55:08 Genau, MK-4482 ist ein typischer Studienname, meist irgendwie die Firma und eine Abkürzung. Aber er hat auch einen richtigen Namen, das ist Molnupiravir. Hier hat man sich wieder aus der Schublade der alten Medikamente bedient. Man muss sagen, das haben Sie schön zusammengefasst, es fehlt einfach ein gutes antivirales Medikament.
Remdesivir hat in bestimmten Studien auch enttäuschende Daten geliefert. Es hat einen entscheidenden Nachteil: Man muss es intravenös geben. Das heißt, eigentlich nur im Krankenhaus oder beim Arzt muss ein Zugang gelegt werden und das über die Vene gespritzt werden. Deshalb ist es natürlich absolut erstrebenswert, ein Medikament zu haben, was man einfach als Tablette oder als Aerosol oder als Spray geben könnte. Auch sehr schön wäre natürlich, ein Medikament zu haben, was man dann nehmen kann, nach einer Exposition mit einem Patienten, zum Beispiel mit jemandem, der SARS-CoV-2-infiziert war. Sozusagen als Schutz vor einer Ansteckung. Das kennen wir von der Grippe mit dem Tamiflu, dass es da die Möglichkeiten gibt. Und so was fehlt uns einfach noch komplett. Und dieses Molnupiravir oder MK-4482, da gab es zwei Studien, die publiziert wurden insgesamt, die wir uns auch angeschaut haben. Was ist das erst mal? Das ist auch wieder eine Prodrug (pharmakologisch inaktiver Arzneistoff, der erst im Körper in einen Wirkstoff umgewandelt wird/d.Red.), die im Körper umgewandelt wird. Und es ist ein Nukleosid-Analogon, das hemmt den Schritt der Vermehrung des Virus und greift in die RNA-Mutagenese ein. Und es wurde auch wieder, wie
Remdesivir übrigens, vor vielen Jahren initial mal gegen Hepatitis C entwickelt. Also gegen Hepatitis C hat man lange viele Medikamente gesucht, bis man jetzt erfolgreich war. Man hat aber gesehen, dass es nicht nur gegen das Hepatitis-C-Virus hilft, sondern auch gegen Influenza A und RSV (Respiratorische Synzitial-Virus-Infektion/d. Red.), aber auch gegen MERS und SARS-CoV-1 im Mausmodell. Das spricht dafür oder lässt hoffen, dass es auch gegen SARS-CoV-2 eine Wirkung hat. In der einen Studie wurden entsprechend Zellkulturexperimente mit einer Lungenzellelinie und im Hamstermodell als Tiermodell durchgeführt. Dort hat man das Medikament vor der Infektion und zwölf Stunden nach der Infektion gegeben. Das konnte sowohl die pathologischen Veränderungen in der Lunge ja minimieren als auch die Viruslast hemmen. Aber in dieser einen Studie war nicht die Freisetzung neuer Viren im Respirationstrakt verändert. Das heißt, da hat man gesehen, dass die Tiere im oberen Atemwegstrakt Viren hatten und nachweisbar waren. Wobei man nicht weiß, ob die infektiös waren. Und in der zweiten Studie hat man dann ein anderes Tiermodell genommen, das waren Frettchen, weil die wohl sehr gut als Modell für eine milde SARS-CoV-2-Symptomatik stehen und nicht schwer erkranken. Und den Tieren hat man zweimal am Tag ab zwölf Stunden nach der Infektion oder 36 Stunden nach der Infektion das Medikament gegeben. Dort hat man gesehen, dass man die Viruslast im oberen Respirationstrakt, also in der Nase und im Rachen, senken konnte und dass wahrscheinlich die Übertragung, wie Sie gerade schon gesagt haben, dadurch geblockt werden kann und haben es dann als sogenannter Transmissionsblogger bezeichnet. Hier muss man sagen, wir sind hier noch relativ früh. Also wir sind im Tiermodell und in Zellkultur sieht man gute Effekte. Die Autoren selber sagen, dass es vielleicht in Kombination mit
Remdesivir oder neutralisierenden Antikörpern einzusetzen wäre. Es hat sicherlich einen entscheidenden Vorteil, dass Sie eine Tablette nehmen können und nicht intravenös verabreichen müssen. Aber der Nachteil ist auch hier, dass man wahrscheinlich eine sehr frühe Gabe braucht, wie man auch am Tiermodell sieht oder auch im Zellkulturmodell. Das wurde wenige Stunden nach der Infektion schon gegeben, deswegen ist es dann wahrscheinlich eher geeignet als sogenannte Postexpositionsprophylaxe. Das heißt, wenn ein Hochrisikopatient zum Beispiel Kontakt hatte mit jemandem, der infektiös war, dann könnte man überlegen, ob man in solchen Fällen dieses Medikament frühzeitig oder direkt nach der Diagnose einsetzt. Wobei die Diagnose meistens nicht zwölf Stunden nach der Infektion gestellt wird. Das muss man ehrlich sagen. Das wird sich in klinischen Studien dann zeigen. Also es gibt insgesamt zwei Phase-III-Studien, die in den USA laufen, einmal mit Patienten im Krankenhaus und einmal mit ambulanten Patienten. Hier sieht man auch noch mal schön, dass die bereit bei Phase II, III sind, weil diese Medikamente einfach schon vorab für andere Erkrankungen getestet wurden und man nicht wieder bei Phase I anfangen muss, sondern direkt in Phase II, III kombinierte Studien springen kann. Ich denke, hier wird es genauso wie bei vielen anderen Medikamenten ein wichtiger Punkt sein, wann man das Medikament einsetzt. Ob es noch einen Effekt haben kann oder nicht. Das scheint, jetzt einfach mal spekulativ, wahrscheinlich auch in der späten Phase weniger eine Rolle zu spielen als vielleicht in der frühen. Aber da ist natürlich eine Anwendung als Tablette deutlich anwenderfreundlicher, als wenn man sich Infusionen geben lassen muss.
53:18 Und es gibt Medikamente, die man im Fall einer solchen allergischen Reaktion nehmen kann. Das ist jetzt in Großbritannien auch passiert. Übrigens hat der Hersteller seine Erprobungsphasen mittlerweile auch in einem begutachteten Paper veröffentlicht. Vielleicht als Hinweis an dieser Stelle. Im „New England Journal of Medicine“ kann man die Studie nachlesen. Wir wissen mittlerweile aber auch, dass es noch ziemlich lange dauern wird, bis der Effekt von Impfungen in der breiten Bevölkerung spürbar wird. Auch unter denen, die unseren Podcast hören, wurde zuletzt wieder nachgefragt: Was tut sich eigentlich bei den pharmazeutischen Interventionen abseits des Impfstoffes? Also bei Medikamenten in der Therapie gegen Covid-19? Unser letzter Stand war, dass es vieles gibt, das ein bisschen helfen kann, dass es für schwere Verläufe ein entzündungshemmendes Präparat gibt, Dexamethason, hilft aber eben nur, wenn es eigentlich schon ziemlich schlimm gekommen ist. Es gibt diese künstlich hergestellten Antikörper-Cocktails, die aber erst noch zugelassen werden müssen und ziemlich teuer sind. Und dann gibt es
Remdesivir, das gegen das Virus selbst wirkt, aber auch unterschiedliche Ergebnisse in Studien gezeigt hat. Alle sind nicht so durchschlagend, dass man sagen kann, an dieser Front haben wir so richtig wirkungsvolle Instrumente in der Hand. Es gibt aber noch ein paar andere Kandidaten. Ich würde mir heute gern als Erstes mit Ihnen einen angucken, der sich besonders deshalb für Laien so interessant anhört, weil er jetzt sogar daraufhin untersucht wird, ob er nicht nur den Krankheitsverlauf beeinflussen kann, sondern auch eine Übertragung des Virus, also Ansteckungen verhindert. Das ist ein Virenhemmer mit einem etwas sperrigen Namen, MK-4482. Was ist das genau? Und wie wirkt er?
1:09:19 Genau. Denn wenn die ins Krankenhaus kommen, sind die bei Aufnahme nicht mehr am Anfang der Infektion, sondern meistens ist die Infektion eine Woche alt oder noch älter. Und das sind jetzt nicht mehr ganz frisch Infizierte, sondern wahrscheinlich eher zweite Krankheitswoche. Und was hat man gesehen? Man hat gesehen, dass Patienten, die das Interferon erhalten hatten, nach 15 oder 16 Tagen eine deutliche Verbesserung hatten. Auch häufiger in diesem WHO-ScoreSystem den Wert eins erreicht hatten, was keinen Einschränkungen entspricht. Alle waren vollständig genesen. Insgesamt war die Inhalation gut verträglich. Am häufigsten waren in der Studie als Nebenwirkungen Kopfschmerzen angegeben. Man muss aber einschränkend sagen, dass die komplette Studie nur 75 Patienten die kompletten 28 Tage nach Beobachtung beendet haben, sodass die absolute Anzahl in der Studie an Studienteilnehmern natürlich begrenzt ist. Man muss auch sagen, wann waren die infiziert? Sie waren sicherlich nicht ganz frisch infiziert. Hier muss man vorsichtig sein, weil es diesen Zytokinsturm gibt, da haben wir auch schon drüber gesprochen, in der Spätphase oder in einer späteren Phase der Infektion. Und das kann kontraproduktiv sein, wenn man Interferon gibt. Weil das dadurch verschlimmert werden kann, weil Interferone das natürlich noch triggern können. Insgesamt finde ich die Studie vielversprechend. Es wäre einfach anzuwenden, aber hier müssen einfach größere Studien noch folgen, die viel, viel mehr Patienten einschließen. Es ist auch keine Universallösung. Denn gerade Interferone haben auch einige Kontraindikationen, also gerade bei Immunsupprimierten zum Beispiel, die der Risikogruppe angehören, muss man sehr vorsichtig sein mit der Gabe von Interferon, zum Beispiel bei Organtransplantierten. Man muss einfach schauen, wie jetzt die Studien aussehen. Im August ist auch eine Studie gestartet, eine Phase-III-Studie. Die vergleicht das in Kombination mit
Remdesivir. Da hat man eine Kombinationstherapie angestrebt oder untersucht. Die Ergebnisse werden eigentlich noch dieses Jahr erwartet. Ich hoffe, dass die in den nächsten Wochen rauskommen und dass man dann mehr weiß, ob diese vielversprechende Studie sich bestätigt.