Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0449: Die Psychopathen kommen!


Das Bild, das vor meinem geistigen Auge erscheint, wenn ich an „Psychopath“ denke, ist Batman’s Joker. Der irre lacht. Nachdem er gerade halb Gotham vergiftet hat. Aber das ist natürlich etwas überzogen. Psychopathie ist verbreiteter und unauffälliger als man denkt. Und vielleicht sogar ein Vorteil.

Download der Episode hier.
Opener: „Are You A Psychopath?“ von AsapTHOUGHT
Closer: „The Dark Knight – Some Men Just Want To Watch The World Burn“ von Danny Foots
Musik: „Psychopath“ von SUADA RECORDS / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Also, einstmals war unser Planet ein Lavaklumpen. Dann gab’s plötzlich viel Wasser und aus der Ursuppe entstand spontan Leben. Und seit diesen ersten Einzellern wirkte dann die sogenannte Evolution. Und brachte uns hervor. Den Menschen. Homo sapiens sapiens. Die Krone der Erschöpfung. Also für die Evolution. Denn jetzt macht sie ja nicht mehr weiter, diese Evolution.

Mag man meinen. Aber ein kleines Team von Mutanten unter der Führung von Professor Xavier belegt, dass die nächste Stufe der Evolutionsleiter bald erklettert wird. Homo superior nennt das Magneto. Doch, ich glaube, im Ernst: Solche Stoffe sind nur eine Ablenkung von Psychopathen, damit wir Nicht-Psychopathen nicht merken, dass DIE gerade die Welt übernehmen.

Ja, das ist meine Theorie. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben….

Psychopathie ist eine schwere Form von Persönlichkeitsstörung. Per Definition in der forensischen Psychiatrie eine Übersteigerung der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Anders ausgedrückt kommen bei Psychopathen zu den Verhaltensstörungen noch spezifische Persönlichkeitszüge hinzu.

Von den Menschen, die z.B. bei uns im Gefängnis sitzen, haben mehr als die Hälfte eine antisoziale Persönlichkeitsstörung, aber nur 15% sind auch Psychopathen. Das steht im Kontrast zur Allgemeinbevölkerung, bei der nicht einmal ein Prozent davon betroffen ist.

Psychopathen kommen grundsätzlich in zwei verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Die eine nennt man interpersonell-affektiv. Laut Psychopathie-Checkliste (PCL-R) von Robert D. Hare bedeutet das, eine Reihe der folgende Kriterien treffen zu:

trickreich sprachgewandtes Blenden mit oberflächlichem Charme
erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
pathologisches Lügen
betrügerisch-manipulatives Verhalten
Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
oberflächliche Gefühle
Gefühlskälte, Mangel an Empathie
mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen

In der zweiten Dimension, nennt sich das dann antisozial-deviant. Das ist dann tendenziell eher der Typ Straftäter, aber die lassen wir jetzt, für meine These, einfach emal weg.

Das klingt alles nicht sympathisch. Eher so nach tyrannischer Massenmörder. Aber der Eindruck täuscht. Es hat deutliche evolutionäre Vorzüge ein interpersonell-affektiver Psychopath zu sein.

Vorzug Nummer Eins: Psychopathen sind attraktiver. Das haben mehrere Umfragen ergeben. Warum das so ist, weiß man nicht genau. Aber vielleicht liegt es daran, dass wir Symmetrie so schätzen. Und weil Psychopathen schon seit der Kindheit mehr Testosteron produzieren, sind sie symmetrischer.

Nummer Zwei: Nach Studien aus den Jahren 2014 und 2015 sind Psychopathen besser in der Lage im Gesicht des Gegenübers Gefühle wir Angst oder Furcht zu erkennen, als Normalos. Ja, ist paradox, weil sie ja unempathisch sind. Kommt aber wahrscheinlich von der gesteigerten Beobachtungsgabe und dem Willen zur Manipulation.

Dann sind sie natürlich, Punkt drei, charmanter und viel geschickter bei Unterhaltungen. Sie haben keine Probleme sich in den Mittelpunkt zu stellen und eine Unterhaltung an sich zu reißen. Und die Freiheit, sich auch noch die spannendsten Dinge erlügen zu können, macht halt zusätzlich interessant.

Viertens kommen sie besser mit Stress zurecht. Weil ihre Körper die Stresshormone nicht so gut freigeben wie bei uns Normalos. Sie sind auch zielgerichteter, Psychopathen prokrastinieren z.B. nicht. D.h. wenn sie ein Ziel vor Augen haben – für sie nicht immer leicht – dann gehen sie das aber auch an. Denn Langeweile ertragen sie ja nicht.

Und natürlich sind sie für eine Reihe von Berufen – fünftens – geradezu prädestiniert. Als erstes fällt einem natürlich das Militär ein. Fokusiert, mitleidslos, risikobereit und furchtlos. Und natürlich gibt es beim Militär auch viel mehr Psychopathen als meinetwegen bei Pfarrern oder Kakteenzüchtern. Das britische Militär hat lange an einem Helm gearbeitet, der bei seinen Piloten die Teile des Hirns stummschaltet, die für Furcht oder Empathie zuständig sind. Ein Psychopathen-Helm sozusagen.

Auch die erfolgreichsten Chirurgen der Welt sind überdurchschnittlich oft Psychopathen. Ist vielleicht ganz nützlich, wenn man bei einer OP nicht an die verheulten Eltern der kleinen krebskranken Laura denkt. Sondern konzentriert das tut, was getan werden muss. Und bei einem Fehler nicht jedes Mal eine Sinnkrise bekommt.

Und dann wären da noch die Geschäftsleute. Die Top-CEOs. Bei denen diese Störung fünfmal so häufig vorkommt wie bei Lieschen Normalotto. Klar, wie sollte man auch sonst Milliarden Euro kleiner Anleger versemmeln und dann guten Gewissens in seinen Porsche steigen, wenn man eines hat. Ein Gewissen, meine ich. Das ist in New York, London oder Frankfurt halt eher hinderlich.

Und – ach – die Liste wird – sechstens – immer trauriger. Psychopathen sind nicht nur attraktiver, können sich besser anziehen, unterhalten sich faszinierender – nein, sie sind auch intelligenter und kreativer. Statistisch gesehen. Was natürlich alles dazu führt, dass sie – siebtens – mehr Sex haben. Und auch mehr Nachwuchs.

Noch zwei Gedanken. Die Standardmethode diese Persönichkeitsstörung zu diagnostizieren, sind Fragebögen. Die auf den oben vorgestellten Kriterien basieren. Und natürlich können die intelligenten, manipulativen Psychopathen den genau so ausfüllen, dass die Diagnose am Ende ihnen nutzt und da nicht Psychopath rauskommt.

Die Dunkelziffer an Psychopathen in Führungspositionen ist also völlig unmöglich zu schätzen. Wahrscheinlich gibt es viel, viel mehr als dieses eine Prozent. Die führen uns empathischen Menschen mit Gewissen einfach an der Nase herum. (dramatisch) Und zwar schon seit langer, langer Zeit.

Warum sonst hätten wir denn eine sozial kalte, kapitalistische, neoliberale Egoisten-Gesellschaft bauen sollen? Warum ist die Gesellschaft denn so konstruiert, dass Empathie, moralisches Empfinden, Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Gefühle und Mitmenschlichkeit mittlerweile eine Wettbewerbsnachteil sind? Hm? Hm? Hm?

Weil Psychopathen diese Welt so gebaut haben. Damit es ihnen besser geht. Es ist IHRE Welt. Nicht unsere. Wir mögen die 95% sein, aber wir haben bereist verloren. Nicht Mutanten oder Roboter sind der nächste Schritt in der Evolution. Es sind die Psychopathen. We are officially doomed!


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 May 24, 2016  12m