Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0451: Die Tätowierung


Ich habe meine Meinung über Gestaltung im Leben schon oft geändert. Und bin wirklich froh, dass ich mich nicht habe tätowieren lassen. Mit achtzehn zum Beispiel. Robert hat dieses Glück nicht. Mehr noch, er hat ein ausgewachsenes Problem. Mit seiner Tätowierung. Aber er kann auch sehr überzeugend sein. Hörspielfolge.

Download der Episode hier.
Opener: „Community: Gettin’ Rid of Britta by Some Worries“ von greendalecc
Closer: „Community La Biblioteca Spanish Rap HD“ von PeacefullyPatient
Musik: „Britta“ von Patrouille / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Es war ein feuchter Abend für Jan und Robert. Und ein feuchter Morgen. Und Alkohol ist nicht der beste Ratgeber, wenn es um so wichtige Entscheidungen geht wie das Motiv für die Tätowierung. Beginnen wir unsere Sendung doch mit Jan. Der liegt vor seinem Schlafzimmer, es hatte am Morgen nicht mehr ganz gereicht. Aber telefoniert schon wieder mit Robert.

Jan: Nee! Das stimmt überhaupt nicht! Du drehst echt immer hohl nach vier, fünf Bieren. Nein. Überhaupt nicht! Das war Deine dumme Idee! Ich mag ja Jägermeister nicht einmal! So eine Plörre! Das hat uns voll den Rest gegeben. Ab dem Scheiß-Jägermeister haben wir gar keine guten Entscheidungen mehr getroffen. Gar keine guten Entscheidungen. Das mit der Tätowierung zum Beispiel. Hast Du’s der Britta schon gestanden? Nicht? Nein. Das glaube ich nicht. Aus der Sache redest Du Dich nicht mehr raus. O.k., wetten wir. Hundert Euro, geht klar. Wie, da kommt sie? Die Britta? Hey… Aufgehängt. Der Depp…

Am anderen Ende der Leitung sitzt Robert. Dessen Freundin Britta ihn gerade besucht.
Britta: Hallo Schatz! Du schaust echt scheiße aus. Wie Erbrochenes.
Robert: Mir geht’s auch furchtbar. Dieser blöde Jan, der muss immer soviel saufen. Ich vertrage das ja gar nicht. Aber der dreht echt immer hohl nach vier, fünf Bieren. Und dann hat er auch noch eine Flasche Jägermeister ausgepackt. Mir geht es echt schrecklich, Schatz…
Britta: So so, der Jan ist bei euch der Säufer. Und Du bist eher so der Typ Denker, stimmt’s?

Robert: Genau. Übrigens, weißt Du, was ich mir gedacht habe? Ich will meinen Namen ändern.
Britta: So, willst Du nicht mehr Oberhuber heißen?
Robert: Nein, ich meine den Vornamen.
Britta: Den Vornamen? Geht das denn?
Robert: Klar geht das, kostet 200 Euro. Vorname ist leichter als Nachname, da braucht man einen triftigen Grund.
Britta: Na, Oberhuber zu heißen reicht nicht als Grund?
Robert: Hey, das ist ein altehrwürdiger bayerischer Nachname.
Britta: Schon gut. Ist immer noch besser als Unterhuber. Was passt Dir denn an Robert nicht. Ist doch ein stinknormaler Name?
Robert: Na, das ist doch schon ein Grund, oder? Und Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich als Kind in der Schule gehänselt wurde.
Britta: Nee, kann ich nicht. Wie denn?
Robert: Na, arg halt.
Britta: Schon klar. Hast Du ein Beispiel?
Robert: Na, die Kinder haben gerufen: Robert, Robert, der, der immer…
Robert: Ach, jetzt fällt mir kein Beispiel ein. Aber es war furchtbar.
Britta: Ja, das Trauma scheint sehr tief zu sitzen.
Robert: Oh, mein Kopf. Ich hab’ so ein Schädelweh! Jetzt tröste mich doch einmal, Britta!
Britta: Ist ja schon gut, mein kleiner Spritti…
Robert: Ich meine, was soll das bedeuten „Robert“. Speziell das Ro! Das steht da so ‘rum. Gibt’s auch ein Gekochtbert? Oder ein Durchbert?
Britta: Robert ist die normannische Namensform von altgermanisch „(H)rod-berht“ und bedeutet so viel wie „von glänzendem Ruhm“. Die Bedeutung des althochdeutschen Wortes „hrōd“, „hruod“ ist Ruhm, Ehre und das Wort „beraht“ steht für strahlend, glänzend, stolz.
Robert: Wie bitte?
Britta: Steht in der Wikipedia.
Robert: Ja, siehste. Althochdeutsch. Voll überholt. Haben wahrscheinlich die Nazis geliebt, den Namen Robert. Und es gibt keine berühmte Menschen, die Robert heißen.
Britta: Robert Koch, Robert Bosch, Robert Lembke. Der fliegende Robert. Und Rocky, der heißt eigentlich Robert Balboa, wusstet Du das?
Robert: Siehste. Alle tot. Oder alt. Oder beides.
Britta: Der fliegende Robert ist eigentlich nicht alt, der ist halt…
Robert: Mensch, Britta, jetzt hör’ aber auf! Ich will einfach nicht mehr Robert heißen! Ist das so schwer zu verstehen?
Britta: Schon gut, dreh’ nicht gleich wieder durch. Wie willst Du denn heißen?
Robert: Ich will Danton heißen.
Britta: Wie der französische Justizminister während der Revolution?
Robert: Genau! Ein Freiheitsheld!
Britta: Na ja, genau genommen hat er eigentlich das Terror-Regime mit installiert. Aber da gibt’s ein Problem…
Robert: Was denn?
Britta: Das ist ein Nachname. Der hieß Georges Jaques Danton. Danton ist ein Nachname.
Robert: Oh. Na gut. Dann nehme ich halt Jaques. Jaques ist gut. Ist wie Jack, bloß auf französisch.
Britta: Na, Du bist ja nicht sehr wählerisch. Auf Jaques fallen mir spontan aber die wüsteren Beschimpfungen ein als auf Robert.
Robert: Das macht ja nichts mehr. Ich gehe ja nicht mehr zur Schule.
Britta: Na, ich finde, Du solltest das ein bisschen genauer…
Robert: Nein. Mein Entschluss steht. Ich bin ab jetzt nicht mehr Robert. Ich bin Jaques.
Britta: Aber, Robert…
Robert: Jaques.
Britta: Ist das echt Dein Ernst? Oder spricht der Jägermeister aus Dir?
Robert: Los! Sag’s!
Britta: Was?
Robert: Na, meinen Namen. Wie heiß’ ich?
Britta: (leise) Jaques.
Robert: Lauter bitte.
Britta: Na gut. Jaques. Dann biste halt der Jaques. Ist mir doch wurst. Namen sind Schall und Rauch!
Robert: Das ist die richtige Einstellung! Danke, Schatz! Ich liebe Dich!
Britta: Ich mag Dich auch. Selbst wenn Du Jaques heißt und wie ein Penner riechst.

(Pause)

Robert: Duhuuu. Britta?
Britta: Was gibt’s, Rob… Jaques?
Robert: Du hast doch erzählt, dass Du Deinen Vornamen hasst.
Britta: Ja, klingt ungeheuer hart. BRITTA. Wenn meine Mutter mich geschimpft hat, klang das immer wie ein Fluch. „Binde sofort Deinen kleinen Bruder wieder los, BRITTA.
Robert: Furchtbar. Du armer Engel!
Britta: Wenn es wenigsten Brigitta gewesen wäre, das wäre noch ein bisschen besser.
Robert: Du hast mein vollstes Verständnis! Weißt Du was, warum änderst Du nicht auch noch Deinen Namen?
Britta: Na ja, wenn das tatsächlich nicht so schwer ist. Was für ein Name würde denn zu mir passen?
Robert: Ich finde, Du bist die Bilderbuch-Angelika!
Britta: Angelika?
Robert: Ja, wenn man den Namen hört, dann denkt man an jemanden wie Dich!
Britta: Echt? Angelika? Hiess so nicht Deine letzte Freundin?
Robert: Was? Quatsch. Die hieß…
Britta: Angelika, ich bin mir sicher.
Robert: Nein, so hieß sie nicht. Und die ist ja auch nicht wichtig. Wichtig bist nur Du. Und Du bist mein Engel. Und der Engel, der steckt ja bei Angelika auch drinnen, verstehst Du?
Britta: Angelika. Hm. Besser als Britta ist das schon.
Robert: Ja, vor allem seit Community.
Britta: Oh ja, vor allem seit Community.
Robert: Ja, Britta ist schon fast ein Schimpfwort.
Britta: Du hast recht. Und Angelika ist wirklich ein hübscherer Name…
Robert: Den werde ich mir, als Zeichen unserer Liebe gleich morgen auf die Brust tätowieren lassen!
Britta: Aber das muss wirklich nicht sein, (zögert) Jaques.
Robert: Doch. Für Dich, mein Engel!

Verlassen wir das junge Liebespaar. Schwenken wir zurück in Jans Wohnzimmer. Ach, nee. Der liegt ja immer noch vor seinem Schlafzimmer. Und schläft. Bis sein Handy klingelt.

Jan: Was? Hallo? Wer ist da? Jaques. Ich kenne keinen Jaques. Und tschüss! Was war denn das für Schwachkopf?
(Handy klingelt noch einmal)
Jan: Hallo? Wer ist da? Robert? Hey, Du klingst genau wie der Schwachkopf, der gerade angerufen hat. Ach, das warst Du. Jaques? Wieso denn Jaques? Ach was? Wie, Du kriegst 100 Euro? Im Ernst? Und das hat sie Dir abgekauft? Das gibt’s doch nicht. Das gibt’s wirklich nicht! Du kommst doch echt aus jeder Scheiße raus! Wie, das ist auch meine Schuld? Ich hätte das dem Tätowierer sagen müssen? Hey, Robert Du Pfeife… Von mir aus. Dann halt Jaques. Jaques Oberhuber. Auch Oberpfeife genannt. Ich habe das beim Tätowierer so oft gesagt, jetzt rate ‘mal, was ich für eine Tätowierung habe? Genau. Eine Herz, in dem der Name Deiner Freundin steht – Britta – Du Oberoberoberhuber.
Nein, ich nenne Dich nicht Jaques! Kack! Ab jetzt bist Du kack! Kack Oberhuber! Oberkack Oberhuber! Selber tschautschau!


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 May 27, 2016  15m