Auf dem Pausenhof wollten damals alle immer Spock sein. Doof, dann war ich halt Captain Kirk. Die Erforschung der Galaxien lag für uns in naher Zukunft. Aber wegen der blöden Lichtgeschwindigkeit sitzen wir hier immer noch fest. Warum, noch einmal? Eine hypothetische Reise.
Download der Episode hier.
Opener: „Star Trek Warp Jumps“ von aureaxxi
Closer: „The Hitchhiker’s Guide Of The Galaxy | Infinite Improbability Drive“ von ReplicaPropStore RPS
Musik: „Lighter (2016)“ von MIGHTY VINC / CC BY 3.0
Auf der anderen Seite weiß ich leider ein bisschen zu viel über die spezielle Relativitätstheorie. Alles kindliche Wünschen hilft nichts mehr. Auf die Frage: „Was passiert eigentlich, wenn man schneller ist als Lichtgeschwindigkeit?“ neigen Physiker nämlich aus gutem Grunde ziemlich genervt zu antworten.
Weil es physikalisch nicht möglich ist, schneller als Lichtgeschwindigkeit zu sein. Und die Physik ist eben ein Komplettpaket. Man kann nicht ein Gesetz ändern und die anderen nicht. Also kann die arme Naturwissenschaft auf diese Frage genau nichts sagen.
Das ist für Wissenschaftler eine Frage der Kategorie „Was, wenn ich in die Zeit zurückreise und aus Versehen meinen Großvater töte?“. Oder „Angenommen ich hätte ein Perpetuum Mobile…“ Oder „Wenn man nun doch durch Null teilen könnte“?
Seit Einstein wissen wir, dass weder die Zeit noch der Raum Konstanten sind, die können sich verändern. Aber die Geschwindigkeit des Lichts eben nicht. Die spezielle Relativitätstheorie ist auch nicht so theoretisch, wie man vielleicht denken mag. Wir verwenden die schon lange sehr praktisch und bis jetzt hat sie immer akkurat gute Ergebnisse erbracht.
Ohne sie würden unsere Handys nicht gehen, keine Satellit im Himmel fliegen und kein Astronaut jemals auf dem Mond gelandet sein. Um sich selber auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, sagen diese Formeln, braucht man eine unendliche Menge an Energie. Selbst, wenn man alle Materie unseres Planeten in Energie umwandelt, dann hätte man genau 0% der Energie, die nötig wäre. Denn jede Zahl, die man durch unendlich teilt, ist 0.
Im LHC, dem Large Hadron Collider, gelang es tatsächlich schon, Teilchen – Protonen genau genommen – auf 99.999994% der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Und mit mehr Energie können wir da auch noch ein paar Neuner hinten dranhängen. Aber die 100% werden wir niemals schaffen.
Newton hat eben nicht recht an dieser Stelle. Kraft, so haben wir gelernt, ist Masse mal Beschleunigung. Wenn man also irgendetwas auf irgendetwas konstant Kraft aufwendet, dann müsste es immer schneller werden. Aber egal, wieviele Neuner nach dem Komma wir noch akkumulieren, die 100% werden wir nicht erreichen.
Aber nehmen wir einfach an, futuristische neue, unerschöpfliche Energiequellen erlauben es einem Raumschiff immerhin 99,9% der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Man wird ja bescheiden mit der Zeit. Nennen wir das der Einfachheit halber „Enterprise“, ok? Was wäre dann? Wenn jetzt jemand auf der Enterprise die Scheinwerfer anmacht, kann man das sehen? Ja. Ganz normal. Bisschen blau, das Licht. Aber Kirk und Spock können bei 99,9% von C auch immer noch in den Spiegel kucken.
Überhaupt: Für die 400 Mann starke Besatzung der Enterprise fühlt sich alles völlig normal an. Richtig verrückt ist es nur für uns Zuschauer von der Erde. Die Enterprise wäre räumlich extrem gestretcht. Je mehr Geschwindigkeit, desto weniger hoch wäre sie. Räumlich. Auch die Menschen an Bord sähen für uns aus, als wären sie unter eine Straßenwalze geraten. Sie wäre flach und lang, aber nicht mehr hoch. Bei Lichtgeschwindigkeit wäre ihre „Höhe“ genau 0 – noch ein Grund, warum das nicht so richtig hinhaut.
Wenn der Kessel-Flug aus Star Wars eine Rennstrecke wäre, dann würde diese bei Lichtgeschwindigkeit auf eine Länge von genau 0 Parsec reduziert. Im Prinzip wären der Startpunkt und die Ziellinie übereinander. Ineinander. Am gleichen Ort. Was weiß ich? Lichtgeschwindigkeit macht auf jeden Fall Wettrennen überflüssig. Die ganze Formel 1 wäre bei Lichtgeschwindigkeit eine sehr, sehr langweilige Veranstaltung.
Aber es gibt noch andere Sachen an der Enterprise zu beobachten. Wenn uns Scotty beim Vorbeifliegen ein original schottisches „Slandsche Wa“ zuprosten würde, dann klänge das für uns Zuschauer so: /Hörbeispiel
Alles an Bord der Enterprise hätte sich auf ungefähr ein Siebtel verlangsamt. Die Uhren, der Herzschlag von Sulu oder aber auch die Computerprozessoren an Bord. Aber wenn wir Sulu bitten würden, seinen Puls zu messen, würde er uns – sehr laaangsam – einen ganz normalen Wert sagen.
Je schneller man wird, desto langsamer wird die Zeit. Bei Lichtgeschwindigkeit würde für die Enterprise die Zeit stehen bleiben. Komplett. Kirk könnte nicht einmal mehr einen Knopf an seinem Pult drücken, um wieder zu bremsen. Stillstand der Zeit.
Und das bedeutet auch, weil Physik eben doch faszinierender ist als Science Fiction: Ein Photon, ein Licht-Dingsbumschen, das ja die Lichtgeschwindigkeit drauf hat, fliegt ja durchaus durchs Weltall. Aber für das Photon selber vergeht keine Zeit. Anders ausgedrückt: Auf seinem Weg von der Sonne irgendwohin ins Weltall, ist es an jedem Ort gleichzeitig. Verrückt, oder? Nochma: Auf seinem Weg von der Sonne irgendwohin ins Weltall, ist es an jedem Ort gleichzeitig. /dramatic sound
Aber jetzt lassen wir die Crew ‘mal weiterfliegen mit ihren 99,9% Lichtgeschwindigkeit. Wie schnell wären sie wo? Zum Mond bräuchten sie 1,28 Sekunden, zum Mars 4,36 Minuten. Zum Saturn dauert es schon eine Stunde 18, zum Pluto fünfeinhalb Stunden.
Erinnert ihr euch noch an Wolf 1061C? Der bisher naheste, erdähnliche Planet? Um da vorbeizuschauen, würde Kirk 13,8 Jahre brauchen. Wollte er aber zum Mittelpunkt der Milchstraße fliegen, müsste er schon 30.000 Jahre einkalkulieren. Und das bei der schnellsten Geschwindigkeit, die uns die Physik erlaubt.
Zum sogenannten Coma-Cluster, in dem wir schon 1000 verschiedene Galaxien ausgemacht haben, bräuchte es 340 Millionen Jahre. Wollte er die größte uns bekannte Galaxie besuchen IC1101, bräuchte er Proviant für eine Milliarde Jahre. Hätte die Drehbuchautoren die Idee die Enterprise an den Rand des Universums zu fliegen, dauert’s eher so 46 Milliarden Jahre. Wobei das Unternehmen nie gelingen würde, weil sich das Universum mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt. Wäre also eine dumme Idee. Kommt aber trotzdem in Star Trek V vor. Drehbuchschreiber kennen keine Relativitätstheorie.
Und eben Einstein keine Science Fiction. Hardcore-Trekkies würden übrigens jetzt sagen: Die Enterprise fliegt gar nicht mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit. Die haben ja ein Warp-Drive. Warp ist englisch und heißt „Krümmen“. Die Enterprise – die aus dem Fernsehen, nicht das Raumschiff, das wir gerade gedanklich gebastelt haben – die Fernseh-Enterpise, die krümmt einfach die Raumzeit.
Die faltet das Universum so zusammen, dass Startpunkt und Zielpunkt identisch sind. Die schafft sozusagen ein künstliches Wurmloch. Da, hastes, Einstein, in your face!
Nett. Das hat ein internes und ein externes Problem. Das externe Problem ist, dass Wurmlöcher pure Theorie sind. Theoretisch lassen die physikalischen Gesetze so eine Abkürzung zu. Rein praktisch haben wir noch nie auch nur ein einziges Phänomen solch extremer Raumzeit-Krümmung gesehen.
Und das interne Problem. Wenn die Autoren das so gemeint haben: Was ist dann bitte Warp2? Oder Warp3? Oder Warp4? Vier Wurmlöcher? Unsinn, die Schreiber meinten immer die Lichtgeschwindigkeit, die haben nur einen fancy Ausdruck gesucht. Die Wurmlochtheorie ist einfach ein Schlupfloch. Für uns Träumer.
Zwei Dinge noch. Erstens: Wir können den Weltraum erforschen. Und fremde Galaxien. Wenn wir Millionen von Jahren Geduld haben. Lasst uns also die Dinge hier unten ordnen, Klimaerwärmung, Weltfrieden, so Zeuch und aufbrechen. Dalli-Dalli!
Zweitens: Warum die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante ist, aber Raum und Zeit nicht, dass weiß bisher kein Mensch. Aber das wäre schon toll zu wissen. Da liegen Nobelpreise zu Haufe herum.