Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0462: Die Marsmenschen


Marsmenschen sind klein, grün und uns technisch überlegen. Sie werden vom Mars kommen und uns erobern. Das war früher klar. Jetzt wissen wir, dass es keine Marsmenschen gibt. Noch nicht. Denn, wenn wir auf dem Mars siedeln, werden wir vielleicht selber zu kleinen, grünen Menschen. Zu Marsmenschen. Wie schnell geht das wohl?

Download der Episode hier.
Opener: „Mars Attacks: We Come In Peace“ von JaneQRepublican
Closer: „Sheldon’s Video To Mars“ von The Big Bang Theory
Musik: „Tramp“ von Kassy Key & the Raindoggs / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Jetzt ist also die nächste Marssiedlung in Sicht. Der aus irgendwelchen Gründen hochpopuläre Elon Musk hat es unlängst verkündet. Jetzt wo sein Falken-Rakete zweimal gut gelandet ist, hat er noch größere Visionen. Bereits 2018 will er seine Transportrakete, den „Red Dragon“ regelmäßig zum Mars schicken.

„Das wird wie ein normale Handelsstraße. Alle 26 Monate werden wir zum Mars fliegen. Sie können sich darauf verlassen. Und wenn die Wissenschaftler der Welt erfahren, dass das ein verlässlicher und vergleichsweise preisgünstiger Weg ist, dann werden wir auch tolle Experimente machen können.“

Aber natürlich ist seine Vision eine noch viel größere. Er träumt von einer dauerhaften Kolonie. Wo dann Millionen Menschen leben. Der Mars als ein Menschenplanet. Warum aber sollten Menschen auf einem Planeten leben, der nur ein Drittel unserer Schwerkraft hat und der kosmischen Strahlung schutzlos ausgeliefert ist?

Das Hauptargument für die Raumsiedler ist schlicht das Überleben der Spezies. Denn ewig wird die Erde nicht menschliches Leben unterstützen. Vielleicht weil wir das Klima kaputt gemacht haben. Oder weil wir einen Atomkrieg ausgelöst haben. Oder weil uns, wenn wir das alles in den Griff kriegen, einfach ein Asteroid zu Klump haut. Und das wird früher oder später passieren.

Gut also, wenn wir dann andere Planeten besiedelt haben. Dann stirbt die Menschheit nicht aus. Abgesehen davon ist das auch cool. Und so will Elon Musk schon 2025 Menschen zum Mars schicken und in den 30ern eine dauerhafte Siedlung einrichten.

Und im Gegensatz zu der anrüchigen Mars-One-Mission ist es Space X durchaus zuzutrauen, dass auch hinzukriegen. Die Raketenflüge dieser Firma, die komplett privat finanziert ist, sind jetzt schon nur ein Drittel so teuer, wie das die NASA je hingekriegt hat.

Mars One dagegen ist eingeschlafen. Ihr erinnert euch, dass war diese Fernsehsendung, hauptsächlich von der Firma Endemol finanziert, die Freiwillige für ein One-Way-Ticket zum Mars gesucht hat. Und als Endemol dann 2015 ausgestiegen ist, ist auch das Projekt eingeschlafen. Ich habe auf jeden Fall keinerlei Neuigkeiten gefunden.

Wenn wir also auf dem Mars siedeln – Tausende, vielleicht Millionen von Menschen – dann werden wir da auch Sex haben. Sorry, aber ja: Schon wieder mein Thema, Sex im All. Hatten wir in Folge 439 schon. Aber es ist ein wichtiges Thema, zu dem nicht viel geforscht wurde.

Denn, wenn wir nachhaltige Kolonien aufbauen wollen, dann müssen da eben auch Babies gemacht werden. Marsmenschen sozusagen. Wir können ja schlecht immer auf Nachschub von der Erde angewiesen sein. Im Falle, dass ein Himmelskörper unsere schöne Erde zerstaubt, wäre dann auch die Marskolonie dem Tode geweiht.

Es ist also wichtig für unsere Spezies Homo sapiens, dass wir Sex auf dem Mars haben. Und dort auch Babies kriegen. Und das wirft zwei faszinierende Fragen auf:

Die erste Frage wäre: Geht das überhaupt? Ganz im Ernst: Brauchen wir Säugetiere vielleicht genau 1 g – also die Schwerkraft der Erde – damit das alles reibungslos funktioniert mit der Fortpflanzung? Könnte das sein? Denn so schaut bisher der Erkenntnisstand leider aus.

Aber der ist nicht besonders groß. Allenfalls ungefähr fünf ernsthafte Papers, fünf Experimente wurden bisher in diesem Bereich ausgeführt. Meistens an Mäusen. Die schönste der Nachrichten stammt dabei aus China und ist vom Mai dieses Jahres. Stolz berichteten chinesische Medien, es sei gelungen, Mäuse im All zu züchten.

Aber das ist natürlich eine Übertreibung der Pressestelle. Tatsache ist, dass das SJ-10-Raumschiff der Chinesen am 6. April 6000 befruchtete Mäuseeizellen an Bord hatte. Und während eines Experiments, dass 96 Stunden dauerte, haben sich einige in den Status Blastozyste weiterentwickelt. Also in eine kleine, mit Flüssigkeit gefüllte Zellkugel von ca. 200 Zellen, die einige sehr strenge Biologen schon als eine Form von individuellem Leben betrachten.

Aber es besteht überhaupt keine Klarheit darüber, wie viele Mäuseeier das hingekriegt haben. Alles, was wir bisher haben, ist ein Foto von ein paar Eiern und ein paar Blastozyten.

Denn was wir bisher wissen – alles auf Mäuse bezogen – ist eher ernüchternd. Eine Studie von 2009 weist nach, dass die Schwangerschaft bei Mäusen in verringerter Schwerkraft schlagartig aufhört. Und schon die Befruchtungsrate im All fällt von 73% ab auf 9%. Und eine dritte Studie hat beobachtet, dass sich in der Schwerelosigkeit bei Mäusen die Gene, die für die Entwicklung des Herzens verantwortlich sind, ausgesprochen unzuverlässig verhalten. Um das einmal sehr vorsichtig zu formulieren.

Die Sowjets haben auf einigen ihrer über 1200 Flüge ins All mehrmals versucht, Ratten zur Fortpflanzung zu bewegen. Und die hatten zwar alle brav Sex, aber zur Schwangerschaft kam es genau Null mal.

Das ist aber trotzdem nicht das Aus für Space Babies oder die ersten Marsmenschen. Denn das ist nicht gerade viel, was wir d haben. Und Menschen sind halt auch keine Mäuse. Oder Ratten.

Zur Frage Zwei also: Angenommen wir können eine Siedlung auf dem Mars errichten. Und da auch Sex haben, was man den Siedlern ja nur wünschen kann. Und schwanger werden. Und Babies kriegen. Nur einmal angenommen. Dann sind das ja Marsmenschen. Wann aber werden diese Menschen dann eine eigene Spezies sein?

Das ist kein Witz, sondern eine berechtigte Frage. Denn die Umstände auf dem Mars sind ja komplett andere als auf der Erde. Ein Drittel der Schwerkraft bedeutet auch ganz andere Herausforderungen für den Körper. Der Halteapparat ist auf einmal nicht mehr so wichtig, die Muskulatur muss nicht so ausgeprägt sein, aber auch Vorgänge wie der normale Blutkreislauf oder die Peristaltik, also die Muskelkette, die die Verdauung managt, werden sich beim ersten Spacebaby dem Mars anpassen.

Wenn der dann mal die Erde besucht, wird ihm das so richtig schwerfallen. Schon die allererste Generation Marsmenschen werden richtige Probleme haben auf ihrem Mutterplaneten, wenn sie an Weihnachten ‘mal vorbeischauen.

Eigentlich wird diese Situation ideal sein, um an der Evolution zu forschen. Denn die macht immer dann einen Sprung, wenn ein Anpassungsdruck da ist. Wenn sich die Lebensumstände in einer Population dramatisch ändern. Und wenn diese Gruppe dann auch noch isoliert ist, dann kann eine neue Spezies entstehen.

Wie lange würde es also dauern, bis es einen Homo Marte gibt? Eine eigene Art Menschen, die mit uns Homo sapiens keinen fruchtbaren Nachwuchs mehr zeugen kann?

Tja, das wissen wir auch nicht so genau. Das erste einschränkende Problem bei der Berechnung ist unsere Generationenfolge. Pflanzen können innerhalb einer Generation eine neue Spezies ausbilden. Eintagsfliegen können sich sehr schnell neuen Bedingungen anpassen, denn sie pflanzen sich halt auch schnell fort. Elefanten brauchen 50 Jahre und wir Homo sapiens, sagen wir einmal 25 Jahre.

Die Ureinwohner Amerikas z.B. sind über die Beringstraße gewandert und hatten dann 10.000 Jahre ungestört Zeit, eine eigene Spezies zu bilden. Gelegentliche Besuche von Wikingern oder irren irischen Mönchen fallen nicht ins Gewicht. Aber das haben sie nicht gemacht. Die Indianer, die Indios sind genauso Homo sapiens sapiens wie Du, ich oder Donald Trump.

Aber es gibt ja noch den Homo floriensis. Könnt ihr euch an den erinnern? Das sind die Fossilien, die 2003 auf der indonesischen Insel Flores gefunden worden. Und diese Zwerge, von der Presse Hobbits getauft, wurden als eigene Spezies deklariert. Und dann wieder nicht. Und dann wieder doch. Und dann wieder nicht.

Momentan scheint alles darauf hinzudeuten, dass das so passt. Das also die Hobbits sich aus dem Homo erectus entwickelt haben. Und wegen ihren neuen Lebensumständen halt immer kleiner wurden. Kleine Homo erecti hatten auf der Insel Flores Fortpflanzungsvorteile.,Dieser Prozess hätte, wenn man die schnellste Variante wählt, 60.000 Jahre gedauert.

Aber auf dem Mars ist alles noch einmal anders als auf der Insel Flores. Denn dass der Rote Planet nicht vor Strahlung geschützt ist, ändert vieles. Das würde Mutationen viel stärker begünstigen als auf der Erde. Wahrscheinlich kämen mehr Marsmenschen mit Behinderungen auf die Welt, wahrscheinlich gäbe es mehr Fehlgeburten, wahrscheinlich wäre es viel schwieriger, überhaupt schwanger zu werden.

Aber auch: Wahrscheinlich würde sich deutlich schneller eine neue Spezies entwickeln als auf der Erde. Scott Solomon schätzt in seinem Buch „Future Humans“ flott und frech, dass es 10.000 Jahre benötige, bis wir echte Marsmenschen haben. Eine neue Menschenspezies.

Ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber klar ist, dass diese Schätzung hoch spekulativ ist, unsere Datenlage ist viel, viel zu dünn. Früher oder später aber würden sich unsere Entwicklungslinien trennen. Ob nun in 10.000 Jahren oder in 60.000 ist ja eigentlich egal. Eines Tages könnte es auf jeden Fall echte Marsmenschen geben. Ack Ack Ack.


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 June 13, 2016  14m