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Bei der wahren Art, Beethoven zu dirigieren, spielte Weltanschauung eine wichtige Rolle. Heutzutage kommen außerdem auch noch Besaitung, Besetzung, Tempo und Mikrofonaufhängung dazu. Tripelkonzert und Vierte, zwei Interpretationsvergleiche.
Berlioz wollte als "compositeur-poète" sein Erbe antreten, Liszt transkribierte alle seine Symphonien, Wagner, Mahler, Bruckner und Schönberg betrachteten sich als legitime Nachfolger, und Brahms hörte hinter sich einen Riesen marschieren. Aber keiner komponierte eine Zehnte.
Aus einigen der Melodien, die Beethoven erfand, sind später populäre Volkslieder geworden. Weniger bekannt ist, dass er in seinen Werken zeitlebens, auf den Spuren Herders wandelnd, Volkslieder und Volkstänze zitierte, variierte, versteckte und abwandelte. Ein Streifzug durch das musikalische Souterrain.
Nicht nur Beethovens Werke wurden als ausgesprochen maskulin wahrgenommen. Schon die Idee der absoluten Musik galt als eindeutig männlich konnotiert. Mit ihrem Buch "Feminine Endings" legte Susan McClary eine Lunte an dieses Dogma. Sie erklärte den Themendualismus der klassischen Sonatenform für sexistisch und erkannte in Beethoven einen "male chauvinist", der in seiner Musik zur Gewalt gegen Frauen aufrufe.
Die ersten Musikkritiken, die Beethoven über sich las, waren blutige Verrisse. Erst um die Mitte seines Lebens erfuhr er vereinzelt auch Ermutigung, die alsbald umschlug in abgöttische Verehrung. Kein Komponist vor ihm wurde schon zu Lebzeiten zu einer Kultfigur – und damit Opfer einer ruhmgeschützten Geschichte des Nicht-Verstehens.
Mit dem Ruhm Beethovens wuchs auch die Schar seiner Satelliten. Die Konkurrenz war groß unter den jungen Musikern, die sich Schüler Beethovens nannten und für ihn arbeiteten, als Kopist, Assistent oder Privatsekretär. Nur wenige machten sich selbstständig als Virtuose und Komponist wie Carl Czerny und Ferdinand Ries.
Er konnte beides sein: zärtlich sorgender Familienmensch und zugleich kalt-kauziger Hagestolz. Die Dialektik dieses zerklüfteten Privatlebens führte lange nach Beethovens Tod, im Licht der Psychoanalyse, zu neuen Fragen: War er eventuell homosexuell? Und wie kam es zu der Tragödie um seinen Neffen?
Kaum hatten die Bilder laufen gelernt, kam Beethoven ins Kino. Der erste Stummfilm entstand 1909 in Frankreich. Seither sind rund siebzig Beethovenfilme gedreht worden. Befreit von den Fesseln historischer Fakten erfinden sie immer neue Heldensagen, vom "Märtyrer des Herzens" bis zum Weltretter am Synthesizer.
Er liebte die Dichter: Goethe, Schiller, Klopstock, Herder - umgekehrt hielt sich Goethes Gegenliebe in Grenzen. Obgleich man Beethoven nachsagte, dass er für Vokalmusik kein Händchen habe, beginnt doch mit ihm erst die Geschichte des modernen Klavierlieds.
Franz reimt sich auf Glanz, wenn Beethoven die versammelten Fürsten Europas begrüßt. Seine Geschäfte laufen prächtig beim Wiener Kongress. Aber auch als Ehrenbürger Wiens zieht Beethoven immer wieder fluchtartig um - Kehrseite des äußeren Erfolges ist die innere Emigration.