stünde zur Diskussion. Das kommt von ganz oben!
F: Von Gott?
J: Nein, nicht von Gott!
P: Ich weiß, vom Papst!
J: Nein, nicht vom Papst!

M: Seid ihr alle völlig verwirrt?
J: Berechtigte Frage…
M: Er meint natürlich „Sie“…
J: Genau.
M: Frau von der Leyen.
J: Was? Nein! Ich meine die Kanzlerin!
M: Was hat die Kanzlerin mit Schützenpanzern am Hut?
J: Schützenpanzer?
M: Igel?
J: Ach so. Also jetzt machen wir aber hier ‘mal einen Punkt! Der Ausschuss für das Nationale Sicherheits- und Defensiv-Aktivierungs-Protokoll, vormals: NSDAP heißt jetzt Igel. Hat die Chefin beschlossen. Ist jetzt so. Kann ich jetzt fortfahren, meine Herren?

Gut. Also. Wir hier haben uns jetzt vier Jahre mit der Entwicklung der Igel-Protokolle befasst…
F: Igel-Protokolle! Lächerlich!
J: (lauter) …Entwicklung der Igel-Protokolle befasst und stehen vor der Unterzeichnung. Womit unsere Arbeit getan wäre. Und ich heute abend das Fußballspiel sehen kann. Darf ich die Herren bitten, die Ihnen vorliegenden Kopien zu unterschreiben, damit wir das der Regierung vorlegen können?

P: Moment mal!
F: Ja, nichts überstürzen!
P: Genau! Nicht so schnell!
J: Schnell? Dieses Kaffeekränzchen hat drei Jahre länger gebraucht als avisiert! Das ist doch nicht zu schnell!
P: Es sind da noch einige Sachen offen!
F: Genau. Es sind da noch einige Sachen offen!
J: Wie bitte? 1600 Seiten später sind Sachen offen?
P: Ja, so ist es!
F: Genau, so ist es!
J: Was denn?
P: Zombies, z.B.
F: Genau, Zombies z.B.

J: Was? Wie bitte? Äh, entschuldigung, ich dachte, Sie hätten Zombies gesagt!
P: Zombies. Genau. Untote. Wir von der Polizei haben einen Plan entwicklt, wie wir die Bevölkerung bei einer Zombie-Apokalypse schützen können. Darf ich das ‘mal vorstellen?
J: Aber… aber… aber… Das ist…
M: Lächerlich. Das ist ausgesprochen lächerlich!
J: Ja, genau. Mir ist gerade nicht das Wort eingefallen. Aber das ist lächerlich!
M: Zombies sind natürlich eine Aufgabe des Militärs. Wir erklären einfach Kriegsrecht und dann räumen wir mit der Baggage auf. Das wäre ja gelacht!
J: Was?
P: Das ist in Wirklichkeit lächerlich!
F: Genau. Das ist in Wirklichkeit lächerlich!
J: Wir diskutieren eine Zombie-Apokalypse?
F: Denn Zombies kann man nicht erschießen. Die sind schon tot. Denen muss man den Kopf abtrennen. Und wessen Mannschaften sind an der Axt ausgebildet? Die Bundeswehr? Nein! Die Polizei? Nein! Die Feuerwehr!
M: Sie wollen ernsthaft behaupten, wenn eine Zombie-Apokalypse ausbricht, dann sollen die Bürger die Feuerwehr anrufen! Wie wollen Sie das denn vermitteln?
J: Moment, meine Herren!
P: Natürlich werden die Bürger, sollten Anverwandte oder Freunde von Zombies getötet werden, die Polizei anrufen! Das ist die natürliche Reaktion!
J: (lauter) Meine Herren, darf ich bitten!
M: Armes Deutschland! Armes Deutschland! Wir werden als erster Staat in Europa der Zombie-Apokalypse zum Opfer fallen! Meinen Sie, die Briten haben ein Problem angreifende Zombies großflächig mit Napalm zu grillen?
J: (noch lauter) Bitte, meine Herren, das ist doch…
F: So ein Unsinn! Wir wissen ja nicht einmal, ob Zombies brennbar sind! Kein Mensch hat je bewiesen, dass Zombies brennen, ich hab da keine Unterlagen zu!
J: (schreit) Weil es keine Zombies gibt! Es gibt keine Zombies!
F: Ach?
P: Das haben Sie bei den Vampiren auch schon behauptet!
M: Und bei den Werwölfen auch.
J: Weil es die auch nicht gibt! Und Zombies gibt es schon dreimal nicht! Wenn ein Mensch tot ist, dann ist er tot. Basta. Aus. Finito. RIP! Für immer von uns gegangen. Das ist dann ein Ex-Mensch! Draufgegangen! Unter’m Torf! Verblichen! Weg vom Fenster! Keiner, nicht einer ist jemals wieder aus dem Reich der Toten zurück gekehrt!
F: Ach! Und Jesus!
J: Jesus?
P: Wie, wollen Sie behaupten, Jesus ist ein Zombie?
J: Nein, das hab’ ich nicht behauptet…
M: Ich sehe, wir müssen eine Untersuchungskommision einsetzen…
J: Eine Kommision?
M: Ja, wie auch schon bei den Werwölfen.
P: Und den Vampiren.
F: Genau, wie bei den Vampiren.
J: Es gibt keine Zombies! Das müssen wir nicht untersuchen! Da kann ich mir von ganz oben Bescheid holen, dass es keine Zombies gibt!
F: Von Jesus?
J: Nein, von der Kanzlerin! Die liebt es, wenn ich mit Fragen aus diesem Ausschuss zu ihr komme!
M: Das ist eine gute Idee!
F: Eine sehr gute Idee!
P: Finde ich auch!

J: Sie meinen das im Ernst?
M: Durchaus, gute Idee, Herr Vorsitzender. So lange können wir uns mit realistischeren Szenarien beschäftigen. Wir bei der Bundeswehr haben einen Notfallplan entwickelt. Wie man -nach Einberufung des Kriegsrechts – mit der Invasion extraterrestrischer Streitkräfte umgehen könnte.
F: Was?
P: Mit wem?
J: (fassungslos) Aliens. Sie meinen Aliens?
M: Genau. Also, nach einer ersten Nationalwarnstufe, die mit einem neuen, von mir persönlich komponierten Sirenenton eingeläutet wird – verzeihen Sie mir das Wortspiel…
J: Halt.
M: …evakuieren wir die Bürger in extra zu bauende Schutzräume, die auch gegen Laser- und Phaserwaffen gerüstet sind…
J: Halt! Auf der Stelle halt!
M: …In der zweiten Stufe kommen dann die noch zu entwickelnden Gammakanonen zum Einsatz…

J: Ich sagte halt! Ich kann nicht mehr! Ich kündige! Das kann ich nicht mehr ertragen. Ich wechsele den Beruf! Ich will ab jetzt in der Natur arbeiten! Weit weg von Berlin. Weit weg von Deutschland. Weit weg von allen Menschen. In der Sahara, genau. Ich will in der Sahara arbeiten. Datteln pflanzen oder so. Was man da halt so macht. Das werde ich schon lernen…

(Türknallen)

P: Jetzt ist er weg.
F: Ja, ist mir auch aufgefallen. Jetzt ist er weg.
M: Ja. Und seine Sekretärin auch.

P: Und die Rollendinger.
F: Ja. Und die Rollendinger.
M: Und die Waffelchen. Die mit der Schokolade.
F: Ja. Die auch.
(Pause)
F: Aber die mag ich auch nicht so…

 


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 May 13, 2016  15m