SchönerDenken FilmPodcast

Der erste Eindruck - direkt nach dem Kino - in etwa 12 Minuten und spoilerfrei, versprochen. Das ist unser Kerngeschäft. Ansonsten echte Liebe für japanische Filme, eine Schwäche für Science-Fiction und ungebrochene Entdeckungslust für bekannte und unbekannte Klassiker.

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Folge 1103: Jennifer Kents THE NIGHTINGALE: „Die weiße Art ist eine Scheiß-Art“ feat. Molo


Jennifer Kent hätte nach ihrem Debüt-Hit THE BABADOOK (2014) flott eines von vielen an sie herangetragenen Drehbücher anpacken können, schuftete aber lieber vier Jahre, um ein eigenes Projekt zu stemmen. Mit THE NIGHTINGALE (2018) führt sie uns am Beispiel der Aktivitäten des Britischen Weltreichs in Tasmanien – damals noch Van-Diemens-Land – vor, wie Europäer im 19. Jahrhundert „die Exoten zivilisierten“. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die irische Strafgefangene Clare (Aisling Franciosi), ihr ehrgeiziger Dienstherr Lieutenant Hawkins (Sam Claflin) und der Aborigine Billy (Baykali Ganambarr). Was als Rache-Geschichte beginnt, entwickelt sich zu einer tückischen Verfolgungsjagd durch die Wildnis, und mündet letztendlich in einer überraschend poetischen Geschichte über die Solidarisierung von Aussenseitern, die vom strengen Ordnungssystem zum minderen Anderen abgestempelt wurden. Trigger-Warnung ist angebracht, denn neben meditativen und zärtlichen Aspekten setzt dieser Ab-18-Film seine Zuschauer der Brutalität – Vergewaltigung, Kindsmord, Genozid, Verstümmelung, Trauma, Alpträume – des Black Wars des Jahres 1825 aus. Gast Molo (zum ersten Mal dabei!) und Thomas werden von der Wucht des Films umgerissen. Jennifer Kent erzählt viel mehr als eine simple Rape-Revenge-Geschichte. Sie führt uns in die Hölle der Black Wars, der Kriege zwischen den Ureinwohnern und der englischen Eroberer, und zeigt uns sehr authentisch die Brutalität und die Machtstrukturen des englischen Militärs. Nicht nur die Ausbeutung und Ausrottung der einheimischen Bevölkerung, auch die systemische Gewalt gegen Frauen steht im Mittelpunkt des Films. Molo und Thomas müssen den eindrücklichen Schrecken, die Gewalt und die Hoffnungslosigkeit in einem therapeutischen Nachgespräch verdauen und bald geht der Austausch über in eine Aufarbeitung von Kolonialismus und den Zivilisationsbrüchen durch die herrschenden weißen Männer, die sich trotz ihrer ungeheuren Gräueltaten für den Gipfel der menschlichen Entwicklung halten. Darüber wird in der Episode aber auch nicht vergessen, wie großartig Jennifer Kent ihre Figuren entwickelt, vor allem die Beziehung zwischen Clare und Billy, wie authentisch der Film konzipiert und umgesetzt ist, warum Kent auf das 4:3-Format setzt und grundsätzlich: Was für ein großartiger und unbedingt sehenswerter Film das ist! Im Laufe der zweistündigen Episode werden Molo und Thomas immer wieder philosophisch, politisch und manchmal auch wütend über systemische Gewalt gegen Frauen, entmenschlichten Rassismus und die Verbrechen der eigenen europäischen Kultur. Bitte beachtet auch am Ende Molos Literaturhinweise zur Vertiefung der Hintergründe. Danke an Molo für die spannende Diskussion und Euch Zuhörer:innen für Eure Geduld und Aufmerksamkeit.


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 May 4, 2021  2h2m