Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

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Expl0501: Too old for this…


Ich muss aufpassen, dass ich nicht Filme aus der Vergangenheit aus nostalgischen Gründen verherrliche. Aber ich fühle mich ein bisschen zu alt für diesen Sch… So wie Danny Glover als Sergeant Roger Murtaugh in „Lethal Weapon“. Der übrigens das Zitat auch nur geklaut hat.

Download der Episode hier.
Beitragsbild: By Luc Viatour, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4544809
Opener: „Lethal Weapon – Roger Murtaugh is too old for this shit“ von dossard15
Closer: „Smokers Coughing SOUND EFFECT“ von Lirarev Iyinobosi
Musik: „Anywhere But Here“ von Jamie Rumley / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
Ich bin jetzt genau in dem Alter, in dem Roger Sgt. Roger Murtaugh war, als er im Jahr 1989 zum ersten Mal auf den leicht irren und grenzwertig suizidalen Martin Riggs traf. Und zwar natürlich in dem Klassiker „Lethal Weapon“. In Deutschland noch einfühlsam ergänzt mit „Zwei stahlharte Profis“.

Was als Titel natürlich eine Themaverfehlung sondergleichen ist. „Stahlhart“- pöh! Der eine steckt sich abendlich gerne mal einen Revolver in den Mund und der andere betont ein um’s andere Mal, dass er langsam zu alt für diesen Scheiß wird. „I’m getting too old for this shit.“ Wahrscheinlich eines der bekanntesten Filmzitate ever.

Vor kurzem habe ich mir alle vier Teile wieder angeschaut. Ich wollte einfach wissen, warum ich Actionfilme früher gemocht habe und jetzt nicht mehr. Am I getting too old for this shit?

Egal, ob „Beverly Hills Cop“, „Die Hard“ – der erste, „Nur 48 Stunden“ oder eben „Lethal Weapon“. Für mich spielen die in einer ganz anderen Liga als „Central Intelligence“, „The Equalizer“, „John Wick“ oder die ganzen Filme, in denen Liam Neeson halt das tut, was er immer tut. Oder eben auch „Die Hard“, die Nummer 5. „A Good Day to Die Hard“ im Original. Furchtbarer Film!

Aber an der Tragödie „Die Hard“ lässt sich der Niedergang des Actionfilms gut aufzeigen. Für viele, viele Filmkritiker gilt das Original als der perfekte Actionfilm. Der beste Actionfilm aller Zeiten. Das weiß ich jetzt nicht so genau, aber ich z.B. kucke ihn jedes Weihnachten. Ist sozusagen mein persönliches „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.

In „Die Hard“ sehen wir einen Polizisten, dessen Leben aus den Fugen gerät. Seine Ehe ist zerrüttet, denn seine Frau und seine Tochter sind nach L.A. gezogen. Weil sie da viel mehr Geld als er verdienen kann. Er aber hängt an seinem Beruf als Polizist und auch an New York. Und war gegen diese Entscheidung. An Weihnachten will er die Dinge aber wieder gerade biegen. Seiner Frau erklären, dass er bereit ist, seinen Job für ihre Karriere an den Nagel zu hängen.

Wir sehen ihn mit einem Riesenteddy für seine Tochter am Flughafen einchecken. Wir sehen ein erstes, peinliches Gespräch mit seiner Frau. Und als er sich vor dem Spiegel feinmacht, laufen die Dinger aus dem Ruder. Den Rest kennt ihr ja wahrscheinlich…

Zu keinem Zeitpunkt wollte John McClane in diese ganze Sache reingezogen werden. Aber er tut alles, um seine Frau und die anderen Geisel zu beschützen. Er muss die Dinge deshalb alleine lösen, damit nicht unschuldige Zivilisten sterben – nicht weil er ein Einzelgänger ist. Zivile Leben, die sind ihm wichtig.

Er bekommt natürlich ziemlich auf’s Maul und rennt in Unterhemd und blutenden Füßen durch den Nakatomi-Tower. Per Funk freundet er sich mit einem Cop an, der seine rechte Hand außerhalb des Gebäudes wird. Er ist mental und körperlich ziemlich fertig, aber trotzdem einfach ein netter Kerl. Eigentlich ist er wie wir. John McClane ist einer von uns.

Aber nicht mehr in Teil 5. Jetzt ist John McClane einfach ein beliebiger Actionheld. Eine Gerechtigkeitsmaschine. Er ist wie Jason Stathams Papa. Mit stoischer Miene hält er sein Maschinengewehr, um eine ganze kleine Armee auf den Friedhof zu ballern oder zu sprengen. Drunter geht’s heute nicht mehr. Bei der Autoverfolgungsjagd durch Moskau sind ihm die Zivilisten total egal! Es sollte ‘mal jemand ausrechnen, wieviele Leben alleine diese Szenen gekostet haben würde! Er ist keiner von uns mehr. Er ist ein blöder Action-Superheld.

Riggs und Murtaugh aus „Lethal Weapon“, die waren auch wie wir. Das lief nicht alles wie am Schnürchen bei den beiden. Es dauerte den ganzen Film, bis die sich zusammen gerauft hatten. Über deren persönliche Probleme haben wir ja schon geredet. Aber bei „Lethal Weapon“ kommt noch eines dazu. Das war nämlich VOR dem Zeitalter der Computer-Spezialeffekte. Da gehen echte Autos kaputt, da riskieren echte Menschen Kopf und Kragen für eine gute Filmaufnahme. Action hier ist glaubhaft.

Ich fand z.B. Deadpool ganz o.k. Bis auf die blöden Actionszenen! Die Autoverfolgungs-Szene in Deadpool ist komplett am Rechner entstanden, wie die Produzenten ja auch stolz im Making-Of berichten. Darum folgen sie eben auch nicht der Newtonschen Physik. Sondern wahrscheinlich physikalischen Gesetzen aus einer anderen Dimension. Filme aus einer anderen Dimension aber sind mir wurst. Völlig egal.

Liebe Filmmacher: Ihr denkt, wir merken nicht, wenn etwas aus dem Rechner stammt. Aber wir merken das. An unserem Puls. Ganz einfach. Gebt uns Menschen, mit denen wir uns identifizieren können. Der ganze Overkill lässt uns in Wirklichkeit kalt. Es müssen nicht immer mehr Menschen auf immer sensationellere Art gekillt werden und nicht immer mehr Dinge noch aufwendiger gesprengt werden und sich die Autos nicht noch öfter überschlagen. Das sind doch keine Olympischen Spiele! Wir sitzen hier im Kino und brauchen Menschen. Weil wir auch Menschen sind!

Oh je, wieder ein Rant. Sorry. Eigentlich geht es ja um „I’m getting too old for this shit“. (leise) Vielleicht weil ich mir das auch immer öfter denke. (hüstel) Wie gesagt, das ist DER Satz, den Danny Glover in „Lethal Weapon“ berühmt gemacht hat. Und der mittlerweile selber schon so ein Klischee ist, das man ihn im Drehbuch besser nicht verwenden sollte.

Das sagt z.B. Ray Owens, gespielt von Arnold Schwarzenegger in „The Last Stand“ aus dem Jahre 2013. Oder Lenny Richter, gespielt von Robert Patrick in „Im Feuer“ von 2004. Oder Detective Mitch Preston, gespielt von seiner Heiligkeit Robert de Niro in „Showtime“, gedreht 2002.

Dann wäre da noch „Space Cowboys“ von 2000, wo Eugene Davis, gespielt von William Devane, too old for this shit ist. Oder „Maverick“ aus dem Jahre 1994, wo Danny Glover als Bankräuber sein Lieblingszitat anbringen darf – hier natürlich als Referenz auf Lethal Weapon. Denn der Held dieses Films wird von Mel Gibson gespielt.

Weiter zurück in der Vergangenheit landen wir bei „Deadly Revenge – Das Brooklyn Massaker“, im Original „Out for Justice“, wieder ein toller denglischer Titel. Das ist ein schrecklicher Steven Seagal-Streifen. Hier lässt es sich Captain Ronnie Donziger, gespielt von Jerry Orbach nicht nehmen mit den gleichen Worten wie Sergeant Roger Murtaugh zu jammern.

Womit wir bei „Lethal Weapon“ wären. Einer Serie von vier Filmen, die zwischen 1987 und 1998 gedreht wurden. Im Jahre 2008 sollte ein fünfter Teil folgen. Aber Mel Gibson, damals 52, wollte nicht mit Danny Glover, damals 62, einen weiteren Teil drehen, wenn nicht Richard Donner, damals 78, Regie führen würde. Danke, Mel, übrigens.

So, das ist jetzt also die Quelle! Hier entspringt dieser Springbrunnen an Shits, für die vor allem Polizisten too old sind. Doch weit gefehlt. Die Reise in die Vergangenheit geht weiter.

Vor Murtaugh war da nämlich Colonel James Cooper, gespielt von David Carradine, in einem von insgesamt sieben Filmen, die „Behind Enemy Lines“ heißen. Das war im Jahre 1986.

Und davor gab es Agent Jim Hart, gespielt von Michael Greene, im Film „Leben und Sterben in LA“, dem sein Beruf auch irgendwie über war. Das war 1985.

Aber die Reise geht weiter ins Jahr 1981. Zu einem Film, der im Original „Stripes“ heißt und bei uns den drolligen Titel „Ich glaub’ mich knutscht ein Elch“ trägt. Warren Oates spielt dort den Sergeant Hulka und der ist schon 1981 too old und so weiter.

Und jetzt kommen wir zum wahren Schöpfer dieses Zitats, das wir alle nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Zum ersten Mal kommt es in „The Hunter“ vor. Auf Deutsch „Jeder Kopf hat seinen Preis“. Und gesagt wird es da vom Kopfgeldjäger Ralph „Papa“ Thorson. Gespielt von einer der coolsten Säue aller Zeiten, nämlich Steve McQueen.

Was irgednwie ziemlich bitter ist, denn das war sein letzter Film. Bevor den Kettenraucher der Lungenkrebs dahinraffte, im Alter von 50 Jahren.

Moment, also der war jünger als ich. Und ich Depp rauche immer noch? Mann, Mann, Mann – blöde Zigaretten. Eigentlich bin ich echt zu alt für den Scheiß!


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 August 11, 2016  13m