Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0482: Diese Temperatur!


Endlich Sommer, doch schon wieder klagen alle. Ich bin der Meinung, menschliches Leben ist überhaupt nur zwischen 24 und 32 Grad Celsius möglich. Was aber, wissenschaftlich gesehen, ein wirklich kleines Fenster ist.

Download der Episode hier.
Opener: „It’s hot as hell!“ von Krissychula
Closer: Billy Madison and the penguin: “It’s too hot…” von Laurie844
Musik: „Too hot to love you (2011)“ von GLEB BONES / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Von allen Jobs, die der liebe Gott so im Himmel verteilt hat, hat den schlimmsten der arme Petrus. Denn egal, wie das Wetter ist, wir Menschen klagen. Zu kalt, zu feucht, zu trocken und zu heiß. Ich zumindest habe beim Smalltalk immer den Eindruck, dass wir Menschen nie mit der Temperatur zufrieden sind. Oder habt ihr schon einmal jemanden sagen gehört: „Herrliches Wetter heute! Und es hat genau die richtige Temperatur!“

Dabei können wir wirklich dankbar sein, dass unsere Erde es irgendwie geschafft hat, die Temperaturen in so einem schmalen Fenster halten zu können. Ich dachte mir auf jeden Fall: Lasst uns ‘mal kucken, wie heiß und wie kalt es überhaupt werden kann.

Fangen wir also beim absoluten Nullpunkt an. Der liegt bei minus 273,15 Grad Celsius. Oder 0 Grad Kelvin. Das ist aber nur eine rechnerische Größe, die sich aus dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik ableitet und die eigentlich nicht erreicht werden kann. Trotzdem waren wir da mit Laserkühlung schon einmal auf ein paar Milliardstel Kelvin dran.

Das ist definitiv echt kalt. Das kann man nicht überleben. Es sei denn, man ist ein Bärtierchen. Das sind hammerharte Überlebenskünstler. Die sind kleiner als ein Millimeter und wahrscheinlich habt ihr daheim auch welche, ohne es zu merken. Die kann man in ihrer Kryptobiose – eine Art Superwinterschlaf – auf minus 273 Grad abkühlen. Und wenn man sie auftaut, leben sie weiter. Denen werden wir hier noch einmal begegnen.

Machen wir weiter. Bei minus 218 Grad schmilzt Sauerstoff so langsam, bei minus 183 Grad wird es dann gasförmig. Das ist auch ungefähr die Temperatur auf der dark side of the moon. So langsam sind wir dann auch schon bei Erdtemperaturen. Denn minus 89 Grad ist die niedrigste Lufttemperatur, die wir je auf der Erde gemessen haben, nämlich auf der Forschungsstation Wostok in der Antarktis.

Dann sind wir bei minus 40 Grad. Das ist ein interessanter Punkt, weil es der einzige ist, wo Amerikaner und Europäer über die gleiche Temperatur reden. Minus 40 Fahrenheit ist minus vierzig Celsius. Es gibt ein Handy, das bei diesen Temperaturen noch funktioniert. Gut für die Bewohner von Oimjakon in Russland. Dem kältesten Ort, wo Menschen leben.

Dann kommt 0 Grad, der Punkt, wo sich die Skala wendet. Das hat der Herr Celsiuis so festgelegt, weil das Eis schmilzt. Kann man so machen. 13,7 Grad ist die niedrigste Körpertemperatur, die je ein Mensch hatte. Anna Bagenholm hat das 1999 überlebt.

34 Grad ist die Durchschnittstemperatur in Dallol in Indien. Was es zum heissesten bewohnten Ort auf der Erde macht. 37 Grad ist dann die normale Betriebstemperatur und 46,5 Grad die höchste, die je ein Mensch überlebt hat. Das war Willie Jones im Jahre 1980. Ein winziges Fensterchen an Graden also, in dem wir leben können.

Bei 71 Grad erreichen wir dann auch die höchste Temperatur, die je auf Erden gemessen wurde. Und zwar in der Wüste Lut im Iran im Jahre 2005. Auf dem Halleyschen Kometen ist es im Durchschnitt mit 80 Grad noch einmal ein bisschen wärmer.

Bei 125 Grad ist dann die Grenze, wo sich alle Intel-Prozessoren automatisch ausschalten, aber wer will denn auch bei der Hitze noch arbeiten. Kann man ja Wasser kochen auf der CPU.

Die höchste Temperatur, die je ein Lebewesen überlebt hat, sind 151 Grad Celsius. Und welches Lebewesen war das wohl? Richtig, wieder das Bärtierchen. Ab jetzt wird’s dann ungemütlich.

Auf dem Merkur, dem Planeten, der der Sonne am nächsten ist, ist die Durchschnittstemperatur 427 Grad. Aber das ist nicht einmal der heißeste Planet. Denn das ist die Venus, die schafft lauschige 462 Grad. Aber sonnenbaden will man da eh’ nicht, könnte ja jederzeit ein Schwefelsäure-Regen aufziehen.

Schnell noch einmal zurück auf die Erde. Denn die Bremsen eines Formel-1-Wagens können schon einmal 700 Grad heiß werden. Die Flammen von brennendem Holz erreichen maximal 1000 Grad, während der heißeste Punkt einer Flamme der stinknormalen Wachskerze immerhin 1400 Grad hat.

5500 Grad hat dann unsere Sonne an der Oberfläche. Und 6000 Grad hat es im Inneren der Erde. Noch einmal 600 Grad mehr hat es auf dem Polarstern. Im Jupiter ist es 24.000 Grad warm und die Corona der Sonne, also nicht ihre Oberfläche, die erreicht eine Million Grad Celsius.

Zehn Millionen Grad wird es in einer Atombombe und 15 Millionen Grad hat es im Kern der Sonne. Das ist aber fast noch gemütlich, wenn man an die höchste Temperatur denkt, die wir auf Erden so produziert haben. Da haben wir im LHC Bleiatome aufeinander geschossen, worauf es 5,5 Billionen Grad heiß wurde. Da gart ein durchschnittliches Schweinenackensteak in 0,02 Sekunden. Für den hektischen Griller. Nee, Quatsch…

Diese Temperatur kann man auch als 5,5 mal 10 hoch 12 Grad Kelvin ausdrücken. Hoch zwölf heißt 12 Nullen. Wenn man dann bei 1,41679·10 hoch 32 Kelvin ist, dann hat man eine Temperatur, die man den absoluten Hitzepunkt nennen könnte. Es ist dies die Planck-Temperatur. Anderthalb Quintillarden Grad Kelvin.

Auch eine errechnete Zahl. Ganz einfach ausgedrückt ist es bei der Planck-Temperatur so heiß, dass die Gesetze der Physik nicht mehr so funktionieren. Nur in einem Schwarzen Loch könnte es theoretisch heißer werden.

Von minus 273,15 Grad Celsius oder eben 0 Grad Kelvin sind wir gerade eine Quintilliarde Grad gereist. Auf unserem Planeten haben wir da ein sehr, sehr angenehmens Fensterchen von minus 70 bis plus 70 Grad Celsius. Unser Organismus muss immer einigermaßen 37% aufrecht erhalten. Aber wegen 10 Grad Unterschied draussen ist es uns schon zu heiß oder zu kalt.

Wir sollten richtig froh sein, dass Petrus seine Heizung so gut im Griff hat. Er macht einen guten Job. 30 Grad im Sommer ist genau richtig. Besser als 462 Grad wie auf der Venus. Bei Schwefelsäure-Schauern. Egal, wie das Wetter so ist, im Vergleich zum Rest des Universums ist es immer herrlich!


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 July 11, 2016  11m