Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0490: Die Muppet Show


Meine Generation ist diejenige, die als erste und vielleicht als letzte mit dem Fernseher groß geworden ist. Und es gab wenige Formate, die für die ganze Familie geeignet waren. Und das beste davon war die großartige Muppet Show! Ein kleine Vorstellung dieses Fernsehklassikers.

Download der Episode hier.
Beitragsbild: Von Muppet Show – http://www.brandsoftheworld.com/logo/muppet-show, Logo, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6266637
Opener: „The Muppet Show Opening“ von Anthony Rodriguez
Closer: „Statler and waldorf (excellent)“ von Kanaal van 77fattyboy77
Musik: „Mana Mana (2006)“ von DIE DREI LENÖRE / CC BY-NC-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Jede Generation hat so ihre Idole. In meiner Generation, die Generation Familienfernseher, gibt es eine ganze bunte Truppe von Helden. Gemacht aus Schaumstoff, Webpelz, Federn und Ping-Pong-Bällen. Die Muppets aus der Muppets-Show. Eine Hommage auf alte, angelsächsische Vaudeville-Shows. Die man aber nicht kennen musste, um die Muppets zu lieben.

Die Muppets-Show lief beim ZDF von 1977 bis 1981. Ganze 120 Folgen, voller schräger Figuren, Slapstick, schlechter Witze, guter Witze und jeweils einem Gaststar. Das Erstaunliche war, dass das mein kleiner Bruder toll fand, der ist sieben Jahre jünger als ich und dass ich das toll fand und meine Eltern eben auch. Die Muppet Show war das einzige Format im Fernsehen, dass wirklich familientauglich war.

Und der Humor war sensationell anders als alles, was sonst im Fernsehen lief. Klar, es gab Loriot, aber dessen Humor war mir mit 12 unzugänglich. Weder „Nonstop Nonsense“ noch „Klimbim“ waren schon produziert. Und auch Otto hatte noch keinen Auftritt im Fernsehen gehabt. Humor fand im deutschen Fernsehen statt, wenn Hans-Joachim Kullenkampf rumwitzelte oder Rudi Carrell rumalberte. Sehr brav alles und sehr bieder.

Und dann kamen diese kleinen Schaumstoff-Figuren und blödelten die ganze Folge völlig schamlos herum. Vom Intro, in dem immer drei Gags variierten bis zu den ganzen Shows in der Show: Ständig gab es etwas zu lachen. Das reichte von purer Slapstick, wie bei Gonzo, über misslungene Pointen, wie bei Fozzy bis zu bitterem Sarkasmus bei Waldorf & Statler am Schluss. Und kein Gag war zu schlecht: Wenn sich eine Gelgenheit bot, dann wurde sie ergriffen!

Der Moderator und der Showrunner der Muppet Show innerhalb der Muppet Show war natürlich Kermit, der Frosch. Der ist auch die Lieblingsfigur seines Schöpfers, nämlich Jim Henson. Die Legende will es, dass er die erste Kermit-Puppe aus einem abgetragenen Wintermantel seiner Mutter und einem Ping-Pong-Ball 1955 selber geschneidert hat.

Für Kermit war das schon die dritte Fernsehserie. Seinen ersten Auftritt hatte er bei Sam & Friends, einer Serie die in Washington im Loalfernsehen lief. Und berühmt wurde er durch die Sesamstrasse. Eine sensationell neue Art von Kindersendung. Kindern Dinge beizubringen, indem sie lachen und Spaß haben, war 1967 ein völlig neuer Ansatz.

Kermit ist die einzige Sesamstraßen-Puppe, die dann mit umgezogen ist zur Muppets-Show. Jim Henson wollte mit seinen patentierten Muppets nun auch Jugendliche und Erwachsene ansprechen. Übrigens: Zu der Theorie, der Ausdruck „Muppet“ wäre ein Kofferwort von „Marionette“ und „Puppet“ meinte Henson: „Was? Quatsch. Ich dachte nur, das kling toll.“

Ein klassisches Muppet wird von einem Puppenspieler bedient, der die Puppe über seinen Kopf hebt und mit seiner Hand den Mund und den Kopf bewegt. An einem Stab ist er noch mit einem Arm des Muppets verbunden. Weswegen Muppets meist nur einen Arm bewegen. Und alle Muppets – bis auf eine – Linkshänder sind.

Kleiner Ausflug, sorry. Dann gäbe es noch die berühmte Miss Piggy. Die in den Frosch verliebt ist, aber ihn auch gerne regelmäßig mit einem Schwinger von der Bühne fegt. Die ist mittlerweile ein Forschungsobjekt in zahlreichen Genderstudien. Ist sie jetzt selbstbewusst und modern oder eher reaktionär und frauenfeindlich? Wer weiß, für mich ist und bleibt sie eine Sau.

Dann natürlich Gonzo. Der mit immer gefährlicheren Stunts verzweifelt um Aufmerksamkeit ringt. Und der wie Sisyphos immer scheitert. Aber wir müssen uns Gonzo als glückliches Muppet vorstellen.

Fozzy Bär, der wahrscheinlich schlechteste Stand-Up-Comedian aller Zeiten. „Da hat mich gerade dieser Typ gefragt: Fozzy, hast Du heute ein Bad genommen? Und ich: Wieso? Fehlt eines?“ Fozzy hat zwei Erzfeinde, die zu allem Überfluss auch noch schlagfertiger sind als er.

Eben Waldorf und Statler, die bösen alten Männer auf dem Balkon, die eigentlich jede Folge unerträglich finden, aber trotzdem immer wieder dabei sind. „Meinst Du eigentlich, diese Show befördert Tierquälerei? Nur wenn die Tiere gezwungen werden, das anzuschauen.“

Oder der dänische Koch mit seinen seltsamen Rezepten. Die selbst für Nachspeisen und Desserts meistens auf Hühnern basieren. Im Original übrigens der schwedische Koch. Dann macht auch „Smörebröd, Smörebröd, röm töm töm töm“ mehr Sinn, oder?

Oder Professor Dr. Honigtau Bunsenbrenner. Dessen Forschungsobjekt war wohl, 120 Methoden zu entwickeln, seinen wortkargen Assistenten Beaker zu verbrennen, sprengen, ElektroSchocks zu verpassen oder mit irgendwelchen Tränken zu vergiften. Mimimi…

Dann gibt es noch „Electric Mayhem“ die Muppet-Band. Mit Dr. Goldzahn, dem coolen Sgt. Floyd Pepper, Zoot, Lips, Janice und dem Archetypen des Drummers schlechthin: Animal. Auf deutsch Tier. Nomen est omen: Das beschreibt seinen Stil ganz gut.

Und die Miniserien in der Serie: Natürlich zuerst „Schweine im Weltall“. Captain Link Ringelschwanz als Captain Kirk, Miss Piggy als Miss Piggy und Wissenschaftsoffizier Dr. Julius Speckschwarte als Spock. Besonders schön, als Luke Skywalker, C3PO und Chewbacca die Ehrengäste waren. Und Gonzo mit seiner Version von Darth Vader auftrat.

Oder Rowlf als Tierarzt Dr. Bob in der Tierklinik. Wo er mit seiner Assistentin Miss Piggy in der Rolle als Miss Piggy sarkastische Wortspiele über das jeweils vor ihnen liegende, narkotisierte Tier austauscht. „Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn Sie Dr. Bob sagen hören: Geht’s nur mir so, oder hört ihr auch die Zirpen grillen?“

Oder die Muppets-Blitznachrichten. Auch hier gab es meistens zu den berichteten Katastrophen eher Slapstick zu sehen. Der Nachrichtensprecher berichtet z.B. von der Explosion im Muppet-Labor – war der Sketch vorher – und ein noch qualmender Beaker landet natürlich genau auf ihm.

Klar, dass war natürlich nicht alles Gold. Als Zwölfjähriger nervten mich die Gaststars am meisten. Alles in allem waren das ja meistens Menschen, von denen ich noch nie etwas gesehen oder gehört hatte. Und am schlimmsten war es, wenn sie wieder kitschige Lieder zum Besten gaben.

Denn Musik war ein wichtiger Bestandteil jeder Show. Ob Rowlf auf dem Klavier spielt oder Electric Mayhem oder aber Lieder mit dem Gast oder aber z.B. seltsame Außerirdische „Manah Manah“ zum Besten gaben – Musik war immer dabei. „Manah Manah“ zum Beispiel wurde nur durch die Muppet-Show ein internationaler Hit.

Nach der Fernsehshow kamen eine Reihe von Filmen, die aber echte Muppets-Fan wie ich natürlich ignorieren. Und zwar sowohl die alten fünf als auch die neuen zwei. Das ist nicht das richtige, anarchische Umfeld, die Charaktere können sich nicht entwickeln und es gibt keine running gags.

Dieses Jahr hat die ABC noch einmal versucht, die Muppets zum Leben zu erwecken. Mit meiner Generation als Zielgruppe im Auge, denke ich. Denn die Serie „Die Muppets“ ist eine Mockumentary. Eine Serie, die tut, als wäre sie eine Doku über das, was hinter der Bühne bei den Muppets so passiert. Aber auch wenn die Kritiken nicht schlecht waren, wollte diese erwachsene Form der Muppets keiner mehr so richtig sehen. Die Serie wurde nach 16 Folgen eingestellt.

Ich glaube, wir verdanken Jim Henson wirklich viel. Nicht nur durch seine Sesamstraße, die das Kinderfernsehen veränderte. Sondern auch wegen der Muppet Show. Deren großer Erfolg bei uns Zuschauern war den deutschen Fernsehverantwortlichen wohl unerklärlich. Erst nach der Muppet Show begannen andere klamaukige Produktionen gemacht zu werden. Erst nach den Muppets gab es Quatsch.

Die Anarchotruppe aus Schaumstoff hat den Weg geebnet für eben „Klimbim“, „Nonstop Nonsense“ und auch für Otto.

Leider ist Jim Henson mit 53 Jahren verstorben. Das war 1990. Ich bin mir sicher, er hätte auch noch ganz andere gute Ideen gehabt. Von mir: Vielen Dank für die Muppets, Jim!


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 July 21, 2016  14m